Debatte um Atomausstieg: „Sie erzählen uns heute einen vom Pferd“ - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Debatte um Atomausstieg: „Sie erzählen uns heute einen vom Pferd“

Wirtschaft Ausstiegs-Debatte

„Sie hätten einfach sagen können: Wir als Grüne wollen keine Kernkraft mehr“

Wirtschaftskorrespondent
Wurden Vorgänge „vertuscht“? – Habeck und Lemke zu Atomausstieg

Der Bundestag debattierte auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU über das Thema „Kernkraft-Aus – Vorgänge um Bundesminister Habeck und Bundesministerin Lemke transparent aufklären“. Sehen Sie die Redebeiträge der Aktuellen Stunde hier im Video.

Quelle: WELT TV

Autoplay
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.
Im Bundestag debattieren die Parteien noch einmal über den Atomausstieg. SPD und Grüne verteidigen die Entscheidung, während die Opposition noch immer einen Skandal im Wirtschaftsministerium wittert. Zu einem Untersuchungsausschuss wird sie sich wohl dennoch nicht durchringen.

Als Robin Mesarosch ans Rednerpult tritt, spricht er zunächst nicht über Kernkraft, sondern über Pferde. Bei den Tieren sehe es im Galopp manchmal für einen Sekundenbruchteil so aus, als würden sie fliegen, weil alle vier Beine gleichzeitig in der Luft sind, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete.

Aber man müsse natürlich auch die Sekunden vor und nach der Momentaufnahme betrachten, um ein vollständiges Bild von der Realität zu bekommen. Genauso sei es auch mit der Entscheidung der Bundesregierung im Frühjahr 2022, die Laufzeit der drei letzten Atomkraftwerke zunächst nicht zu verlängern: Es reiche eben nicht, ein einzelnes Papier aus dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) anzuschauen, der Kontext sei nun mal auch wichtig.

„Sie erzählen uns heute einen vom Pferd“, sagt Mesarosch an die Abgeordneten der Union gewandet. „Sie behaupten, das Pferd würde fliegen.“ Für ihn sei die Sache klar: „Das Pferd Atomkraft ist tot, steigen Sie ab.“

Die Unionsfraktion hatte am Mittwoch eine Aktuelle Stunde im Bundestag mit dem Titel „Kernkraft-Aus – Vorgänge um Bundesminister Habeck und Bundesministerin Lemke transparent aufklären“ durchgesetzt. Seit vor gut zwei Wochen das Magazin „Cicero“ über einen Vermerkentwurf aus dem Wirtschaftsministerium aus dem März 2022 berichtet hatte, wirft die Union Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) vor, längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke nicht wie versprochen ergebnisoffen geprüft, sondern aus ideologischen Gründen die Abschaltung trotz Energiekrise durchgezogen zu haben.

Immerhin rhetorisch gibt es mit dem Pferdevergleich in der Bundestagsdebatte etwas Originelles zu hören, denn inhaltlich sind die Argumente längst ausgetauscht. Schon vor Wochen hatten Habeck und Lemke in Sondersitzungen der zuständigen Ausschüsse des Parlaments ihre Sicht der Dinge dargelegt: Zwar wird in dem Papier aus der Fachabteilung des Wirtschaftsministeriums empfohlen, eine Laufzeitverlängerung wegen der Energiekrise weiter zu prüfen.

Dass sich die beiden Minister wenige Tage später dann aber zunächst trotzdem festlegten, dass es beim Ausstieg zum Jahresende 2022 bleiben sollte, habe daran gelegen, dass die Atomkraftwerksbetreiber in Gesprächen erklärt hatten, dass kaum zusätzliche Strommengen erzeugt werden könnten. Die Brennelemente seien am Ende ihrer Laufzeit angekommen und es dauere über ein Jahr, neue zu bestellen.

Tatsächlich ist mit Dokumenten der Kraftwerksbetreiber belegt, dass das der Stand der Diskussion im März 2022 war. Hinzu kam, dass Russland zu diesem Zeitpunkt noch Erdgas lieferte, erst im Sommer 2022 eskalierte der russische Präsident Wladimir Putin den Energiekrieg und stellte die Lieferungen ein. Daraufhin entschied Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass die Atomkraftwerke dreieinhalb Monate länger bis Mitte April 2023 laufen sollten.

Die Union will sich mit diesen Erklärungen nicht zufriedengeben. „Alle, aber wirklich alle Ihre Behauptungen von damals waren falsch und sie waren übrigens auch schon damals falsch“, sagt Jens Spahn (CDU) am Mittwoch in der Aktuellen Stunde. „Sie haben unserem Land mit der Entscheidung, die Kernkraftwerke mitten in der Energiekrise abzuschalten, schweren Schaden zugefügt.“

Die Vermerke der Experten seien „umgeschrieben“ und „verfälscht“ worden. „Atomausstieg koste es, was es wolle, das war Ihre Devise mitten in der Krise“, sagt Spahn. „Sie hätten einfach sagen können: Wir als Grüne wollen keine Kernkraft mehr, das Lebenswerk von Jürgen Trittin ist uns mehr wert als das Wohl des Landes.“ Wenn es wirklich eine ergebnisoffene Prüfung einer Laufzeitverlängerung gegeben habe, müsse es dafür ja schriftliche Belege geben, die sollten die grünen Minister endlich vorlegen. „Widerlegen Sie, dass Sie Parteiinteressen über die Interessen des Landes gestellt haben.“

An dieser Stelle finden Sie Inhalte von Drittanbietern
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.
Anzeige

Doch wie alle anderen Redner der Unionsfraktion an diesem Tag, scheut auch Spahn davor zurück, konkret einen Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg zu fordern. Stattdessen kündigt er wolkig an, man werde „auch parlamentarisch alles Notwendige tun“, um für Aufklärung zu sorgen.

Helmut Kleebank (SPD) bezeichnet Spahns Vorwürfe als „bloße Propaganda, um die Verunsicherung im Land zu verstärken“. Noch deutlicher wird sein Fraktionskollege Mesarosch nach seinem Pferde-Vergleich: Er wirft der Union „populistische Methoden“ vor, die Opposition lasse bewusst den Kontext weg und versuche „ein Gefühl zu erzeugen, da ginge irgendetwas nicht mit rechten Dingen zu“, sagt er. „Sie erfinden einen Skandal, wo keiner ist.“

Eine seltsame Zwischenrolle nehmen an diesem Tag im Parlament die FDP-Redner ein. Die wollen zwar in den konkreten Papieren aus den Ministerien inzwischen auch keinen Skandal mehr sehen, lediglich zu wenig Transparenz und zu zögerliche Aufklärung könne man dem Koalitionspartner vorwerfen. „Es geht nicht um einen Vermerk und wer ihn wann gelesen hat“, sagt der energiepolitische Sprecher Michael Kruse. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass von den grünen Ministern nicht alles getan wurde, um diese Krise abzuwenden.“

Große Koalition hat elf Atomkraftwerke abgeschaltet

Habeck selbst betont in seiner Rede, dass es aus seiner Sicht nicht geschadet habe, die Atomkraftwerke abzuschalten. „Gut ein Jahr nach dem Atomausstieg haben sich die Unkenrufe von einigen nicht bewahrheitet“, sagt er. „Wir haben nicht Atomstrom durch Kohle ersetzt, sondern durch den Ausbau von erneuerbaren Energien.“ Es habe kaum Preissteigerungen durch den Wegfall der Kernenergie gegeben, die Effekte seien „vernachlässigbar gering“.

Dann ging der Wirtschaftsminister selbst zur Attacke auf die Union über: „Der Energieangriff, den Putin auf Deutschland geplant hatte, war für jeden sichtbar“, sagt er. Es sei eine „fatale Fehleinschätzung“ der unionsgeführten Vorgängerregierung gewesen, sich so abhängig von Russland und seinen Gaslieferungen zu machen. „Vorsicht mit Ursache und Wirkung“, mahnt Habeck.

Unter der großen Koalition von CDU/CSU und SPD seien elf Atomkraftwerke abgeschaltet worden, die Ampel-Regierung habe hingegen nur drei Meiler vom Netz genommen. Er habe die Informationen, die ihm vorgelegen hätten, zu jedem Zeitpunkt transparent dargestellt.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant