Eine schrecklich talentierte Familie: "Die Manns"

Die Mutter Katia mit den Kindern Monika, Michael, Elisabeth, Klaus und Erika Mann (v.l.) 1924 auf Hiddensee. Sie alle kreisen um ihren Vater Thomas Mann und können sich nicht von ihm lösen, meint der Autor Tilmann Lahme in seiner neuen Biografie "Die Manns". Das Buch beginnt in den 1920er Jahren, als alle sechs Kinder der Manns schon geboren sind. Allein Golo fehlt auf diesem Foto.

Bereits mit seinem ersten großen Werk, "Die Buddenbrooks", erlangt Thomas Mann Weltruhm. Man schreibt das Jahr 1901. So sehr sich seine Kinder später auch bemühen werden: Den berühmten Vater können sie nicht abschütteln. In der Familie nennen sie ihn den "Zauberer" - in Anlehnung an seinen Roman "Der Zauberberg" von 1924.

"Ein Geschwisterpaar, das sich mit Witz, Dreistigkeit und Vaters Namen durch die Welt schlägt", schreibt Lahme über die beiden ältesten Kinder Erika und Klaus. Es zieht sie ins Berlin der Weimarer Republik - und ebenfalls in die Kunst. Erika vor allem als Schauspielerin, Klaus macht sich einen Namen als Schriftsteller. Auf dem Bild: Gustaf Gründgens, Erika Mann, Pamela Wedekind und Klaus Mann.

Erika Mann heiratet den Schauspieler Gustav Gründgens, Klaus Mann verlobt sich mit Pamela Wedekind, die aber später Carl Sternheim, den Vater der gemeinsamen Freundin Dorothea heiratet. Eigentlich ist auch Erika in Pamela verliebt. In der Familie Mann wird für die damalige Zeit sehr offen über Homosexualität gesprochen - und geschrieben.

Zumindest gilt das für Klaus Mann, der in seinen Roman offen die Homosexualität thematisiert und sie deutlich autobiographisch kennzeichnet. Sein Bruder Golo geht damit diskreter um. Auch entscheidet er sich nach einiger Zeit dazu, nicht nur als Schriftsteller tätig zu sein, sondern Historiker zu werden. Damit macht er sich bis heute einen Namen - und wird schließlich sogar vom Vater geschätzt.

Erika Mann wird vor allem im amerikanischen Exil, wohin die Familie vor den Nationalsozialisten geflohen ist, zur politischen Rednerin und gewissermaßen zur "PR-Beauftragten der Familie". So nennt sie zumindest der Biograf Tilmann Lahme. Erika sorgt dafür, dass die Manns im Kampf gegen Hitler als Vorzeigefamilie wahrgenommen werden.

Tatsächlich positioniert sich die gesamte Familie - und zwar früher als so gut wie alle Intellektuellen der Zeit - gegen Hitler. Auch der Bruder Thomas Manns, Heinrich. Dieser ist selbst ein großer Schriftsteller und eine der wichtigsten Stimmen gegen Hitler, kommt aber in Lahmes Biografie kaum vor. Er konzentriert sich bewusst auf die Kernfamilie von Thomas Mann mit Frau und Kindern.

Was die Familie zusammenschweißt, ist das Exil. Sie sind - auch finanziell - aufeinander angewiesen und können sich nicht aus dem Weg gehen. Die Tatsache nicht mehr in Deutschland leben zu können und selbst nach 1945 nicht mit offenen Armen empfangen zu werden, bedeutet für die Manns "eine Zäsur, die ein großer Anteil ihres Unglücks ist", vermutet Autor Tilmann Lahme.

Den Kindern bleiben nur die Erinnerungen an die schönen Zeiten, die sie an der Kurischen Nehrung an der Ostsee verbracht haben - wie auf diesem Bild: Thomas Mann posiert um 1930 mit seinen Kindern Elisabeth und Michael sowie zwei Knaben (l. und r.) vor ihrem Sommerhaus in Nidden. Klaus Mann nimmt sich 1949 in Cannes das Leben. Der Vater Thomas Mann stirbt 1955.

Am 8. Februar 2002 stirbt die letzte Überlebende der Kernfamilie von Thomas Mann. Die jüngste Tochter ist das einzige seiner Kinder, das es schaffte, sich vom Vater zu lösen. Das meint zumindest Biograf Tilmann Lahme. Ausgerechnet das Lieblingskind Thomas Manns lebte sein eigenes Leben. Noch einen Tag vor ihrem Tod fuhr Elisabeth Mann-Borghese Ski auf der Piste in St. Moritz.