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Leitfaden:

Deutscher Prog der 70er Jahre



Dieser Leitfaden behandelt deutsche Bands der Siebziger Jahre, soweit sie nicht der Sparte Krautrock zuzuordnen sind. Diese Unterscheidung mag in gewissem Maße willkürlich erscheinen, zumal die unten aufgeführten Gruppen damals allesamt zum Krautrock gezählt wurden. Unser Abgrenzungskriterium war aber die stärkere Orientierung am symphonischen Progressive Rock britischer Prägung: Die hier vorgestellten Bands vereinten in ihrem Sound unterschiedlichste Einflüsse der großen angelsächsischen Vorbilder, wobei ein bloßer Abklatsch oder ein gesichtsloser Einheitsstil aber frühzeitig vermieden wurden.

Ein relativ eigenständiger Symphonic Sound unterstrich das Selbstbewusstsein der deutschen Rockszene. Die Palette reichte dabei vom Romantikrock der Hamburger Formation Novalis (eine der wenigen West-Bands, die deutsche Texte verwendeten) über die von ELP inspirierte, tastenlastige Progvariante von Triumvirat bis hin zu den komplexen Soundgebilden von Schicke Führs Fröhling. Während Grobschnitt bewiesen, dass sich weit ausgreifender Symphonic Sound und Humor keinesfalls ausschließen müssen, wagten sich die Hannoveraner Eloy an spirituelle oder mythologische Themen.

Auch hinter dem Eisernen Vorhang beeinflussten die bekannten britischen Vorbilder junge Musiker, die sich trotz der für sie widrigen Umstände der progressiven Rockmusik widmeten. Zu den bedeutendsten Vertretern gehörten die drei aus Sachsen stammenden Bands Stern-Combo Meißen, Lift und Electra (mittlerweile auch als "Sachsendreier" bekannt). Ihre Alben wurden erst in den späten 70er Jahren, d.h. mit einigem zeitlichen Abstand zu den westlichen Bands auf dem damaligen Staatslabel Amiga veröffentlicht. Der in der DDR verpflichtende Gebrauch der deutschen Sprache trug - gepaart mit musikalischem Können - zu einer eigenständigen Form des ostdeutschen Progressive Rocks bei. Die hier berücksichtigten Bands Stern-Combo Meißen und Lift bieten daher eine besondere Facette des "Deutschprogs", gehören aber dennoch in den Zusammenhang unseres Leitfadens.

Eine geographische Ausnahme bilden hingegen Eela Craig, die aus Linz im benachbarten Österreich stammten. Sie stehen hier als Vertreter der Rockmusik des deutschsprachigen Raumes jenseits der deutschen Grenzen (zu denen beispielsweise auch schweizerische Bands wie Circus oder Island zu zählen wären). Musikalisch ist die Aufnahme Eela Craigs in diesen Leitfaden sicherlich gerechtfertigt. Stilistisch bildet eher die Formation La Düsseldorf einen Sonderfall, da sie einen deutlicheren Bezug zum Krautrock im engeren Sinne hat. Die Vorgängerformation Neu! wurde ja bereits im Krautrock-Leitfaden behandelt.

Zu erwähnen wäre noch, dass sich deutsche Bands gerade im englischsprachigen Raum großer Beliebtheit erfreuen. Während beispielsweise Eloy wegen ihres akzentbeladenen Gesangs in heimischen Gefilden oft milde belächelt werden, genießt der "teutonische" Breitwandsound v.a. in den USA unter Prog-Fans große Anerkennung. Da gilt "Made in Germany" sogar als ein Gütesiegel.

Die Hauptliste

Anyone's Daughter (Deutschland)


Adonis, 1979
Anyone's Daughter: Adonis

Einige Jahre nach der kurzen Blütezeit des Progressive Rocks in den frühen 70ern formierte sich im Raum Stuttgart eine junge deutsche Band namens Anyone´s Daughter, die 1979 ihr viel beachtetes Debüt "Adonis" veröffentlichte. Dieses Erstlingswerk kann als ein verspätetes Highlight der symphonischen Rockmusik betrachtet werden. Die Schwaben standen in der besten Tradition des von Genesis in den frühen 70er Jahren zelebrierten Kunstrocks, ohne diesen Stil bloß zu kopieren. Mit dem epischen Titelsong "Adonis" betonte die Band ihre romantische Ausrichtung. In den von der samtweichen Stimme des Sängers und Bassisten Harald Bareth getragenen, weit ausladenden Schönklang waren aber stets auch ausgefeilte Instrumentalteile eingeflochten, bei denen insbesondere Gitarrist Uwe Karpa und Keyboarder Matthias Ulmer ihr Können eindrucksvoll unter Beweis stellen konnten. Entgegen den damaligen musikalischen Trends konnten sich die vier jungen Musiker mit ihrer symphonischen Rockmusik vor allem im südwestdeutschen Raum bald ein treues Stammpublikum erspielen. Hier wurde - im Zeitalter der New Wave - die Band mit ihrer eindeutig dem Erbe der seligen 70er Jahre verpflichteten, kunstvollen Rockmusik dankbar aufgenommen.

Es gelang Anyone´s Daughter sogar, ihren Stil in die 80er Jahre hinüberzuretten, und auch das zweite Album "Anyone´s Daughter" (1980) konnte dabei überzeugen. Als kleinen Kompromiss bot die erste LP-Seite zwar kompakt gehaltene Titel, die aber keinen Ausverkauf an den Mainstream darstellten. Mit "Moria" gab es sogar einen ansprechenden Singlehit.

Von Tourneeaktivitäten begleitet folgte 1981 die Veröffentlichung des Live-Werkes "Piktors Verwandlungen". Dieses Stück war in all den Jahren das Highlight eines jeden Konzertes. Die musikalische Umsetzung des Märchens von Hermann Hesse kann als Aushängeschild der symphonisch orientierten Rockmusik bezeichnet werden. Der von Sänger Harald Bareth gesprochene Originaltext und die weit ausgreifenden Arrangements bilden dabei einen außergewöhnlichen Einklang.

Auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle bestand das einzige Zugeständnis an den aktuellen Zeitgeist darin, dass sich Anyone´s Daughter mit dem Album "In Blau" (1982) entschieden, Texte in ihrer Muttersprache zu singen. Dies gelang hier mit Bravour. Der Longtrack "Tanz und Tod", der auf einige kürzere Titel folgt, ist ein Paradebeispiel dafür, dass der Progrock auch mit deutschen Texten seinen Zauber entfalten kann.

Ein Jahr später drifteten Anyone´s Daughter mit "Neue Sterne" schließlich doch noch in typische Mainstream-Gefilde ab. Man schielte offensichtlich auf weitere Singlehits. Nach dem studienbedingten Ausscheiden von Harald Bareth gab es zwar noch einige zaghafte Versuche, die Band am Leben zu erhalten, dennoch war ihr Ende im Grunde besiegelt.

Das Album "Danger World" bot im Jahr 2001 ein recht unerwartetes Lebenszeichen. Doch waren nur noch Keyboarder Matthias Ulmer und Gitarrist Uwe Karpa mit von der Partie. Sänger Harald Bareth hatte sich längst für seinen Beruf als Arzt entschieden und wurde von dem stimmgewaltigen Amerikaner André Carswell ersetzt. Stilistisch hat sich die Neuformation erheblich von den symphonischen Ursprüngen entfernt und spielt nunmehr gefälligen Pop-Rock mit gewissen funkigen Elementen. Mit den beiden Doppel-CDs "Requested Document Live 1980-1983" und "Requested Document Live 1980-1983 Vol. 2" veröffentlichte das Label Tempus Fugit zwei höchst ansprechende Juwelen aus den frühen 80er Jahren.

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Eela Craig (Österreich)


Missa Universalis, 1978
Eela Craig: Missa Universalis

Eela Craig (ein reiner Fantasiename) wurden Anfang 1970 im österreichischen Linz gegründet. Die Gründungsmitglieder Hubert Bognermayr (Keyboards), Harald Zuschrader (Orgel, Gitarre, Flöte), Horst Waber (Schlagzeug), Gerhard Englisch (Bass) und Heinz Gerstmair (Gitarre, Orgel, Gesang) kamen teils aus der Psychedelic-Szene, teils aus dem Jazz/Blues-Bereich. Später stieß noch Wil Orthofer (Gesang, Saxofon) dazu.

Bereits das erste Konzert der Band wurde vom ORF live im Fernsehen übertragen. Im Sommer 1971 erschien dann das Debütalbum mit dem schlichten Titel "Eela Craig". Es zeigt deutlich die unterschiedliche Herkunft der Musiker, in zwei der vier Stücke sind deutliche Blues- und Jazz-Einflüsse zu hören, die beiden anderen gehen eher in Richtung des symphonischen Progressive Rock.

Ein Streit über die künftige musikalische Ausrichtung der Band führte 1972 zum Ausscheiden der eher bluesorientierten Musiker Waber, Gerstmair und Orthofer. Eine neue Eela Craig-Besetzung trat im Herbst 1972 mit dem Züricher Kammerorchester auf, um das Werk "Dimensionen zwischen Pop und Klassik" des österreichischen Avantgarde-Komponisten Alfred Peschek aufzuführen.

Nach weiteren Personalwechseln bestanden Eela Craig 1975 neben Bognermayr, Zuschrader und Englisch aus Hubert Schnauer (Keyboards), Fritz Riedelberger (Gitarre, Gesang) und Frank Hueber (Schlagzeug). Diese Besetzung spielte das Album "One Niter" ein, das 1976 erschien. Für "Hats of Glass", das Anfang 1978 folgte, kam Wil Orthofer als Sänger zurück, so dass Eela Craig nun aus sieben Musikern bestand, von denen drei als Keyboarder agierten. In dieser Besetzung entstand das Meisterwerk der Band, "Missa Universalis", ebenfalls 1978 erschienen. Es handelt sich um eine Rock-Messe mit liturgischen Texten in deutscher, englischer, französischer und lateinischer Sprache, die sich teilweise im Bereich der elektronischen Musik bewegt. Auf dem Cover zeigen sich die Musiker recht selbstbewusst vor der Silhouette Anton Bruckners, von dem sich Eela Craig für einige Stücke auf "Missa Universalis" inspirieren ließen.

1979 trennte sich Hubert Bognermayr von Eela Craig, um sich stärker elektronischen Projekten wie "Erdenklang" und "Blue Chip Orchestra" zu widmen. Auch Schlagzeuger Frank Hueber verließ die Band, sein Part wurde von Wil Orthofer übernommen. Die verkleinerte Besetzung spielte 1980 das Album "Virgin Oiland" ein, das kürzere und einfachere Songs enthielt. Nach einer 1981 erschienenen Single mit dem Titel "Mo-Bike Jive" hörte man einige Jahre nichts mehr von der Gruppe. Erst 1987 nahm Wil Orthofer mit dem Gitarristen Gery Moder einige Pop-Singles unter dem Namen Eela Craig auf, denen 1988 die LP "Hit or Miss" folgte.

Im November 1995 kamen Eela Craig noch einmal für ein Konzert in Linz zusammen.

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Eloy (Deutschland)


Ocean, 1977
Eloy: Ocean

Eloy gehören zu den bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Bands der Siebziger Jahre. Wie viele damalige Bands aus Hannover verschrieben sie sich dem symphonischen Sound, sponnen dazu Epen über Zeitreisen, Weltraumabenteuer und wie auf "Ocean" den Untergang von Atlantis.

Gegründet 1971 nahm die erste Eloy-Besetzung eine eher konventionelle Rock-LP auf, die lange Zeit ein gesuchtes Sammlerstück war, inzwischen aber auch als CD erhältlich ist.

Erst mit der zweiten LP "Inside" begann die eigentliche Geschichte von Eloy - Bandleader Frank Bornemann übernahm nun auch den (oft kritisierten) Gesang und schuf mit der zweiten Inkarnation der Band (inkl. einiger Besetzungswechsel) einen getragenen Symphoniksound mit ausgedehnten Orgel- und Gitarrenpassagen. Mit der LP "Dawn" (1976) gab es eine komplette personelle Runderneuerung. Das Quartett Bornemann, Schmidtchen, Matziol und Rosenthal bildete die wohl beliebteste Eloy-Formation. Auf "Ocean" widmete sie sich Platons Dialogen über den Untergang von Atlantis. Nicht mehr ganz so getragen überzeugte diese Besetzung musikalisch, besonders Matziol am Bass und Schmidtchen an den Keyboards bereicherten den Eloy-Sound ungemein. Nach einer Liveplatte und dem ähnlich guten Nachfolger "Silent cries and mighty echoes" trennten sich Schmidtchen und Rosenthal von der Band, um als "Ego on the rocks" eine eigene Platte aufzunehmen.

Es folgte bis 1984 eine weitere Eloy-Formation (mit einem Wechsel an den Drums) die zunehmend rockiger und eingängiger klang, ohne den typischen Eloy-Sound aufzugeben. Bei dieser Besetzung war die Hinzunahme eines zweiten Gitarristen neben Bornemann reizvoll. Mit der sehr schwachen LP "Metronomia", die nur noch belanglosen Melodic-Hardrock lieferte, fand Eloy dann für einige Jahre ein Ende.

1988 erschien mit "RA" ein neues Album. Zusammengeschrumpft auf das Duo Bornemann/Gerlach praktizierte Eloy mit Hilfe von Gastmusikern eine härtere Variante des alten Stils. Mit dem Nachfolger "Destination" (1992) stieß auch F.P. Matziol wieder zur Band. Es folgten noch einige weitere Platten, bis mit "Ocean II - The Answer" (1998) und der darauf folgenden Tour Eloy ein weiteres Mal ein Ende fand.

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Grobschnitt (Deutschland)


Rockpommel's Land, 1977
Grobschnitt: Rockpommel's Land

Solar Music Live, 1978
Grobschnitt: Solar Music Live

1966 wurde im nordrhein-westfälischen Hagen eine Schülerband mit Namen "The Crew" gegründet, zu der unter anderem der Schlagzeuger Joachim Ehrig, der Gitarrist Gerd Kühn sowie später der Sänger und Gitarrist Stefan Danielak gehörten. "The Crew", die sich zwei Jahre später in "Crew Blues Session" umbenannten, wurden nicht zuletzt durch eine spektakuläre Bühnenshow zur lokalen Berühmtheit. Im Oktober 1969 gab die "Crew Blues Session" ihr Abschiedskonzert, kurz darauf löste sich die Gruppe auf.

Die erwähnten Crew-Musiker kamen im Januar 1971 wieder zusammen, um eine neue Gruppe zu gründen. Nach einer Soldatenkapelle aus dem Ersten Weltkrieg nannte man sich "Grobschnitt". Wie schon die Vorgängerformation warteten auch Grobschnitt mit einer ungewöhnlichen Show auf, die sogar den Einsatz von Feuerwerkskörpern auf der Bühne beinhaltete.

Nach dem teilweise etwas holprig ausgefallenen Debüt von 1972 folgte schon zwei Jahre später mit "Ballermann" das Album, auf dem Grobschnitt ihren ureigensten Stil fanden, eine Mischung aus symphonischem Progressive Rock, Spacerock und einigen krautigen Elementen, das Ganze verfeinert mit einer ordentlichen Prise Humor. Auf "Ballermann" erschien erstmals "Solar Music", das Stück, das bis zum Ende von Grobschnitt den Höhepunkt jedes Konzertes bilden sollte. "Solar Music" ist ein über weite Strecken improvisiertes Stück. Über die Jahre wurde es immer wieder in unterschiedlichen Versionen gespielt, die manchmal mit "nur" 35 Minuten kompakter ausfielen, aber durchaus auch Längen von bis zu einer Stunde erreichen konnten. Als "definitive" Fassung gilt die im April 1978 in Mülheim eingespielte und auf dem Album "Solar Music Live" veröffentlichte Version. Die Band zeigt sich hier in Hochform, die Duelle der beiden Gitarristen sind ebenso beeindruckend wie die sphärischen Klänge von Keyboarder Volker Kahrs und die solide Arbeit der Rhythmussektion. Daneben sind auch einige skurrile Einlagen zu finden.

Eine ganz andere Seite der Band zeigt das 1977 erschienene "Rockpommel's Land". Die aus heutiger Sicht etwas naiv anmutende Geschichte des Jungen Ernie, der mit Hilfe eines Riesenvogels aus seinem tristen Alltag in ein phantastisches Märchenland entflieht, ist mit verträumt-melancholischer Musik unterlegt, akustischer als andere Grobschnitt-Alben und stärker in der Tradition des symphonischen Prog britischer Prägung stehend.

Wie viele andere Bands wandten sich auch Grobschnitt Ende der Siebziger Jahre kompakteren Klängen zu. Dieser Trend verstärkte sich, als Anfang 1980 der neue Bassist Milla Kapolke einstieg, der die Grobschnitt-Musik mit Elementen der Neuen Deutschen Welle sowie esoterisch angehauchten Texten versah. Der Stilwechsel, dokumentiert auf den schwachen Alben "Razzia" (1982) und "Kinder und Narren" (1984), führte zum Ausscheiden von Volker Kahrs und Joachim Ehrig. Erstaunlicherweise gelang es Grobschnitt 1985 mit dem Live-Album "Sonnentanz" - einer neuen Version des Klassikers "Solar Music" - noch einmal an die Qualität der Siebziger anzuknüpfen. Auf "Fantasten" (1987) zeigte sich jedoch endgültig, dass die Gruppe am Ende war. Am 4. Dezember 1989 gaben Grobschnitt im heimischen Hagen ihr Abschiedskonzert, seit 2007 sind sie wieder aktiv, wobei teilweise die Söhne der Musiker neben ihren Vätern spielen.

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Hölderlin (Deutschland)


Clowns & Clouds, 1976
Hölderlin: Clowns & Clouds

Die Gruppe Hölderlin wurde im November 1970 von den Brüdern Joachim und Christian Grumbkow sowie der aus den Niederlanden stammenden Sängerin Nanny de Ruig gegründet. Später kamen Bratschist Christoph Noppeney, Bassist Peter Käseberg und Schlagzeuger Michael Bruchmann hinzu. Zunächst spielte man Stücke der britischen Folk-Größen Faiport Convention und Pentangle. Im April 1972 erschien das Debut "Hölderlins Traum". Mit ausschließlich akustischer Instrumentierung und lyrischen Texten schufen Hölderlin eine verträumt-atmosphärische Musik.

Nanny de Ruig schied Ende 1973 aus. In dieser Zeit änderten Hölderlin ihre musikalische Orientierung durch die Einbeziehung elektrischer und elektronischer Instrumente. Dazu wurden Texte u.a. von Brecht und H. C. Artmann vorgetragen. Diese stärker gesellschaftskritische Richtung missfiel Hölderlins damaliger Plattenfirma. Zwar fand man nach einigem juristischen Gerangel eine neue Heimat beim "Spiegelei"-Label. Dort war man allerdings von dem geplanten Albumtitel "For Fritz" (womit der Namensgeber der Band, Friedrich Hölderlin, gemeint war) ebenso wenig begeistert wie von der Idee, zweisprachige Texte zu verwenden. So erschien das Album 1975 unter dem schlichten Titel "Hölderlin" und mit ausschließlich englischen Texten.

Das 1976 veröffentlichte "Clowns & Clouds" bildet den ersten Höhepunkt im Schaffen der Band. Während die erste Albumseite dem Thema "Clowns" und damit dem Verrückten und Verschrobenen gewidmet ist, behandelt die "Clouds"-Seite mit sanft fließenden Klängen die schönen und friedvollen Aspekte der Welt.

Im Frühjahr 1977 schied Gitarrist Christian Grumbkow als aktiver Musiker aus, bleib aber weiterhin für Liedtexte und organisatorische Dinge zuständig. Sein Nachfolger Pablo Weeber brachte mehr Dynamik in die Musik, wie das Album "Rare Birds" von 1977 und vor allem das Anfang 1978 veröffentlichte Livealbum "Traumstadt" beweisen.

Damit war die beste Zeit der Band allerdings vorbei. "New Faces" (1979) enthielt gewöhnlichen Melodic Rock, mit dem letzten Album "Fata Morgana" (1981) gerieten Hölderlin gar in die Niederungen der "Neuen Deutschen Welle".

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La Düsseldorf (Deutschland)


Viva, 1978
La Düsseldorf: Viva

La Düsseldorf entstand 1975 als Nachfolgeformation der Experimental-Krautrocker "Neu!". Nach dem Ausscheiden seines Partners Michael Rother tat sich Klaus Dinger mit Bruder Thomas sowie Hans Lampe, die beide schon auf dem letzten Neu!-Album als Gastmusiker mitgewirkt hatten, zusammen und gründete La Düsseldorf. Drei Alben entstanden zwischen 1976 und 1980, von denen die beiden ersten, "La Düsseldorf" und "Viva", die gelungensten sind.

La Düsseldorf verzichteten auf die radikalen Klangexperimente der frühen Siebziger. Ihre oft langen Stücke sind meist auf einem durchgehenden, gleichförmigen Rhythmus aufgebaut, zumeist mit eher einfachen Melodien kombiniert, bisweilen auch mit punkigen Ausbrüchen. Ein weiteres Merkmal der La-Düsseldorf-Musik (wie auch anderer Dinger-Projekte) ist der eigenartige Gesang, der häufig nur aus scheinbar willkürlich herausgeschrieenen Wort- und Satzfetzen, mal in Deutsch, mal in Englisch, besteht. Das Schaffen von La Düsseldorf gipfelte im 1978er Album "Viva", das mit dem romantisch-schlichten "Rheinita" und der 20-minütigen Orgie "Cha Cha 2000" zwei Klassiker Dingerschen Schaffens enthielt.

Das 1980 erschienene "Individuellos" besteht aus kürzeren Stücken, die nicht mehr die Klasse ihrer Vorgänger erreichten. 1983 veröffentlichte La Düsseldorf eine letzte Single, danach trennte Klaus Dinger sich von seinen Mitspielern und stellte eine neue Besetzung zusammen. Aus rechtlichen Gründen durfte das 1984/85 eingespielte "Néondian" jedoch nur unter der Interpretenangabe "Klaus Dinger + Rheinita Bella Düsseldorf" erscheinen.

Zunächst wurde es für einige Jahre still um Klaus Dinger. In den Jahren 1986/87 entstandene Aufnahmen für ein fünftes La-Düsseldorf-Album wurden von seiner damaligen Plattenfirma ebenso abgelehnt wie das zur gleichen Zeit bei einer kurzzeitigen Wiedervereinigung mit Michael Rother entstandene vierte Neu!-Album. Erst Anfang der Neunziger kam es zu neuen Dinger-Veröffentlichungen. Nach zwei Alben unter dem Namen "Die Engel des Herrn" gründete er 1995 die Formation "La! Neu?".

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Lift (Deutschland)


Meeresfahrt, 1978
Lift: Meeresfahrt

Die aus Dresden stammende Band Lift formierte sich Anfang 1973 aus der Vorgängerformation Dresden-Sextett und zeigte sich anfangs vom schwarzen Blues beeinflusst. Eine dreiköpfige Bläserbesetzung rückte den Sound aber auch in Richtung des Jazzrocks der Marke Blood, Sweat & Tears. Doch begann sich bald das Personalkarussell zu drehen und bereits am Ende des Gründungsjahres trennten sich die jungen Sachsen von den Bläsern. Die Band begann einen eigenen Stil zu kreieren, der sich zusehends in Richtung des Artrocks entwickelte. Ohne eine Platte veröffentlicht zu haben, gelangen ihr mit Kompositionen wie "Soldat vom Don", "Mein Herz soll ein Wasser sein" und "Tochter Courage" erste kleinere Hits, die die Gruppe in der damaligen DDR zunehmend ins Gespräch brachten.

Im Jahr 1976 kristallisierte sich langsam die Formation heraus, die das Debüt mit dem hochklassigen Sänger Henry Pacholski aufnehmen sollte. Im Frühjahr 1977 hielten die Fans endlich das lang ersehnte, unbetitelte Erstlingswerk in den Händen, das fast durchweg überzeugen konnte. Die Mannen aus dem schönen Elbflorenz glänzten mit einer eindrucksvollen Mixtur aus einfühlsamen Liedern und von Pathos bestimmten Progsongs. Dabei wurde von Anfang an eine Verschmelzung von Text und Musik erreicht, die auch vor gefühlsbetonter Romantik keinen Halt machte, ohne dabei abgedroschen oder peinlich zu wirken. Die Grenze zum reinen Progressive Rock wurde zwar noch eher gestreift. Mit dem Longtrack "Ballade vom Stein" begaben sich Lift jedoch eindeutig in das Fahrwasser des progressiven Rocks britischer Prägung.

Nach diesem höchst erfreulichen ersten Tonträger legten die Dresdner 1978 mit "Meeresfahrt" ihr Meisterwerk vor, das sogar unter die wirklichen Highlights der ostdeutschen Rockmusik gezählt werden kann. Neben einigen romantischen bis mitreißenden Rocksongs, die eher schlicht gehalten sind, bietet das Album mit dem Longtrack "Tagesreise" und dem Titelstück "Meeresfahrt" Sternstunden des deutschen Progressive Rocks. Atemberaubende Instrumentalparts stehen dabei im Einklang mit dem Gespür für einprägsame Melodien, wodurch nachvollziehbare Songstrukturen erhalten bleiben. Im Verlauf des Titelsongs werden allerdings gängige Liedformen verlassen, und es entwickelt sich in hochklassigen Improvisationen eine wahrhaft elektrisierende Spannung.

Noch vor dem Veröffentlichungstermin des Albums schlug das Schicksal bei Lift unbarmherzig zu. Während einer Tournee durch Polen verunglückten Sänger Henry Pacholski und Bassist Gerhard Zachar bei einem Autounfall tödlich. Der zweite Keyboarder Michael Heubach wurde schwer verletzt. Dieses tragische Ereignis markierte zwangsläufig einen Wendepunkt in der Karriere von Lift. Die Zukunft der Formation stand zunächst in den Sternen. Mit dem Titel "Am Abend mancher Tage" wurde das Ereignis später musikalisch verarbeitet, was der Band 1980 ein Comeback ermöglichte. Schlagzeuger Werther Lohse hatte mittlerweile den Gesangspart übernommen. 1981 folgte mit "Spiegelbild" auch eine neue LP. Leider vermochten die neu formierten Lift aber nicht an die Klasse früherer Tage anzuknüpfen. Als letztes Lebenszeichen vor der Wende erschien 1987 das Album "Nach Hause".

Inzwischen ist die Band wieder aktiv, doch ist mit Sänger Werther Lohse nur noch ein Mitglied aus den glorreichen 70ern mit von der Partie. Zusammen mit Stern-Combo Meißen und Electra kam es zu zahlreichen Liveauftritten unter dem Markenzeichen "Sachsendreier".

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Novalis (Deutschland)


Sommerabend, 1976
Novalis: Sommerabend

"Organist und Schlagzeuger für Band mit ungewöhnlichen Ideen gesucht" - diese Anzeige setzten der Sänger Jürgen Wenzel und der Bassist Heino Schünzel 1971 ins Hamburger Abendblatt. Es meldeten sich der Organist Lutz Rahn sowie der Schlagzeuger Hartwig Biereichel. Die neue Band nannte sich zunächst Mosaik, doch da dies nach einiger Zeit nicht mehr gefiel, einigte man sich auf den neuen Namen Novalis. Novalis ist der "Künstlername" des frühromantischen Dichters Friedrich Freiherr von Hardenberg (1772-1801), von dem die Band später einige Gedichte vertonen sollte. Allerdings erschien das ohne Verwendung elektrischer Gitarren aufgenommene Debüt "Banished Bridge" 1973 noch mit englischem Gesang.

Von Anfang an lautete das Konzept der Band "romantische Rockmusik". Man legte mehr Wert auf stimmungsvolle, atmosphärische Musik als auf virtuose Glanzleistungen. Nach dem noch etwas unausgegorenen Debüt verließ Jürgen Wenzel die Band, mit Detlef Job wurde dafür ein "richtiger" Gitarrist eingestellt. Für das schlicht "Novalis" betitelte Folgealbum gewann man den ehemaligen Rattles-Musiker Achim Reichel als Produzenten. Reichel war es, der vorschlug, künftig deutsche Texte zu verwenden und sich dabei auch an Werken des Namensgebers zu versuchen. Musikalisch wirkten "Novalis" nun deutlich reifer.

Mit "Sommerabend" schaffte die Gruppe 1976 den Durchbruch. In den drei langen Stücken, darunter mit "Wunderschätze" wiederum die Vertonung eines Novalis-Gedichts, erreichte das Konzept der "romantischen Rockmusik" seinen Höhepunkt.

Noch im gleichen Jahr wurde der aus Österreich stammende Sänger Fred Mühlböck als fünftes Mitglied eingestellt. Mühlböck hatte vorher in einer Hard-Rock-Formation gespielt und brachte deutlich mehr Dynamik in die Band, die sich mit "Brandung" (1977) und "Vielleicht bist Du ein Clown?" (1978) ihre führende Stellung im Bereich deutschsprachiger Rockmusik bewahrte. 1979 folgte mit "Flossenengel" ein Konzeptalbum zum Thema Walfang. Von jedem verkauften Exemplar ging eine Spende an den World Wildlife Fund, insgesamt kam man auf eine Summe von umgerechnet knapp 10000 ?.

Wie viele andere Bands der Progressive Rock Szene gerieten auch Novalis Anfang der 80er Jahre in den Strudel des veränderten musikalischen Zeitgeistes. Auf späteren Alben wie "Augenblicke" (1981), "Neumond" (1982), "Sternentaucher" (1983) und "Bumerang" (1984) versuchten sie sich an einfacheren, kompakteren Songs, die jedoch zunehmend in die musikalische Bedeutungslosigkeit abglitten. Mit dem neuen Sänger Ernst Herzner entstand 1985 "Nach uns die Flut", das letzte Lebenszeichen der Gruppe.

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Schicke Führs Fröhling (Deutschland)


Symphonic Pictures, 1976
Schicke Führs Fröhling: Symphonic Pictures

Sunburst, 1977
Schicke Führs Fröhling: Sunburst

Schicke Führs Fröhling gehörten zu den außergewöhnlichsten deutschen Bands der 70er Jahre. In den vier Jahren seines Bestehens produzierte das aus dem norddeutschen Oldenburg stammende Trio drei Instrumentalalben und bot dabei eine eigenständige Mischung aus symphonischer Eleganz und experimentellen Ausflügen. Der epische Grundcharakter der Musik verband sich mit abstrakt wirkenden "Klanglandschaften" und bisweilen auch jazzigen Strukturen zu einem gelungenen Einklang.

Das kreative Trio traf erstmalig 1974 zusammen. Heinz Fröhling und Eduard Schicke spielten damals in der Band Spektakel. Der junge Keyboarder Gerd Führs stand noch in Diensten einer Jazzrockband namens Samspel. Er besuchte ein Konzert von "Spektakel", wobei erste fruchtbare Kontakte geknüpft werden konnten. Schon am darauffolgenden Tag konnte Führs die künftigen Kollegen von seinen Fähigkeiten an den Tasten eindrucksvoll überzeugen. Man beschloss, sich gemeinsamen musikalischen Ideen zu widmen, was zugleich das Ende von Spektakel bedeutete. Die drei Musiker bezogen gemeinsam einen kleinen Bauernhof. Sechs Monate lang arbeiteten sie an der Entwicklung eines eigenen musikalischen Konzepts. Auf dem Deutschen Rock Festival 1975 in München folgte ein erster eindrucksvoller Liveauftritt, der der Gruppe einen Plattenvertrag mit dem Label Metronome Records bescherte. Es gab sogar Kontakte zu Frank Zappa, der das Debüt der Band produzieren sollte, wegen eigener Aktivitäten schließlich aber nicht zur Verfügung stand.

Unter der Regie von Dieter Dierks erfolgte 1976 die Produktion des Erstlingswerks "Symphonic Pictures", das mit seinem vom Mellotron dominierten Sound neue Maßstäbe im Progressive Rock der 70er Jahre setzen sollte. Atmosphärische Keyboardparts tragen zusammen mit markantem Bass- und Gitarrenspiel sowie einem versierten Schlagzeug zu komplexen, facettenreichen Klangbildern bei. Bei allem Anspruch und trotz komplexer Rhythmuswechsel ergeben sich daraus fließende Soundgebilde von eindrucksvoller Schönheit - eine zeitlos wirkende Interpretation symphonischer Rockmusik.

Das ein Jahr später veröffentlichte Album "Sunburst" erweiterte die stilistische Palette um moderate Jazzrock-Einflüsse und konnte ebenfalls überzeugen. Einmal mehr stellten SFF ihre Eigenständigkeit unter Beweis. Mit ihren abstrakten Klanglandschaften waren sie ihrer Zeit sogar voraus. Einen Live-Höhepunkt markierte 1978 der Auftritt auf dem Brain-Festival in Essen. Im gleichen Jahr kam mit "Ticket To Everywhere" das letzte Album des Trios heraus, das insgesamt als Enttäuschung anzusehen ist. Der homogene Symphonic Sound war zeittypischen elektronischen Spielereien gewichen, wobei sich sogar das damals kursierende Discofieber bemerkbar machte. Im gleichen Jahr beschlossen SFF aufgrund diverser Differenzen, zukünftig getrennte Wege zu gehen. Eduard Schicke schloss sich kurzzeitig der Band Hölderlin an. Gerd Führs und Heinz Fröhling setzten ihre schon kurz vor der Veröffentlichung des letzten SFF-Albums begonnene Aktivität als Duo "Führs Fröhling" fort. Ohne einen Schlagzeuger verließen sie übliche Rockstrukturen und widmeten sich einem eher meditativen Sound - auf dem Album "Ammerland" (1978) inspiriert von der Natur ihrer norddeutschen Heimat. Heinz Fröhling eröffnete später in Oldenburg eine Musikschule und widmet sich heute mit seiner Formation Die Bonnies (Untertitel: Nordseemusikanten) der folkloristischen Musik. Gerd Führs verunglückte 1992 bei einem Autounfall tödlich.

Alle drei Alben von Schicke Führs Fröhling sind mittlerweile auf einer vom amerikanischen Label The Laser´s Edge veröffentlichten Doppel-CD unter dem Titel "The Collected Works" erhältlich.

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Stern-Combo Meißen (Deutschland)


Weißes Gold, 1978
Stern-Combo Meißen: Weißes Gold

In der sächsischen Porzellanstadt Meißen formierte sich bereits 1963 eine Schülerband, die als Beatgruppe unter dem Namen "Stern-Combo Meißen" auf diversen Veranstaltungen spielte. Erst im Lauf der Jahre kamen die Bandmitglieder in Kontakt mit der Musik westlicher Interpreten wie Jimi Hendrix, Vanilla Fudge und Blood, Sweat and Tears. Hatte man zwischenzeitlich zusammen mit einer Bläsersektion agiert, brachte der Einstieg des Keyboarders Thomas Kurzhals dann eine Neuorientierung in Richtung klassisch inspirierter Rockmusik à la Emerson, Lake & Palmer. Wie das große Vorbild wagten sich auch die Sachsen an eine Mussorgskij-Komposition. Die Adaption "Eine Nacht auf dem kahlen Berge" wurde - ähnlich wie die Sibelius- bzw. Gershwin-Interpretationen "Finlandia" und "Rhapsody in Blue" - zum Paradebeispiel für einen variantenreichen Klassikrock, der auch Freiraum für Improvisationen bot und das Können der beteiligten Musiker eindrucksvoll unter Beweis stellte. Mit dem Neuzugang in Form des stimmgewaltigen Sängers Reinhard Fißler hatte sich eine recht konstante Formation gefunden, die in der damaligen DDR für Furore sorgen sollte.

Schon frühzeitig überzeugten die Sachsen durch Professionalität und einen ausgeklügelten Einsatz von Tasteninstrumenten (wie Hammondorgel und dem dominanten Mini Moog). Live untermauerte man die Fähigkeit zum Einsatz der damals zur Verfügung stehenden Technologie und versuchte sich bereits im Jahr 1976 an einem quadrophonen Sound. Das 1977 veröffentlichte, unbetitelte Debüt war denn auch ein klangtechnisch hervorragender Livemitschnitt. Die darauf enthaltene Eigenkomposition "Der Kampf um den Südpol" bescherte der Gruppe sogar eine lange Präsenz in den Hitparaden und ist zudem eines der wichtigsten Beispiele für die Verarbeitung historischer Themen durch Rockgruppen unter den Bedingungen der DDR.

Im darauf folgenden Jahr behandelte die Stern-Combo Meißen mit dem ambitionierten Konzeptalbum "Weißes Gold" die historisch verbürgte Entstehungsgeschichte des europäischen weißen Porzellans. Der Alchimist Johann Friedrich Böttger war als Gefangener des sächsischen Kurfürsten auf der Albrechtsburg in Meißen mit der hoffnungslosen Aufgabe konfrontiert, den Traum von der Goldmacherei zu verwirklichen. Dabei stieß er 1708 eher zufällig auf das Geheimnis der Porzellanherstellung und rettete so sein Leben. Die abenteuerliche Entdeckung des "weißen Goldes" wurde von der Stern Combo Meißen voll Pathos und unter Zuhilfenahme eines Sinfonieorchesters musikalisch umgesetzt. Im Wechsel von gesprochenenen Texten, ausdrucksstarken Gesangspassagen und eindrucksvollen Synthieläufen entfaltet sich die Dramatik des Geschehens. Der Band gelang eine detailgenaue Umsetzung des zugrunde liegenden Konzepts und zugleich eine eigenständige Interpretation tastenlastigen Progs, die in schwelgerischem Bombast kulminierte.

Das nachfolgende Album "Der weite Weg" (1979) war insgesamt songorientierter, enthielt aber eine Adaption von "Der Frühling" aus Vivaldis "Die vier Jahreszeiten". Unter dem verkürzten Namen "Stern Meißen" veröffentlichte die Band 1981 das Konzeptalbum "Reise zum Mittelpunkt des Menschen", das erneut auf musikalische Komplexität setzte, und auf dem sich ein elektronischer Einfluss bemerkbar machte. Danach drifteten die Sachsen - verstärkt durch einen Gitarristen - aber zusehends in den Mainstream ab. Sogar ein gewisser NDW-Einschlag machte sich geltend, wovon bereits das Album "Stundenschlag" (1982) zeugt. Mit dem Sänger Ralph "IC" Schmidt (als Ersatz für Reinhard Fißler) orientierte sich die Gruppe ab 1984 sogar noch stärker an den Hitparaden.

Kurz vor der Wende löste sich Stern Meißen auf. Am 5. April 1996 gab die Band aber ein umjubeltes Comeback-Konzert in Riesa und widmet sich seitdem einer intensiven Livetätigkeit. Zusammen mit den beiden Bands Electra und Lift tritt man als "Sachsendreier" regelmäßig im Osten der Republik auf. Neues Songmaterial wurde bislang nicht präsentiert. 1976 kam es jedoch zur Veröffentlichung einer kleinen Perle - eines bis dahin noch nicht erhältlichen Konzertmittschnittes aus dem Jahr 1976.

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Triumvirat (Deutschland)


Spartacus, 1975
Triumvirat: Spartacus

In der Domstadt Köln fanden sich 1969 drei junge Musiker zusammen, die sich den Namen Triumvirat gaben, nach der "Dreimännerherrschaft" im alten Rom. Frühzeitig zeigten sich die Rheinländer von der klassisch inspirierten Rockmusik von The Nice beeinflusst. Insbesondere Keyboarder Jürgen Fritz eiferte seinem großen Vorbild Keith Emerson nach und begann den Sound des Trios mit seinem versierten Tastenspiel nachhaltig zu prägen, während Schlagzeuger Hans Bathelt für die Texte verantwortlich zeichnete. Nach einigen Coverversionen von Nice-Stücken feilten Triumvirat seit 1970 an eigenem Material und Bassist/Sänger Hans Pape ersetzte das Urmitglied Werner Frangenberg. Als glücklicher Umstand für die Band-Karriere erwies sich die Tatsache, dass sich das in Köln ansässige Majorlabel EMI auf der Suche nach jungen deutschen Bands befand und dabei auf Triumvirat aufmerksam wurde. Nach der Vertragsunterzeichnung wurde dem Trio die Studiozeit für die Aufnahme des Debüts "Mediterranean Tales" finanziert. Dieser 1972 veröffentlichte Erstling enthält schon einige der Ingredienzen, die den Sound der Formation in den nächsten Jahren prägen sollten. Der keyboardorientierte Klassikrock präsentierte sich allerdings in einer noch etwas holprigen Rohform, und insbesondere der Gesang wies etliche Defizite auf.

Schon bald nach dieser noch typisch "teutonischen" Variante des Progressive Rocks begannen die ersten Vorbereitungen für ein ambitioniertes Nachfolgewerk, mit dem Triumvirat auch jenseits der deutschen Grenzen Beachtung finden sollten. Hans Pape verließ die Band zu Beginn der Aufnahmen von "Illusions On A Double Dimple" und wurde von Helmut Köllen ersetzt, der mit seiner einfühlsamen und variablen Stimme den Gruppensound bereicherte. EMI zeigte sich von den Fähigkeiten dieses Line-Ups so begeistert, dass der Band sogar ein verlängerter Studioaufenthalt gewährt wurde. Der Kreativität von Jürgen Fritz schienen keinerlei Hemmnisse mehr entgegen zu stehen, In den Sound des Zweitlings (ein Konzeptalbum) wurden eine Bläsersektion und sogar ein Sinfonieorchester eingebunden. Das 1973 veröffentlichte Ergebnis konnte sich hören lassen und wurde von Kritikern und Publikum äußerst positiv aufgenommen. Der bombastische Sound der Deutschen fand sogar in den USA ein wohlwollendes Echo und man durfte im Rahmen einer US-Tour im Vorprogramm von Fleetwood Mac spielen.

Von dem internationalen Erfolg beflügelt holten Triumvirat mit dem Konzeptalbum "Spartacus" 1975 zu ihrem größten Wurf aus. Die dramatische Geschichte des Sklaven Spartacus, der im Jahre 73 v. Chr. einen Sklavenaufstand initiierte, wurde auf dem dritten Album der Band musikalisch eindrucksvoll umgesetzt. Der tastenlastige Bombastsound bewegte sich in der besten Tradition des großen Vorbildes ELP. Weit ausladende Arrangements gingen einher mit gefühlvollen Passagen, in denen Helmut Köllens Gesang perfekten Ausdruck fand.

Nach diesem kreativen Höhepunkt verkündete Köllen seinen Abschied, um eine Solokarriere zu starten. Als Ersatz wurden der Sänger Barry Palmer und Gründungsmitglied Werner Frangenberg am Bass rekrutiert, mit denen 1976 das Album "Old Loves Die Hard" aufgenommen wurde, auf dem sich die Band songorientierter präsentierte, ohne aber die progressiven Wurzeln gänzlich zu verleugnen. Diese Mixtur wurde auch auf dem Album "Pompeii" (1977) beibehalten, während dessen Vorbereitungssphase es zu einer kurzzeitigen Rückkehr von Helmut Köllen kam, der dann aber der Band wieder den Rücken kehrte. Er verstarb 1977 mit nur 27 Jahren. Die Ballade "Hymn" bescherte der Gruppe sogar einen kleinen Singlehit. Auf dem Album gesellte sich auch die deutsche Schlagzeuglegende Curt Cress kurzzeitig zum Line-Up von Triumvirat.

Während der Kontrast aus melodischen Liedstrukturen und bombastischen Ursprüngen bis dahin noch recht ansprechend funktioniert hatte, markierten die nachfolgenden Alben "À La Carte" (1978) und "Russian Roulette" (1980) die endgültige Abkehr vom Progressive Rock und ein Hinwendung zum reinen Mainstream, der kaum überzeugen konnte. Gerade das letztgenannte Album ließ sich auch durch die Beteiligung hochkarätiger Gastmusiker der US-Band Toto nicht retten. Die Rechnung, mit eingängigen Popsongs nachhaltigen Erfolg zu erlangen, ging nicht auf. Triumvirat lösten sich auf. Jürgen Fritz versuchte sich einige Zeit lang als Filmkomponist und arbeitete kurzzeitig sogar mit Ulknudel Hella von Sinnen zusammen.

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Tipps abseits der Hauptliste

Neuschwanstein (Deutschland)


Battlement, 1978


Im saarländischen Städtchen Völklingen beschlossen 1971 zwei junge Musiker sich der symphonischen Variante der Rockmusik zu widmen. Keyboarder Thomas Neuroth und Flötist/Keyboarder Klaus Mayer benannten ihre Band nach dem bekannten Märchenschloss des bayerischen Königs Ludwig II. und betonten auf diese Weise die romantische Ausrichtung ihrer Musik. Nachdem sich ein erstes konstantes Line-Up gefunden hatte, folgte 1974 eine musikalische Bearbeitung von Lewis Carrolls "Alice im Wunderland", die ihre erfolgreiche Premiere in Saarbrücken hatte. Im Jahr darauf stieß der Gitarrist Roger Weiler zur Band, und mit der Verpflichtung des aus der französischen Nachbarschaft stammenden Sängers Frédéric Joos kristallisierte sich langsam die Besetzung heraus, die im Jahr 1978 im renommierten Studio von Dieter Dierks ihr einziges Album "Battlement" aufnahm. Darauf präsentierte die Band eindrucksvollen Progressive Rock der symphonischen Variante, der in der besten Tradition von Genesis stand. Die durchweg hochklassigen Kompositionen wurden von einer seltenen symphonischen Eleganz dominiert. Zartes Flötenspiel, weit ausladende Keyboardflächen und filigrane Saitenarbeit trugen zu einem Höhepunkt des romantischen Artrocks bei. Auch der einfühlsame Gesang des Frontmannes Frédéric Joos fügte sich in den wahrhaft berauschenden Schönklang ein

Hörer mit einer romantischen Ader werden an dem Songmaterial auf "Battlement", am erhabenen Symphonic-Sound und am verträumten Grundcharakter der Musik schnell Gefallen finden. Doch während der eine Teil des Publikums regelrecht dahinschmolz, sprach der andere kopfschüttelnd von einem Genesis-Klon. Rür den Liebhaber dieser Spielart des Progs rückt angesichts der Eindringlichkeit und Schönheit von "Battlement" die Frage allerdings in den Hintergrund, wie nah sich die Band dabei an das große Vorbild Genesis angenähert hat. Es bleibt allein der Genuß an einem Kleinod wie Neuschwanstein.

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Tritonus (Deutschland)


Between The Universes, 1976


Die Mannheimer Formation Tritonus um den Keyboarder Peter K. Seiler wird oft als bloßer Abklatsch von Emerson, Lake & Palmer beschrieben. Dabei zeigt v.a. ihr zweites und leider auch letztes Album "Between The Universes", dass es sich bei Tritonus trotz des nicht zu leugnenden ELP-Einflusses um eine stilistisch eigenständige Band aus dem Bereich des symphonischen Progressive Rock mit gelegentlichen Abstechern in ambientartige Klanglandschaften handelt.

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