Renoir. Rococo Revival.
Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 07.05.2024

Werbung
Werbung

Renoir. Rococo Revival.

Der Impressionismus und die französische Kunst des 18.Jahrhunderts

von Karl-Heinz Stier

(02.03.2022) Pierre-Auguste Renoir ist einer der herausragenden Maler des französischen Impressionismus – und weit mehr als das. Das Städel Museum befasst sich vom 2. März bis 19. Juni 2022 in einer groß angelegten Sonderausstellung erstmals intensiv mit den überraschenden Bezügen seiner Kunst zur Malerei des Rokoko.

Renoir: Ruderer bei Chatou, Öl auf Leinwand 879
Foto: Courtesy National Gallery of Art, Washington
***

Galt diese nach der Französischen Revolution zunächst als frivol und unmoralisch, so erlebte sie im 19. Jahrhundert eine fulminante Wiederbelebung und war zu Lebzeiten Renoirs überaus präsent. Als Porzellanmaler ausgebildet, war der Maler selbst bestens mit der Motivwelt von Künstlern wie Antoine Watteau, Jean-Baptiste Siméon Chardin, François Boucher und Jean-Honoré Fragonard vertraut. Renoir teilt mit dem Rokoko die Vorliebe für bestimmte Themen wie das Flanieren in Parkanlagen und am Flussufer, die Rast im Freien oder das Gartenfest. Ebenso widmete er sich der Darstellung häuslicher Szenen und befasste sich wiederholt mit dem familiären Beieinander sowie mit intimen Momenten wie dem Baden, Lesen oder Musizieren. Neben seiner Orientierung an der Motivwelt des Rokoko schätzte Renoir besonders die lockere und skizzenhafte Malweise sowie die leuchtende Palette dieser Werke, die sowohl für ihn als auch für zahlreiche weitere Künstlerinnen und Künstler im Umfeld des Impressionismus vorbildhaft waren.

Die Ausstellung im Städel stellt die komplexe Rezeptionsgeschichte des Rokoko im 19. Jahrhundert in Frankreich vor. Durch treffende Gegenüberstellungen der Kunst Renoirs mit Werken des 18. Jahrhunderts sowie seiner Zeitgenossen – Edgar Degas, Édouard Manet, Claude Monet oder Berthe Morisot – entsteht ein Einblick in die vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Rokoko im Impressionismus.

Ausgehend von bedeutenden Kunstwerken aus der Sammlung des Städel Museums, wie etwa Renoirs Nach dem Mittagessen, 1879, oder Antoine Watteaus Die Einschiffung nach Kythera, ca. 1709/10, präsentiert „RENOIR. ROCOCO REVIVAL“ insgesamt rund 120 herausragende Gemälde, Arbeiten auf Papier, Skulpturen und kunsthandwerkliche Objekte aus internationalen Museen, darunter die National Gallery of Art in Washington, D.C., das Musée d’Orsay in Paris, die National Gallery in London, das Metropolitan Museum of Art in New York und das J. Paul Getty Museum in Los Angeles sowie aus privaten Sammlungen.

„Renoir. Rococo Revival knüpft nicht nur an vorangegangene große Ausstellungen zur französischen Kunst der Moderne im Städel an, sondern schließt auch so manche Lücke in einem noch überraschend wenig erforschten Themenfeld des Impressionismus“, so Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums.

„Unsere Ausstellung regt dazu an, die facettenreichen Bezüge Renoirs und seiner Zeitgenossen zum 18. Jahrhundert in ihrer ganzen Vielseitigkeit zu erkunden. Tradition und Moderne befinden sich gerade bei Renoir in einem fruchtbaren Wechselspiel“, so das Kuratorenteam Alexander Eiling, Juliane Betz und Fabienne Ruppen.

Die Ausstellung verdeutlicht, dass der weibliche Akt zeitlebens ein zentrales Thema in Renoirs Gesamtwerk bildete. Renoir inszenierte seine Modelle vielfach als Badende vor landschaftlichen Kulissen. Vor allem Kompositionen von Boucher und Jean-Honoré Fragonard in der Sammlung des Louvre dienten ihm dabei als Vorbilder. Die freie und lebendige Pinselführung dieser Rokoko-Künstler sowie die pastellhafte Farbigkeit wirkten sich unmittelbar auf die Malweise Renoirs und seiner Zeitgenossen aus. Wie seine Vorbilder verortete Renoir seine Badenden zumeist fernab der Realität in einer undefinierten Umgebung, so etwa in den Gemälden Weiblicher Akt in einer Landschaft (Musée de l’Orangerie, Paris) und Badende mit Krabbe (Carnegie Museum of Art, Pittsburgh). In Anlehnung an die Werke des 18. Jahrhunderts stehen Renoirs Badende für eine offensive Hinwendung zur Sinnlichkeit: Der weibliche Körper galt dem Künstler als vollkommen und bildete deshalb den idealen Ausgangspunkt für seine malerische Erkundung des Schönen.

Zwar sah Renoir sich selbst als „Figurenmaler“, dennoch spielte auch die Landschaft als Motiv eine bedeutende Rolle, vor allem auf seinen Reisen. Der Künstler schätzte die Lichtsituation en plein air, die ihn zur Verwendung anderer Farbtöne anregte. Die in der Ausstellung gezeigten Landschaftsansichten in unterschiedlichen Medien, von der Öl- über die Aquarellmalerei bis zur Federzeichnung, veranschaulichen Renoirs variantenreiche und individuelle Strich- und  Pinselführung. Besonders in Aussagen zu seiner Mal- und Zeichenweise bezog sich der Künstler wiederholt auf das 18. Jahrhundert. Auch Kritiker sahen in der lockeren Pinselschrift seiner wie auch anderer impressionistischer Gemälde eine Parallele zum skizzenhaften Duktus der Rokoko-Malerei, vor allem zu den Werken Fragonards.

Für Renoirs fortwährende Auseinandersetzung mit der Malerei als solcher bildete die Gattung des Stilllebens schließlich ein wichtiges Experimentierfeld. Einige seiner zahlreichen Stillleben orientieren sich deutlich an der Kunst von Jean-Baptiste Siméon Chardin, dem bedeutendsten Stilllebenmaler des 18. Jahrhunderts. In diesen Gemälden geht es weniger um den symbolischen Gehalt der abgebildeten Gegenstände als um das Erkunden der Möglichkeiten der Malerei. Im Fall von Renoir spielte zudem, wie auch für andere Impressionisten, die Beliebtheit der dekorativen Motive bei den Sammlern eine Rolle.

Ort: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main. Information: www.staedelmuseum.de

Besucherservice: (069)605098-200, info@staedelmuseum.de sowie über das Kontaktformular unter www.staedelmuseum.de/kontakt
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So + Feiertage 10.00–18.00 Uhr, Do 10.00–21.00 Uhr

Tickets und Eintritt: Tickets online buchbar unter shop.staedelmuseum.de. Di–Fr 16 Euro, ermäßigt 14 Euro; Sa, So + Feiertage 18 Euro, ermäßigt 16 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren; Gruppen ab 10 regulär zahlenden Personen: 14 Euro pro Person, Wochenende 16 Euro. Für alle Gruppen ist generell eine Anmeldung unter Telefon +49(0)69-605098-200 oder info@staedelmuseum.de erforderlich.