Das erste Omen - Filmkritik und Besprechung | Filmtoast.de

Das erste Omen

Ein Prequel zu einer Jahrzehnte alten Horrorfilm-Serie, die qualitativ immer weiter abbaute – klingt nach einem schlechten Omen? Wir verraten Euch, was Ihr von Das erste Omen nun erwarten dürft.

Das erste Omen | Finaler Trailer | 20th Century Studios

TitelDas erste Omen (OT: The First Omen
Jahr2024
LandUSA
RegieArkasha Stevenson 
DrehbuchArkasha Stevenson, Ben Jacoby
GenreHorror
DarstellerNell Tiger Free, Bill Nighy, Sonia Braga, Maria Caballero
Länge109 Minuten
Altersempfehlungab 16 Jahren freigegeben
Verleih20th Century Studios
Poster zum Kinofilm Das erste Omen © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Die Handlung von Das erste Omen

Die junge Amerikanerin Margaret Daino (Nell Tiger Free) kommt 1971 nach Rom, um dort als Novizin in einem katholischen Waisenhaus zu arbeiten und ihr Gelübde als Nonne abzulegen. Während viele ihrer ersten Eindrücke positiv sind, fällt ihr bald auf, dass eine der Waisen von den anderen Nonnen als “böses Mädchen” ausgegrenzt wird. Margaret fühlt sich ihr verbunden und nimmt sich ihrer an. Doch dabei stößt sie auf Widerstand und merkt allmählich, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt.

(K)eine böse Überraschung?

Ein Prequel zu einem seit den 70ern ausgeschlachteten Horror-Franchise – das ließ auf den ersten Blick nicht mehr als einen Cash Grab erwarten, und entsprechend war auch das allgemeine Interesse an diesem sechsten Omen-Teil anfangs verhalten. Was uns seit Jahren in Prequels, Sequels oder Remakes begegnet, ist schließlich: leerer Fan-Service, arge Qualitätsdefizite gegenüber dem Original, Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat. Dabei hätte man optimistischer sein können, nachdem feststand, dass hier kompetentes Personal engagiert wurde:

Die Regisseurin Arkasha Stevenson hatte schon die dritte Staffel der Horror-Serie Channel Zero verantwortet, Co-Drehbuchautoren Keith Thomas und Tim Smith die Horrorfilme The Vigil beziehungsweise Searching. Komponist Mark Korben lieferte die Scores von The Lighthouse und The Black Phone. Diese Namen lassen dann doch auf überdurchschnittliche Qualität hoffen. Und sieh an! Nach unserem Kinobesuch können wir euch versichern: Dieses Prequel bietet ein Horror-Kinoerlebnis, das die direkten Vorgänger der Omen-Reihe nicht nur spielend hinter sich lässt, sondern aus unserer Sicht sogar fast an den Klassiker Das Omen von 1976 heranreicht.

Ästhetische Finesse: eine zeitgemäße Zeitreise

Wo fangen wir nur an? Wie wäre es mit der überzeugenden 70er-Jahre-Ästhetik? Diese versetzt uns als Zuschauer:innen zurück in die Zeit des Klassikers, nicht zuletzt dank der 35-mm-Aufnahmen und subtil eingesetzter digitaler Mittel. Gleichzeitig handelt es sich unverkennbar um einen zeitgenössischen Film, der eigene Wege der Darstellung geht, beispielsweise wenn er die 70er-Ästhetik des Klassikers mit edlen Gothic-Elementen verziert.

Sagen wir es rundheraus: Der Film sieht irre schick aus! Man hat das 30-Millionen-Dollar-Budget sichtbar klug investiert. Im Kino staunten wir über die stilsichere Kameraarbeit, das Spiel mit Farben, Licht und Schatten, die gekonnten Bildkompositionen, die atemberaubende Ausstattung einzelner Szenen – mitunter zum Einrahmen schön und mit viel Liebe zum Detail arrangiert. Nichts davon muss den Vergleich mit der stilsicheren Cinematographie des 1976er-Originals scheuen.

Wir glauben sogar, dass Das erste Omen mit dem Original verglichen werden will. Das Kino-Debüt von Regisseurin Arkasha Stevenson geht damit einen ähnlichen Weg wie etwa Top Gun: Maverick oder die Star Trek-Serie Strange New Worlds – und sollte sich hier ein Trend abzeichnen, wir hätten nichts dagegen: Sich als Fortsetzung auch ästhetisch seinen Vorgängern anzunähern und durch geschickt eingesetzte Darstellungsmittel deren Atmosphäre zu re-kreieren.

Das macht auch der Soundtrack. Komponist Mark Koven bedient sich, wie in der Omen-Reihe üblich, auch für das Prequel sakraler Klänge. Das passt hier angesichts der kirchlichen Kulisse sogar besser als in einigen Vorgängern und kippt nur in seltenen Momenten ins Aufdringliche. Es dominieren Choräle, teils durchsetzt von gewisperten Lauten und kontrastiert mit geradezu noisigen, industriell-roh klingenden Passagen – so changiert die Wirkung gekonnt zwischen religiös-erhebend und schaurig-beunruhigend.

Kurzum: Audiovisuell bleibt Das erste Omen seinen Ursprüngen verbunden und wahrt zugleich (s)eine zeitgenössisch-moderne Identität.

Bill Nighy als Lawrence
Bill Nighy als Lawrence © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Die wahre Quelle des Horrors

Eine der Stärken des Klassikers von 1976 ist die ruhige, konzentrierte Erzählweise mit ihrem Fokus auf der Zeichnung der Hauptfiguren. Das Prequel adaptiert aus unserer Sicht auch diesen Aspekt erfolgreich. Der eigentliche Horror von Das Omen – der innere Konflikt: “Was tun, wenn das eigene Kind das absolut Böse verkörpert?” – berührt uns deshalb, weil die Hauptfiguren uns schnell ans Herz wachsen. Das lässt uns mitfiebern und mitfürchten. Dem Prequel würden wir dasselbe attestieren. Es lässt uns nicht kalt, wenn die Geschichte sich langsam entfaltet und Margarets Desillusionierung und Zweifel an der Institution, der sie ihr Leben verschreiben wollte, wächst. Ihre Zerrissenheit ist in der Figurenzeichnung – der Mischung aus religiösem Idealismus und aufklärerischem Zweifel – glaubwürdig angelegt, und Nell Tiger Frees facettenreiches Spiel tut ihr Übriges.

Da verzeihen wir gern, dass die anderen Figuren – wenn auch durchweg beeindruckend gespielt – neben der Protagonistin zum Teil etwas blass bleiben. Mit einigen erinnerungswürdigen Szenen können nichtsdestotrotz auch einzelne Charaktere wie die 13-jährige Carlita (Nicole Sorace) und die leitende Ordensschwester Silva (Sonia Braga) durchaus ihre Akzente setzen.

Erschreckend kenntnisreich

Was wir sehr originell fanden: Der historische Kontext der 1970er-Studentenproteste wird genutzt, um die Motivation der Antagonist*innen zu erklären. So wird der Ursprung des Antichristen-Komplotts geschickt in den Handlungen der menschlichen Figuren und den gesellschaftlichen Strukturen verortet statt ihn ins Übernatürliche auszulagern. Im fiktionalen Kontext des Franchises funktioniert das erstaunlich gut und stellt damit, ohne jemals zu viel erklären zu wollen, rückwirkend die komplette Omen-Serie auf ein überraschend geerdetes Plot-Fundament.

Auch was die Einflüsse angeht, beweist Regisseurin Arkasha Stevenson Kenntnisreichtum. Man spürt, dass sie erklärter Fan von 70er-Horrorfilmen ist – zudem sind vielfältige andere Referenzen nicht zu übersehen. Sie reichen von Gretchens Spiegelszene in Goethes Faust (ebendiese Margarete scheint auch den Namen unserer Protagonistin inspiriert zu haben) bis zu einer Hommage an Andrzej Żuławskis Film Possession. Zudem finden sich diverse Querverweise auf die Motivik der Omen-Reihe sowie auf christliche und antike Symbolik.

Dabei kopieren Stevenson und ihr Team nie einfach, sondern finden souverän einen eigenen Zugang zu ihren Vorbildern. Der Film bietet so genug Stoff für eine tiefere Auseinandersetzung – und funktioniert ganz unabhängig davon wunderbar als unterhaltsames “Popcorn”-Horrorkino.

Nell Tiger Free als Margaret
Nell Tiger Free als Margaret © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Der weibliche Blick

Was dieses Kino-Erlebnis so erfrischend macht, ist der Umstand, dass das Filmteam (sicher nicht zuletzt dank Regisseurin Stevenson) offenbar bewusst einen weiblichen Blick wählt. Eines der Hauptthemen des Films ist die Gewalt, die dem weiblichen Körper angetan wird. Die Frauenfiguren sind hier nicht einfach “Vehikel” für die Erfüllung männlicher Fantasien oder – ganz wörtlich im Kontext vergleichbarer Horrorfilme – für die Geburt des Antichristen. Stattdessen wird der Missbrauch als solcher sichtbar gemacht. Er wird auf der Plot-Ebene ins Zentrum gerückt, wird im Kontext der gesellschaftlichen Strukturen und in allen Konsequenzen für die Hauptfigur ernst genommen. Wir spüren ihre Angst, Verzweiflung und Verwirrung, sehen die Geschehnisse aus der Perspektive einer Frau, die stark ist und sich wehrt, am Ende gegen die Strukturen aber doch nicht ankommen kann.

Was nicht selbstverständlich ist: Diese Sensibilität zieht sich bis in die Darstellungsebene, indem der sogenannte “male gaze”, der “männliche Blick”, vermieden wird. Man hätte wohl unzählige Vorwände für Nacktszenen finden können – wer danach sucht, wird im nur wenige Wochen vorher erschienenen Immaculate fündig, der einen verblüffend ähnlichen Plot aufweist. Man hätte davon abgesehen angesichts der Thematik von Geburt und Körperlichkeit wie viele Horrorfilme auf den Faktor Ekel setzen und den weiblichen Körper unnötig exponieren oder abwerten können. Das erste Omen macht all das nicht.

Es gibt vielleicht die ein oder andere Szene, über die man mit ganz strengem Blick noch diskutieren könnte –  insgesamt vermeidet der Film diese Fallstricke jedoch bravourös. Nicht nur das. Er setzt dem “männlichen Blick” ganz dezidiert einen weiblichen Blick entgegen und ergreift sowohl auf der Plot- als auch auf der Darstellungsebene Partei für seine weiblichen Figuren. Dadurch hat er deutlich mehr zu sagen, als wir es von einem Teil des Omen-Franchises aktuell erwartet hätten.

Freigabe ab 16, Gore, Gewalt, Body Horror

Wie “Horror” ist Das erste Omen? Der Horror-Thriller setzt wie Das Omen von 1976 eher auf Suspense als auf schockierende Effekte und explizite “Man kann kaum hinschauen”-Szenen. Er zieht den Horror vornehmlich aus der Figurenzeichnung und den gesellschaftlichen Strukturen. So lässt er sich – auch dank seiner Vielschichtigkeit und edlen Optik – ohne Weiteres in die Kategorien Slow Horror oder Elevated Horror einordnen. Im Gegensatz zum Original hat Das erste Omen allerdings ein paar Jumpscares auf Lager, die teils wirksam, clever integriert und kreativ inszeniert sind, die teils aber auch unnötig und wie ein Zugeständnis an die “üblichen” Anforderungen eines modernen Horrorfilms wirken.

Werden Fans von Gore und Body Horror auf ihre Kosten kommen? Wir glauben: ja! Der Film enthält überraschend explizite und für die eine oder den anderen sicher auch verstörende Szenen, die eine:n auch nach Verlassen des Kinos nicht mehr loslassen. Die Anekdote, dass in den USA der Film für ein R-Rating mehrmals in veränderter Form bei der Motion Picture Association eingereicht werden musste, sagt viel über die explizite Qualität dieser Darstellungen aus. Auch in Deutschland ist der Film ab 16 freigegeben, was wir nachvollziehbar finden.

Natürlich müssen wir, bei Omen-Filmen eine heilige Pflicht, noch auf die Kills eingehen. Erneut spielen sie eine Rolle – und es begegnen uns sogar einige der ikonischen (Selbst-)Morde des Originals in abgewandelter Form wieder. Dies ist einer der wenigen reinen Fan-Services des Films, da die Kills für den Plot nicht unbedingt eine Rolle spielen, aber durchaus Spaß machen. Also: Erneut bekommen wir Entertainment in Form einfallsreicher Effekte, und die gewollten Parallelen zum Original sind unverkennbar.

Nur Licht, kein Schatten …?

Leider versteckt der Film unter seinen Haaren dann doch ein kleines teuflisches Mal: das Ende. Das etwas zu lange Finale ist vom Pacing her nicht ganz perfekt, aber noch okay. Wo wir aber kein Auge zudrücken können: Die letzten Szenen wirken wie ein künstliches Anhängsel, um dann doch der typischen Franchise-Anforderung zu entsprechen, die Tore für ein erweitertes “Omen-Verse” weit zu öffnen. Wo vorher alles stimmig und durchdacht war, wird es hier plötzlich absurd und unfreiwillig komisch.

Das Gute ist, dass man bis dahin einen rundum vortrefflichen Horrorfilm genießen durfte. Man spürt also förmlich den Kippmoment, in dem der Einfluss der Regisseurin schwindet und sie sich wie ihre Protagonistin den übermächtigen Strukturen (des geldgebenden Studios und formgebenden Franchises) fügen muss.

Eine Szene aus dem Film © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Unser Fazit zu Das erste Omen

Trotz kleineren Mängeln und dem tatsächlich haarsträubenden Ende: In Anbetracht der Tatsache, was hier, wie eingangs beschrieben, alles hätte schief gehen können, hat es uns tief beeindruckt, wie Arkasha Stevenson und ihr Team diese Gefahren weitestgehend umschiffen und uns einen exzellenten Horrorfilm präsentieren. Man spürt deutlich die Hochachtung der Regisseurin vor dem Klassiker von 1976 – gleichzeitig schafft sie es mit ihrem Regie-Debüt, einen originellen, sehr zeitgemäßen Horrorfilm zu kreieren, der auch gesellschaftlich etwas zu sagen hat und dadurch innerhalb des Franchises seine eigene Identität bewahrt.

Wir sind sehr gespannt auf die nächsten Filme von Arkasha Stevenson und hoffen, dass dieser ambitionierte Horrorfilm nicht im Meer der tatsächlich schlechten Remakes, Sequels und Prequels untergeht. Bisher sieht es in Sachen Box-Office auch gar nicht so schlecht aus, und noch ist Das erste Omen aus den deutschen Kinos nicht verschwunden. Also: unbedingt ansehen! Und natürlich alle gemeinsam die Daumen drücken, dass das nächste “Omen” nicht genau die unnötige Fortsetzung wird, die wir schon diesmal erwartet hatten. 

Das erste Omen läuft seit 11. April 2024 im Kino. 

Unsere Wertung:

 

 

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Christian Stenger

Christian, eigentlich Digital Marketer bei der Berliner Agentur Moccu, unterstützt uns seit April 2024. Am Tage ist er SEO, bei Nacht ein Film- & Serienfan – ein Liebhaber, der bei einem Liebhaber-Projekt wie Filmtoast bestens aufgehoben ist.

In Sachen Genres ist er flexibel, ein Faible für Animation, Horror & Arthouse ist aber nicht zu leugnen; seine Liebe zum "gehobenen" Film wurde dabei 2001 von "A beautiful Mind" geweckt. All-Time-Favs? Dr. Strangelove, The Great Dictator, Donny Darko, Back to the Future, Little Miss Sunshine, Across the Spiderverse 1 + 2, The Lego (Batman) Movie, Wall-E, The Incredibles, Toy Story 2, The Lion King, Das weiße Band, Hereditary, It Follows. Guilty Pleasure? Love Actually ("Meisterwerk!") Bevorzugtes Setting zum Filmschauen? "Lange Zeit Kino, aber aufgrund rücksichtloser Smartphone-Addicts mehr und mehr Home Cinema ... leider."

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