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Epik / Prosa

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Roman

Den 1949 erschienenen Jugendroman hatte Kästner bereits in der NS-Zeit als Film-Treatment konzipiert; aufgrund eines Schreibverbots musste er aber bis nach 1945 mit der Weiterbearbeitung warten. 1950 wurde der Roman, begünstigt durch dessen modernen filmischen Erzählstil, schließlich sehr erfolgreich verfilmt.

Zwei kleine Mädchen, die freche Wienerin Luise Palfy und die manierliche Lotte Körner aus München, stellen beim zufälligen Zusammentreffen im Ferieninternat Seebühl erschrocken fest, dass sie Zwillinge sind, die kurz nach der Geburt wegen der Scheidung ihrer Eltern getrennt wurden – Luise wuchs beim wohlhabenden Vater, einem Komponisten, auf, Lotte bei der hart arbeitenden Mutter. Nach anfänglichen Querelen schließen die beiden „Lottchen“ engste Freundschaft und fassen einen Plan: Am Ende der Ferien tauschen sie die Rollen und reisen je zu dem bis dato unbekannten Elternteil. Der ‚Töchterwechsel‘ fällt den Eltern der äußerlichen Gleichheit der Mädchen wegen zwar nicht auf, jedoch sorgen ihre charakterlichen Gegensätzlichkeiten sowie ihre ungleichen Begabungen für erhebliches Chaos: Mutters „Lotte“ hat ihre zuvor glänzenden häuslichen Fähigkeiten verloren und weiß in der Schule nicht mehr weiter, „Luise“ erstaunt den Vater einerseits durch ihre neu gewonnene Höflichkeit, verschmäht andererseits plötzlich ihre Leibspeise. Als dann der Vater seine neue Freundin heiraten will, wollen die Zwillinge – stets in postalischem Kontakt – dies um jeden Preis verhindern. Die ‚echte‘ Lotte erkrankt in ihrem Kummer schwer, woraufhin Luise der misstrauisch gewordenen Mutter alles beichtet; die beiden reisen umgehend nach Wien. Die Wiedervereinigung der Mädchen initiiert ihren festen Entschluss, sich niemals mehr trennen zu lassen. So schaffen sie es tatsächlich, die Eltern erneut zusammenzubringen: Eine zweite Heirat macht den glücklichen Ausgang perfekt.

Das Thema Scheidung in einem Kinderbuch zu behandeln, erschien zur Publikationszeit des Romans außerordentlich gewagt und regte heftige Diskussionen an. Im Kanon der Kästner'schen Kinderbücher tut sich Das doppelte Lottchen überdies besonders hervor, weil es eine sehr moderne Mutterfigur enthält – alleinerziehend, berufstätig, unabhängig – und weil der Part des mustergültigen Kindes durch ein Mädchen, die tugendhafte Lotte, besetzt ist.

Kästner hatte für das scheinbar so harmlos-muntere Buch ursprünglich ein Vorwort vorgesehen, welches jedoch nie veröffentlicht wurde; es verortet die Handlung explizit in der Trümmerlandschaft der Nachkriegszeit. Der Entschluss gegen eine derartige Historisierung impliziert, dass eben nicht die Problematik der Kriegseinwirkung auf die Gesellschaft, sondern der Familienalltag im Zentrum stehen sollte. Bis ins 21. Jh. hinein wurde und wird der Stoff in zahlreichen Filmprojekten (u. a. in Japan und den USA) verarbeitet.