Gerd Müller und der Alkohol: Sein härtester Gegner | Abendzeitung München

Gerd Müller und der Alkohol: Sein härtester Gegner

Gerd Müller und sein Kampf gegen die Alkoholsucht: Die AZ druckt Auszüge aus der neuen Biografie über den Ex-Bayern-Stürmer.
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Gerd Müller (2.v.r., links neben ihm: Frau Uschi) trank gern – und mit der Zeit immer öfter. Hier eine Aufnahme aus dem New Yorker Nachtclub Studio 54 während seiner US-Zeit.
imago Gerd Müller (2.v.r., links neben ihm: Frau Uschi) trank gern – und mit der Zeit immer öfter. Hier eine Aufnahme aus dem New Yorker Nachtclub Studio 54 während seiner US-Zeit.

Gerd Müllers sechs Jahre in den USA – ein großes Abenteuer für den ehemaligen Bomber des FC Bayern. Und für seine Frau Uschi, mit der er neben seinen drei Saisons, die er für die Fort Lauderdale Strikers aufläuft, ein Steakhouse namens „The Ambry“ betreibt. Doch dann, 1985, kehrt die Familie nach München zurück. Ohne Job. Und das Unheil für Müller beginnt.

Am 12. Oktober erscheint im Riva-Verlag die Müller-Biografie „Der Bomber der Nation“ von AZ-Autor Patrick Strasser sowie Udo Muras.

Die AZ druckt Auszüge aus dem Buch:

Die Mauer fällt, Deutschland wird wiedervereinigt. Und Müller? Er fällt auch – tief. Er trinkt. Wenn er mal vor die Tür geht, gibt er für etwas Kleingeld Autogrammstunden. Meist jedoch lebt er einsam vor sich hin. Uli Hoeneß gibt später zu: „Da war für uns alle ein Riesenloch.“ Und so kriegt niemand sein Leid mit. „Ich war wieder in Deutschland, und es war nichts los. Ich habe nichts gemacht, das war ja der Fehler... Wenn du da keine Arbeit hast, was sollst du dann tun? Dann ist der Tag lang.“ Wenn er mal rausgeht, dann in eine Kneipe. „Dann sitzt du am Abend halt mal im Lokal und trinkst hier ein bisserl und da ein bisserl.“

Lesen Sie hier: Gerd Müller: Wie er zum Scharfschützen wurde

Bei Prominentenkicks tapst Müller teils unbeholfen auf dem Platz umher. Einmal verliert er seine Kontaktlinsen, die ganze Mannschaft krebst auf dem Rasen umher, um die Dinger zu finden. Zielstrebiger ist er auf den Empfängen nach den Spielen. Die Bar wird sein Strafraum, dort schlägt er zu. Nicht nur dort – überall. „Anfangs hat er sich hin und wieder nach Abpfiff im Bus einen Prosecco aufgemacht und getrunken“, weiß Sepp Maier noch, „ich hatte mir nicht viel dabei gedacht, weil er ansprechbar war und recht normal wirkte.“ Morgens, mittags, abends. Müller erhöht die Dosis. „Schon in der Früh trank er am Frühstückstisch ein Glas Wein. Aber nicht exzessiv“, erinnert sich „Bulle“ Roth an diese Zeit.

Damals ist die Uwe-Seeler-Traditionself Anlaufstelle und beliebter Treffpunkt für ehemalige Nationalspieler. Müller hält meist nicht lange durch, verschwindet nach Zerrungen – typische Verletzungen, wenn man zu viel trinkt – in der Kabine. Manchmal ist es auch nur ein Vorwand. In der Abgeschiedenheit der Umkleide macht er sich dann eine Flasche Wein auf. Früher hatte er einen Fahrer aus Bequemlichkeit, nun geht es nicht mehr anders. In der Presse nehmen die Gerüchte um Müllers Alkoholabhängigkeit zu. (…)

Damals entwickelt sich folgender Dialog. Hoeneß: „Gerd, wenn du Hilfe brauchst und annimmst, sind wir bereit. Aber wir können dir nur helfen, wenn du dir helfen lassen willst.“ Müller entrüstet: „Ich trinke doch nur ein bisschen was.“ Hoeneß antwortet: „Gut. Das ist okay, wenn du damit kein Problem hast. Aber wenn du wirklich Hilfe brauchst: Diese Tür hier in meinem Büro ist immer für dich offen.“ Müller zieht sich sieben Tage zurück. Und ringt sich dann zum Entschluss durch, sich helfen zu lassen. Was Ehefrau Uschi nie gelungen ist, konnte Hoeneß erreichen. „Nach einigen Wochen kam Gerd und sagte: ,Ja, ich brauche Hilfe, ich habe ein Alkoholproblem‘“, erzählt Hoeneß und klingt heute, 24 Jahre später, immer noch erleichtert darüber. (…)

Hier geht's zu Teil 1 der Serie: Gerd Müller - "Wir helfen ihm, wo es nur geht"

Müller wird eingeliefert, der Entzug, die Entgiftung beginnt. Fünf Tage Intensivstation. „Erst hatte ich ein schönes Einzelzimmer, kam an den Tropf, lag im Nachthemd da“, so Müller im Tagebuch seiner Entziehungskur in „Bild“ vom 8. November 1991. Müller weiter: „Dann die Intensivstation, diese fünf Tage – null Erinnerung. Für mich sind diese fünf Tage ein schwarzes Loch. Totaler Filmriss. Mein Glück. Aber die Ärzte haben mir erzählt, dass ich mich wie ein Wahnsinniger aufgeführt habe.“ Nach fünf Tagen wird Müller aufgeweckt, bekommt nur noch morgens eine Infusion, muss dreimal am Tag Tabletten zur Regeneration der Leber nehmen. Und darf Besuch empfangen. Hoeneß kommt jeden Tag. „Wenn ich an der Säbener Straße um 17 Uhr, 18 Uhr fertig war, bin ich nach Murnau gefahren.“

(…) Eines Tages ruft der behandelnde Professor der Murnauer Klinik den Bayern-Manager an: „Herr Hoeneß, Sie brauchen vorerst nicht mehr zu kommen, Herr Müller wird jetzt ins künstliche Koma versetzt.“ Hoeneß weiß: „Das war zwar normal, bei der Schwere der Erkrankung aber auch lebensbedrohlich. Der Professor sagte: ‚Wir glauben und hoffen, dass er auch diese schwere Zeit überstehen wird, weil seine Organe sehr gut funktionsfähig sind. Danach können Sie wieder kommen.‘“

(…) „Ich glaube, dass nur ein Prozent der Alkoholkranken es schafft, nach dem ersten Entzug trocken zu bleiben“, sagt Beckenbauer im Jahr von Müllers 70. Geburtstag, „von daher ist es toll, dass er das gepackt hat.“ Der Hattrick im Europapokal der Landesmeister mit dem FC Bayern Mitte der Siebziger, der EM-Titel, der WM-Titel, all die Rekorde und Auszeichnungen – unterm Strich zählt eines: „Dass ich die Sucht bezwungen habe, war mein größter Sieg“, gibt Müller einmal zu, „wichtiger noch als der WM-Titel.“

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