Deutscher Bundestag - Abgeordneter mit iranischen Wurzeln: Niema Movassat

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Parlament

Abgeordneter mit iranischen Wurzeln: Niema Movassat

Niema Movassat, DIE LINKE.

Niema Movassat, DIE LINKE. (DBT/Neuhauser)

Niema Movassat bewundert Karl Marx und Che Guevara, lehnt Kriege ab und kämpft gegen den Hunger in der Welt. Seit 2009 sitzt der 27-Jährige für die Partei Die Linke im Bundestag. Er ist Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und im Unterausschuss Gesundheit in Entwicklungsländern.Seit 2009 sitzt der Oberhausener im Bundestag, eingezogen ist er über die Landesliste Nordrhein-Westfalen der Partei Die Linke.

An seine erste Rede im Plenum kann sich Niema Movassat noch gut erinnern. Wie ein Lämmchen, das zur Schlachtbank geführt wird, habe er sich auf dem Weg zum Rednerpult gefühlt, erzählt er. „Und dann habe ich mich auch noch gleich beim ersten Satz versprochen. Da dachte ich nur: Das fängt ja gut an.“ Dabei hatte er auf Parteitagen und Demos schon oft Reden gehalten. Aber im Bundestag zu sprechen, das sei eben doch ganz was anderes, erklärt der junge Mann.

Mit 17 Eintritt in die PDS

Es ist diese entwaffnende Offenheit, die Movassat auf Anhieb sympathisch macht. Überhaupt stellt der Sohn iranischer Eltern mit seinen 27 Jahren, dem Kapuzenpullover unterm Jackett und der gehörigen Portion Idealismus im Kopf so manches Klischee vom abgeklärten Berufspolitiker auf den Kopf. Keine Frage, Movassat gehört einer neuen Politikergeneration an, die schon rein äußerlich frischen Wind ins Parlament bringt.

Bei seinem Einzug ins Parlament blickt er bereits auf eine – an seinem Alter gemessen – recht lange Karriere in der Partei zurück. 17 Jahre alt ist er, als er 2000 ihrer Vorgängerin PDS und deren Jugendverband ['solid] beitritt – aus Protest gegen den Kosovokrieg 1999, bei dem „Deutschland unter Rot-Grün erstmals seit 1945 wieder Krieg geführt hat“, wie Movassat auf seiner Internetseite schreibt, und weil die PDS als einzige Partei gegen den Einsatz der Bundeswehr auf dem Balkan gewesen sei.

Bewunderung für Karl Marx und Che Guevara

Auch sonst wird die PDS für ihn rasch zur politischen Heimat. Vor allem ihre Kritik an Hartz IV, Wehrpflicht und dreigliedrigem Schulsystem spricht dem Teenager aus der Seele. Schnell steigt er parteiintern auf, ist von 2002 bis 2005 Landessprecher von ['solid] und von 2003 bis 2008 jugendpolitischer Sprecher erst des Landesvorstands und danach bis Mai 2010 des Bundesvorstands der Linken, wie die Partei seit ihrer Verschmelzung von PDS.Linkspartei und WASG im Juni 2007 heißt.

Schon bald kann sich Movassat, der Karl Marx und Che Guevara bewundert, vorstellen, die Politik im Hauptberuf zu betreiben. Sich mit dem politischen Gegner auseinandersetzen, Konzepte erarbeiten, wie man Dinge anders gestalten könnte, andere von den eigenen Positionen überzeugen, das ist sein Ding. Doch erst mal macht er Abitur, studiert dann in Düsseldorf Jura. Rechtzeitig vor den Bundestagswahlen, im April 2009, hat er sein erstes Staatsexamen in der Tasche.

Keine Wohnung, kein Büro, keine Mitarbeiter

Einige Monate später dann: Berlin. Alles neu, alles auf Anfang. Keine Wohnung, kein Büro, keine Mitarbeiter. Nur eine Postmappe in der Fraktionssitzung mit einem Haufen Briefen von Verbänden und Lobbyisten. Und viele erfahrene Kollegen, die alle genau wissen, wo es langgeht, weil sie schon so lange dabei sind.

Ein bisschen viel sei das alles am Anfang gewesen, findet Movassat, der von seinen ersten Erfahrungen im Bundestag mit viel Humor und Selbstironie berichtet. Ein halbes Jahr etwa habe er gebraucht, um im Berliner Politikbetrieb anzukommen.

Als Jurist ein Exot in der Fraktion

Und natürlich zahlt er als Parlamentsneuling Lehrgeld. Gerne wäre er in den Rechtsausschuss gegangen. Doch obwohl er als Diplomjurist eine Art Exot ist in seiner Fraktion, in der sich vor allem Sozialwissenschaftler tummeln, schafft er es nicht in seinen Wunschausschuss.

Stattdessen landet er im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, obwohl er mit internationaler Politik bis dato wenig am Hut hat. „Eine glückliche Fügung“, findet Movassat heute. Er ist nicht der Typ, der unerfüllt gebliebenen Wünschen lange nachtrauert. Dazu ist die Gegenwart viel zu spannend – und die Entwicklungspolitik sowieso.

Thema Welternährung

Außerdem, erklärt er, war ja für ihn ein zentraler Grund, politisch aktiv zu werden, die „fehlende soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Da ist das Thema Entwicklungspolitik unter dem Aspekt globale soziale Gerechtigkeit natürlich ein sehr guter Anknüpfungspunkt.“ Mit Feuereifer stürzt er sich in die neue Materie, getreu seinem Lebensmotto: Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.

Vor allem das Thema Welternährung treibt Movassat um. Zum Problem des Land Grabbing, also des Erwerbs großer Ländereien in Entwicklungsländern durch ausländische Regierungen und Unternehmen, hat er mehrere Anträge eingebracht. Auch die Nahrungsmittelspekulation an den internationalen Börsen kritisiert er scharf, da sie die Preise für Agrarrohstoffe in die Höhe treibe mit der Folge, dass sich viele Menschen in Entwicklungsländern keine Nahrungsmittel mehr leisten könnten.

Als Fachpolitiker wahrgenommen

Und er reist viel mit dem Ausschuss, nach Lesotho, Kongo,  Mosambik, Bangladesch – Länder, in denen er zuvor noch nie gewesen ist. Mitte Februar 2012 steht zudem eine Delegationsreise nach Ägypten und Tunesien auf dem Programm.

Die Umbrüche in der Region, der er sich allein schon aufgrund seiner Herkunft verbunden fühlt, verfolgt Movassat genau. Und er freut sich, dass er inzwischen nicht mehr nur aufgrund seines Alters, sondern auch als Fachpolitiker von den Medien wahrgenommen werde.

Schwierige parlamentarische Arbeit

Die parlamentarische Arbeit allerdings ist schwierig. Denn auch in der Entwicklungspolitik steht Movassats Fraktion mit ihren Positionen häufig isoliert da. Der Ärger darüber ist ihm anzumerken, wenn er feststellt: „Dass Anträge der Opposition immer niedergestimmt werden, war mir schon vorher klar. Aber dass die Koalitionsfraktionen oft keine stichhaltigen Argumente für ihre Ablehnung bringen und unsere Argumente einfach abbügeln, habe ich mir nicht so krass vorgestellt.“

Dennoch habe er „zu relativ vielen Kollegen aus anderen Fraktionen einen vernünftigen persönlichen Draht, auch wenn wir politisch-inhaltlich völlig andere Auffassungen haben“, erklärt er. Dass er Persönliches und Politisches trennen kann, auch das unterscheidet ihn von so manch einem Politikerkollegen. (nal)

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