Lebenserwartung einzelner Geburtsjahrgänge (Kohortensterbetafeln) - Statistisches Bundesamt

Sterbefälle und Lebenserwartung Lebenserwartung einzelner Geburtsjahrgänge (Kohortensterbetafeln)

Im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen oft die Ergebnisse zur Lebens­erwartung aus sogenannten Perioden­sterbetafeln. Diese quantifizieren die Sterblich­keits­verhältnisse in einem Berichtszeitraum (beispielsweise für die Jahre 2020/2022) und beinhalten keine Annahmen darüber, wie sich die Sterblichkeits­verhältnisse in Zukunft verändern werden. Kohorten­sterbetafeln hingegen weisen den spezifischen Sterblichkeitsverlauf und die Lebenserwartung eines Geburtsjahrgangs auf. Sie können jedoch erst endgültig berechnet werden, wenn alle Mitglieder dieses Geburtsjahrgangs bereits verstorben sind. Für Geburtsjahrgänge, deren Mitglieder noch leben, sind Schätzungen über künftige Sterblichkeits­verhältnisse notwendig. Für die auf dieser Seite beschriebenen Ergebnisse wurden diese Schätzungen in Anlehnung an die Annahmen zur Entwicklung der Lebenserwartung der 15. koordinierten Bevölkerungs­voraus­berechnung vorgenommen. Die Ergebnisse der Kohorten­sterbetafeln werden in zwei Varianten vorgelegt, um ein Spektrum möglicher Entwicklungen aufzuzeigen. Variante 1 orientiert sich an der niedrigen, Variante 2 an der hohen Lebens­erwartungs­annahme der Bevölkerungs­vorausberechnung.

In der Regel liegen die Ergebnisse für die Lebenserwartung bei Geburt für einen Geburtsjahrgang deutlich über den Werten der Perioden­sterbetafel für das entsprechende Geburtsjahr. Dies ist keine Schwäche der einen oder anderen Berechnungs­methode, sondern liegt am Rückgang der Sterblichkeit über die Zeit. Vorteil von Perioden­sterbetafeln ist , dass aktuelle Sterblichkeits­verhältnisse quantifiziert werden können, ohne dass auf Vorausschätzungen zurückgegriffen werden muss. Auch wenn die Ergebnisse von Perioden­sterbetafeln häufig als Prognose missverstanden werden, enthalten nur Kohorten­sterbetafeln tatsächlich vorausgeschätzte Werte. Die Lebenserwartung bei Geburt für den Geburtsjahrgang 2023 basiert beispielsweise ausschließlich auf vorausgeschätzten und damit hypothetischen Werten. Dafür gibt sie jedoch Auskunft darüber, wie lange im Jahr 2023 geborene Jungen und Mädchen bei Gültigkeit plausibler Sterblichkeitstrends tatsächlich leben könnten.

Lebenswartung steigt für nahezu jeden neuen Geburtsjahrgang an

Die Lebenserwartung bei Geburt steigt für alle betrachteten Geburtsjahrgänge nahezu durchgängig an – in Variante 1 flacht der Anstieg mit steigender Bedeutung der notwendigen Schätzungen allerdings immer stärker ab. Der einzige systematische Bruch im Anstieg der Lebenserwartung betrifft die Geburtsjahrgänge 1943 bis 1945. Ursächlich hierfür sind die hohen Schätzwerte für die Säuglings­sterblichkeit in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs.

Betrachtet man die Lebenserwartung im Alter von einem Jahr, sodass die hohen Sterblichkeits­risiken im ersten Lebensjahr bereits ausgeklammert sind, dann zeigt sich tatsächlich ein systematischer Anstieg von Geburtsjahr zu Geburtsjahr. Dabei ist zu beachten, dass in dieser Rechnung während der Kriegsjahre nur die zivile Kriegs­sterblichkeit einbezogen wurde.

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Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dieser Befund mit steigendem Geburtsjahr immer stärker von den Annahmen der zugrundeliegenden Vorausschätzung abhängt. Die im Jahr 2023 geborenen Jungen könnten, je nach Trendvariante, mit einer Lebenserwartung bei Geburt von rund 81 bis 90 Jahren und die Mädchen mit etwa 85 bis 93 Jahren rechnen. Im Jahr 1923 geborene Männer und Frauen wurden im Durchschnitt nur etwa 59 beziehungsweise 66 Jahre alt. Überlebten sie die hohen Risiken des ersten Lebensjahres, hatten sie im Alter 1 durchschnittlich bereits in etwa 68 beziehungsweise 74 weitere Lebensjahre vor sich.

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Der rasche Anstieg der Lebenserwartung ist bis zu den Geburtsjahrgängen um 1930 im Wesentlichen auf die stark sinkende Säuglings- und Kinder­sterblichkeit zurückzuführen. Während beim Geburtsjahrgang 1923 noch rund jeder achte Säugling bereits im ersten Lebensjahr verstorben ist, starb 60 Jahre später nur noch jeder hundertste Säugling. Die Säuglings­sterblichkeit ist bis in die Gegenwart auf Werte um die 3 pro 1000 Säuglinge weiter gesunken. Mittlerweile spielt für jüngere Geburts­jahrgänge immer stärker der (zum Teil vorausgeschätzte) Rückgang der Sterbe­wahrscheinlich­keiten in höheren Altersjahren eine Rolle. Allerdings galt den Modell­rechnungen zufolge noch etwa bis zum Geburts­jahrgang 1980 bei den Männern wie bei den Frauen, dass die Lebenserwartung im Alter von einem Jahr höher war als bei Geburt. Ursache war die vergleichsweise hohe Säuglings­sterblichkeit.

Lebenserwartung der Älteren kann ebenfalls deutlich steigen

Auch die fernere Lebenserwartung im Alter von 65 ist von Geburtsjahr zu Geburtsjahr fast durchgehend angestiegen. In Variante 1 ist ein abschwächender und ab dem Geburtsjahrgang 2005 ausbleibender weiterer Anstieg der ferneren Lebenserwartung im Alter von 65 festzustellen. Dies resultiert daraus, dass bei dieser Variante ab 2070 (dem letzten Jahr der 15. koordinierten Bevölkerungs­vorausberechnung) kein weiterer Rückgang der Sterbe­wahrscheinlich­keiten angenommen wird. In Variante 2 der Rechnungen wird generell ein stärkerer Rückgang der Sterbe­wahrscheinlich­keiten angenommen, der sich zudem über das Jahr 2070 hinaus fortsetzt. Entsprechend würde auch die fernere Lebenserwartung im Alter von 65 von Geburtsjahr zu Geburtsjahr weiterhin deutlich ansteigen.

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Als Erklärungsfaktoren für den generellen Rückgang der Sterblichkeit und damit den Anstieg der Lebenserwartung über die Zeit, werden vorwiegend Fortschritte in der medizinischen Versorgung, Hygiene, Ernährung und Wohnsituation sowie die verbesserten Arbeits­bedingungen und der gestiegene materielle Wohlstand angeführt. Ein abnehmendes Rauchverhalten und Rückgänge im Alkoholkonsum spielen vor allem perspektivisch eine große Rolle für einen weiteren Anstieg der Lebenserwartung. Die beiden Varianten der vorliegenden Kohorten­sterbetafeln setzen in unterschiedlichem Ausmaß voraus, dass es in diesen Bereichen auch weitere Verbesserungen geben wird.

Verbesserte Überlebensverhältnisse für alle Altersstufen

Um die Sterblichkeits­entwicklung in der Kohorten­perspektive detaillierter nachvollziehen zu können, hilft ein Blick auf die altersspezifischen Sterbe­wahrscheinlich­keiten und sogenannten Absterbe­ordnungen ausgewählter Geburtsjahrgänge. Die Abbildungen in diesem Abschnitt beziehen sich hierfür auf Variante 2 der Modellrechnungen.

In den folgenden Abbildungen sind zunächst die altersspezifischen Sterbe­wahrscheinlich­keiten für ausgewählte Geburts­jahrgänge mit Hilfe des logarithmischen Maßstabs dargestellt. Dieser Maßstab ermöglicht es, Besonderheiten der Verläufe im Kindes- und Jugendalter sowie im jungen Erwachsenenalter zu verdeutlichen. Im linearen Maßstab wären diese Besonderheiten (mit Ausnahme der einst hohen Säuglings­sterblichkeit) nicht zu erkennen – erst etwa ab dem Alter 50 würde sich ein exponentieller Anstieg der Sterbe­wahrscheinlich­keiten abzeichnen. Tatsächlich gemessene empirische beziehungsweise rekonstruierte Werte sind als durchgezogene Linie dargestellt, altersspezifische Schätzwerte aus dem Modell sind gepunktet.

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Ein Blick auf die Verläufe der Sterbe­wahrscheinlich­keiten der ausgewählten Geburts­jahrgänge verdeutlicht deren charakteristische Merkmale. Allen Verläufen gemein ist eine im Vergleich zu den folgenden Altersjahren vergleichsweise hohe Säuglings­sterblichkeit. Darauf folgt mit dem Alter zunächst eine sinkende Kinder­sterblichkeit bis etwa zum Alter 10, woraufhin die Sterblichkeit in der Jugend wieder ansteigt. Ein vorläufiges Maximum wird um das Alter 20 erreicht, bevor die Sterblichkeit für einige Altersjahre konstant bleibt und dann etwa ab dem Alter 30 bis ins hohe Alter ansteigt. Dieses grundlegende Muster verschiebt sich für die ausgewählten Geburts­jahrgänge in immer niedrigere Bereiche der Sterblichkeit. Auffällige Abweichungen der Muster kommen durch außergewöhnliche Perioden­einflüsse zustande. So weist beispielsweise der Geburtsjahrgang 1923 um das Alter 22 (Ende des Zweiten Weltkriegs) einen auffälligen Ausschlag nach oben aus.

Anhand der Verläufe der Absterb­eordnungen beziehungsweise der Überlebens­kurven von ausgewählten Geburts­jahrgängen kann die Zunahme des Anteils der Überlebenden in jeder Altersgruppe beobachtet werden. Dieser Prozess wird auch als Rektangularisierung der Absterbeordnung bezeichnet. Der Begriff Rektangularisierung beschreibt dabei die Veränderung der Kurvenform in Richtung eines allerdings nie zu erreichenden rechten Winkels, den die Absterbeordnung beziehungsweise Überlebenskurve bilden würde, wenn alle Geborenen bis zum maximal erreichbaren Alter überleben würden. Besonders stark wird dieser Prozess auch hier vom Rückgang der Säuglings­sterblichkeit geprägt.

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Von 100 000 neugeborenen Jungen beziehungsweise Mädchen haben vom Geburtsjahrgang 1923 lediglich 85 600 beziehungsweise 88 100 das erste Lebensjahr erreicht. Für den Geburtsjahrgang 2023 gehen die vergleichbaren Rechnungen von etwa 99 700 Jungen und Mädchen aus, die das erste Lebensjahr überleben. Das Alter von 65 Jahren haben vom Geburtsjahrgang 1923 nur etwa 59 000 Männer und 70 000 Frauen eines Ausgangsbestands von je 100 000 Neugeborenen erlebt. Für den Geburtsjahrgang 2023 gehen die Modellrechnungen für das gleiche Alter je nach Variante von etwa 89 000 bis 95 000 Überlebenden bei den Männern und etwa 94 000 bis 97 000 Überlebenden bei den Frauen aus, ebenfalls bezogen auf einen Ausgangsbestand von 100 000. Die vorausgeschätzten Wahrscheinlichkeiten das Alter 100 zu erreichen, kann man ebenfalls aus diesen Überlebenskurven ablesen. Beim Geburtsjahrgang 2023 hätten den notwendigen Vorausschätzungen zufolge zwischen 2 % (Variante 1) und 16 % (Variante 2) der neugeborenen Jungen und zwischen 5 % und 22 % der Mädchen die Chance, 100 Jahre alt zu werden.

Methodische Hinweise

Damit etwaige Änderungen in den Trends und methodische Weiterentwicklungen berücksichtigt werden können, ist beabsichtigt die vorliegenden Modellrechnungen gegebenenfalls neu zu berechnen. Hierfür bietet es sich an, zumindest bei Vorliegen einer neuen koordinierten Bevölkerungs­vorausberechnung, die beiden Varianten der Kohorten­sterbetafeln entsprechend einer dann vorliegenden neuen Sterblichkeits­vorausschätzung zu aktualisieren. Bei der aktuellen Vorausberechnung wurde diese Umstellung von der 14. zur 15. koordinierten Bevölkerungs­vorausberechnung vollzogen.

Weiterführende Informationen

Ausführliche Ergebnisse wie die kompletten Sterbetafeln einzelner Geburtsjahrgänge sind in einem Statistischen Bericht veröffentlicht. Die grundsätzliche Methodik zur Berechnung von Kohortensterbetafeln wurde zuletzt in einem Methodenbericht ausführlich beschrieben.