Tests auf Antik�rper zum Nachweis einer durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion werden zunehmend nachgefragt. Doch es mangelt noch an wissenschaftlicher Evidenz f�r die Schlussfolgerung, dass das Vorliegen von Antik�rpern mit Immunit�t einhergeht. Fraglich ist auch die Zuverl�ssigkeit der mittlerweile kommerziell verf�gbaren Tests.
Bereits kurze Zeit nach der Identifikation des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 standen PCR-Tests f�r die Diagnostik zur Verf�gung. Sie erlauben den Nachweis von Virus-RNA aus einem Rachenabstrich allerdings nur in der Akutphase der Erkrankung. Auskunft �ber die tats�chliche Infektionsrate in der Bev�lkerung geben sie nicht. Aufgrund der h�ufig milde verlaufenden Erkrankung werden viele SARS-CoV-2-Infizierte nie auf das Virus getestet. Serologische Tests, die nach Antik�rpern gegen SARS-CoV-2 fahnden, k�nnten die Frage nach der Durchseuchung der Bev�lkerung beantworten, m�glicherweise sogar aufzeigen, wer vor einer (erneuten) Infektion gesch�tzt ist.
Doch w�hrend f�r einen PCR-Test letztlich nur die RNA-Sequenz des Virus entschl�sselt werden musste, hat sich die Entwicklung eines verl�sslichen Antik�rpertests in den letzten Monaten als ungleich schwieriger erwiesen.
Spezifische Antigene
Dr. rer. nat. Nicole Schneiderhan-Marra vom NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut an der Universit�t T�bingen arbeitet mit ihrem Team seit Februar an der Entwicklung eines SARS-CoV-2-Antik�rpertests und berichtet: �Serologische Tests erfordern eine genaue Kenntnis der Proteine, die die Virush�lle bilden und die die Produktion von Antik�rpern ausl�sen.� Wie andere Coronaviren auch verf�gt SARS-CoV-2 neben 16 Nicht-Strukturproteinen �ber 4 Strukturproteine: das Spike-Protein (S), das Envelope-Protein (E), das Membran-Glycoprotein (M) und das Nukleokapsid-Protein (N). Zwar k�nnen alle viralen Proteine im gewissen Ma� eine Antik�rperantwort ausl�sen, doch die Mehrzahl der Antik�rper wird gegen das am h�ufigsten vorkommende Nukleokapsid-Protein gebildet. Antik�rpertests gegen das Nukleokapsid-Protein gelten deshalb als sehr sensitiv (1). Sequenzhomologien mit den Nukleokapsid-Proteinen anderer Coronaviren haben allerdings einen negativen Effekt auf die Spezifit�t. �Der Antik�rpertest k�nnte f�lschlicherweise positiv auf SARS-CoV-2 ausfallen, da der Getestete zuvor Kontakt mit einem anderen, in der Bev�lkerung zirkulierenden Coronavirus hatte�, sagt Schneiderhan-Marra. Deshalb gilt insbesondere das Spike-Protein als geeigneter Antigen-Kandidat. Es ist das am st�rksten divergierende unter den Strukturproteinen und verspricht damit eine Testarchitektur mit hoher Spezifit�t und geringem Risiko f�r Kreuzreaktionen mit zum Beispiel Erk�ltungs- oder Durchfall-Coronaviren.
Homologe Sequenzen
Dennoch: Auch das Spike-Protein weist Sequenzhomologien mit anderen Coronaviren auf. �Bei der Herstellung eines geeigneten Antigens gilt es deshalb, diese Sequenzen zu vermeiden�, so die Biochemikerin. Virus-Proteine, die in Antik�rpertests als Antigene dienen, werden �blicherweise rekombinant hergestellt. Da dies bei gro�en, komplexen Proteinen wie dem Spike-Protein schwierig ist, wird auf Teilst�cke zur�ckgegriffen � beim Spike-Protein zum Beispiel auf die an den ACE2-Rezeptor bindende Dom�ne. Sie dient der Anheftung an die Wirtszelle, wodurch das Spike-Protein als einziges H�llprotein f�r den Zelleintritt von SARS-CoV-2 verantwortlich ist (2).
�Es gibt Hinweise darauf, dass Antik�rper, die mit dem Spike-Protein reagieren, eine Assoziation mit neutralisierenden Antik�rpern aufweisen, also solchen, die bei der �berwindung der Infektion helfen�, sagt Dr. med. Michael M�ller, 1. Vorstandsvorsitzender der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM). Dem Facharzt f�r Laboratoriumsmedizin zufolge hat sich die Situation der Antik�rpertests insgesamt verbessert: Alle derzeit erh�ltlichen Tests erlaubten �einen vern�nftigen Nachweis von Antik�rpern gegen SARS-CoV-2. Dies gelte allerdings nur f�r die in Laboren durchgef�hrten Antik�rpertests und nicht f�r sogenannte Schnell- oder Point-of-Care-Tests, betont er.
Die mittlerweile auf dem Markt verf�gbaren Antik�rpertests werben mit Sensitivit�ten bis zu 100 % und Spezifit�ten von bis zu 99,8 % (3, 4, 5). Dennoch entschied sich das Bundesgesundheitsministerium Ende Mai in einem Verordnungsentwurf, keine Regelung f�r die Kostenerstattung von Testungen auf das Vorhandensein von Antik�rpern durch die gesetzliche Krankenversicherung zu treffen, da �nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft noch ungekl�rt ist, inwieweit ein Antik�rpernachweis mit dem Vorliegen einer Immunit�t korreliert� (6).
Aufgrund der Neuartigkeit von SARS-CoV-2 gibt es noch keine (Langzeit-)Studien dazu, ob Personen, die die Erkrankung durchgemacht haben, vor Neuinfektionen gesch�tzt sind. In Labortests wurde aber gezeigt, dass Personen nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion spezifische Antik�rper entwickeln, die das Virus neutralisieren k�nnen (7). Und vieles spricht daf�r, dass neutralisierende Antik�rper gegen SARS-CoV-2 im Blut mit einer Immunit�t einhergehen. Laut Robert Koch-Institut deuten die Erfahrungen mit anderen Coronavirus-Erkrankungen wie SARS und MERS darauf hin, dass ein zumindest partieller Immunstatus bis zu drei Jahre anhalten k�nnte. Dennoch bleibt unklar, wie robust und dauerhaft eine potenzielle Immunit�t ist und ob es m�glicherweise von Mensch zu Mensch Unterschiede gibt (8).
Variable Antik�rper
So kann es zum Beispiel sein, �dass nicht alle PCR-Positiven auch im Antik�rpertest positiv getestet werden�, sagt Schneiderhan-Marra. Oder der Infizierte entwickelt Antik�rper, die nicht wirklich sch�tzen. �Sch�tzend sind wahrscheinlich nur Antik�rper, die an das Spike-Protein binden und so den Zelleintritt und die Vermehrung des Virus verhindern.� Die Biochemikerin h�lt es zudem f�r m�glich, dass Antik�rper nicht gegen alle H�llproteine gebildet werden. Dies k�nnte zum Problem werden, wenn ein Antik�rpertest genau das f�r den jeweiligen Patienten �falsche� Antigen enth�lt. Er w�rde negativ ausfallen, obwohl die Person eine Infektion durchgemacht hat.
Schneiderhan-Marra und ihre Arbeitsgruppe arbeiten deshalb am NMI an der Entwicklung eines Antik�rpertests, der voraussichtlich 12 verschiedene Antigene inkorporiert, nicht nur mehrere Proteine von SARS-CoV-2, sondern auch von klassischen Erregern, die in der Erk�ltungszeit kursieren. Entscheidend ist laut Schneiderhan-Marra, die Sensitivit�t und Spezifit�t eines Antik�rpertests anhand von ausreichend Patientenproben zu validieren � sie vermutet, dass an diesem Qualit�tskriterium vor allem die Schnell- und Point-of-Care-Tests scheitern, die basierend auf einem Tropfen Vollblut ein Ergebnis liefern sollen. Eine gute Kontrolle f�r Antik�rpertests ist zum Beispiel die Untersuchung von Proben, die aus der Zeit vor November 2019 stammen � sie m�ssen alle negativ ausfallen. �Denn zu diesem Zeitpunkt d�rfte noch kein Mensch in Deutschland mit SARS-CoV-2 in Ber�hrung gekommen sein�, so Schneiderhan-Marra.
Wichtig f�r die Interpretation von Antik�rpertests ist allerdings immer auch die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Person infiziert ist � die Pr�valenz der Erkrankung in der Bev�lkerung spielt eine gro�e Rolle (siehe vorheriger Beitrag). Und diese ist mit vermutlich gut 3 % f�r SARS-CoV-2 sehr niedrig. Selbst Antik�rpertests mit einer Spezifit�t von 99,8 % liefern unter diesen Bedingungen noch fast 6 % falsch-positive Ergebnisse.
Niedrige Pr�valenz
�Hat man hohe Pr�valenzzahlen, dann sind die seltenen, aber nahezu unvermeidlichen falsch-positiven Testergebnisse zu vernachl�ssigen�, sagt Schneiderhan-Marra. Doch bei der niedrigen Pr�valenz von SARS-CoV-2 in der deutschen Bev�lkerung fallen sie ins Gewicht.
Der Goldstandard, um herauszufinden, ob es sich bei nachgewiesenen Antik�rpern tats�chlich um Antik�rper gegen SARS-CoV-2 handelt, ist der Neutralisationstest. Hierbei wird in Zellkultur-Assays untersucht, ob die Antik�rper tats�chlich in der Lage sind, SARS-CoV-2 zu neutralisieren. Wissenschaftliche Studien, die den Zusammenhang zwischen Antik�rpertests und Neutralisationstests untersuchen, laufen derzeit. Aktuell gebe es keinen Anlass, einen der verf�gbaren Antik�rpertests klar zu favorisieren, sagt M�ller. �M�glicherweise werden wir sp�ter einmal verschiedene Antik�rpertests f�r verschiedene Fragestellungen haben.� Nadine Eckert
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit2420
oder �ber QR-Code.
1. | Petherick A. Developing antibody tests for SARS-CoV-2. Lancet 2020; 395 (10230): 1101�2 CrossRef |
2. | Walls AC, Park YJ, Tort orici MA, et al.: Structure, Function, and Antigenicity of the SARS-CoV-2 Spike Glycoprotein. Cell 2020; 181, (2): 281�92 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
3. | Fachinformation Elecsys� Anti-SARS-CoV-2 (Roche); https://diagnostics.roche.com/global/en/products/params/elecsys-anti-sars-cov-2.html. |
4. | Fachinformation Anti-SARS-CoV-2-ELISA IgG (Euroimmun); https://www.coronavirus-diagnostik.de/antikoerpertestsysteme-fuer-covid-19.html. |
5. | Presseinformation von Siemens Healthineers, 29. April 2020; https://www.siemens-healthineers.com/de/press-room/press-releases/test-kit-for-coronavirus-covid-19-ce-ivd.html. |
6. | Beerheide, R: Verordnung: Mehr Tests f�r Pflege, Kitas und Schulen; https://www.aerzteblatt.de/n113169 |
7. | Ju B, Zhang Q , Ge J, et al. Human Neutralizing Antibodies Elicited by SARS-CoV-2 Infection. Nature 2020 May 26; doi: 10.1038/s41586�020�2380-z CrossRef MEDLINE |
8. | Robert Koch-Institut: SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) (Stand: 29. Mai 2020); https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888. |