2014: Neue Vorkämpfer für die Antike | Translocations. Ikonographie

2014: Neue Vorkämpfer für die Antike

Kommentiert von: Adina Kaselowksi und Antonia Peter

Materialbeschreibung

Bei der Abbildung handelt es sich um ein Still (6:48 min.) aus dem 2014 veröffentlichten Spielfilm »Promachos – The first Line«. Die griechisch-amerikanischen Brüder Coerte und John Voorhees schrieben das Drehbuch, führten Regie und produzierten den 91 Minuten langen Film.

Kurze Zusammenfassung

Die Hoffnung auf die Rückgabe der Elgin Marbles ist es, was die beiden jungen griechischen Anwälte Andreas und Eleni in dieser fiktiven Filmgeschichte antreibt. Inspiriert von dem symbolträchtigen historischen Standbild der Athena Promachos (griechisch Πρόμαχος: Vorkämpfer) kämpfen sie an vorderster Front um die Rückkehr der entwendeten Kunstschätze.

Kommentar

Die Knöchel der Hand, in der Andreas Orestis seine schwarze Aktentasche trägt, treten hervor. In einem ebenfalls schwarzen Anzug gekleidet, schreitet er auf eine den gesamten Mittelgrund füllende, von dünnen schwarzen Trägern durchzogene Glaswand zu. Dahinter öffnet sich ein weitläufiger Blick zur Athener Akropolis, welche vor einem fast weißen Himmel in die Höhe ragt. Links neben der fachliche Bildung und Professionalität ausstrahlenden Gestalt Andreas befinden sich drei Objekte auf hohen, grauen Sockeln. Es handelt sich hierbei um Bruchstücke von figürlichen Darstellungen aus dem östlichen Pediment des Parthenons. Insbesondere ein Pferdekopf mit geöffnetem Maul und zurückgelegten Ohren sticht ins Auge. Auffällig an diesem ursprünglich zu einem Zweigespann der Mondgöttin Selene gehörenden Fragment (vgl. King 2006: 83) ist die monochrome, helle Oberfläche. Diese weist das Stück als einen Abguss aus. Das Original befindet sich nicht in Athen, sondern im British Museum in London als Teil der sogenannten Elgin Marbles. Die unter diesem Namen bekannt gewordenen Marmorskulpturen und -fragmente waren ab dem Jahr 1801 auf Veranlassung des damaligen britischen Botschafters im Osmanischen Reich, Lord Elgin, vom Parthenon entfernt und nach London verbracht worden (vgl. Marijnissen 2002: 9).  

Nach dem 1816 erfolgten Ankauf durch die britische Regierung sind sie seit 1817 im British Museum öffentlich ausgestellt (vgl. St. Clair 1998: 261). Über die rechtlichen, aber auch die moralischen Aspekte dieses Kulturguttransfers wird bereits seit Elgins Lebzeiten gestritten (vgl. Hitchens 1987: 31). Die wiederholt gestellten Restitutionsforderungen Griechenlands an das British Museum wurden (und werden weiterhin) von diesem mit dem Verweis auf eine ganze Reihe von Gründen abgewiesen (vgl. BM online).

Im Kontext der Auseinandersetzung um die Elgin Marbles steht auch das im Jahr 2009, nach jahrzehntelanger turbulenter Baugeschichte, eröffnete Akropolismuseum in Athen (vgl. DLF online). Den Höhepunkt der musealen Präsentation stellt hierbei die Parthenon-Galerie im obersten Stockwerk des Gebäudes dar: Im genauen Maßstab und in exakt paralleler Ausrichtung zu seinem Original wurde hier der Parthenon nachgebaut, um die in Griechenland verbliebenen Fragmente der Weltöffentlichkeit zu präsentieren (vgl. Servi 2011: 96). Zugleich setzen die ebenfalls ausgestellten Abgüsse ein Statement für die Restitution (vgl. WELT online). Diese, durch ihre auffällig helle Farbigkeit eindeutig als Kopien zu identifizierende, markieren ohne Worte und dennoch unmissverständlich die weiterhin andauernde Abwesenheit der Originale (vgl. FOCUS online).

An diesem bedeutungsträchtigen Ort also treffen sich Andreas Orestis und Petros Demos, Direktor des Akropolismuseums, um über ihr Vorgehen im Kampf um die Rückgabe der Elgin Marbels zu beraten. Gemeinsam haben sich die Protagonisten das Ziel gesetzt, die Rückkehr der Marbles nach Griechenland durch rechtliche Schritte einzuleiten.

Bei »Promachos« handelt es sich um den ersten Spielfilm, der sich mit dem Schicksal der Elgin Marbles auseinandersetzt. Während Filme wie »Monuments Men« (2014), »Cascadeur – Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer« (1998) oder »Der Raub der Mona Lisa« (1966) ebenfalls weltberühmte Kulturgutverlagerungen als Vorlage nutzen, wurde die Geschichte der Elgin Marbles bis 2014 in Hinsicht auf Filmformate lediglich als Dokumentation aufbereitetet, wofür beispielhaft der BBC-Drama Documentary »The Elgin Marbles« aus dem Jahr 2004 steht (vgl. DOCUWIKI online).

Mit »Promachos« reihen sich die Voorhees-Brüder folglich in zwei Traditionsstränge ein. Zum einen in die seit Jahrzehnten gepflegte Thematisierung von Kulturgutverlagerungen durch Spielfilme und zum anderen in die seit rund zwei Jahrhunderten immer wieder aufflammende Debatte um eine mögliche Restitution der Elgin Marbles. Die von ihnen gewählte fiktionalisierende Herangehensweise im Medium Film hebt letztere auf eine kontemporäre und zugleich populäre Ebene. Darüber hinaus evoziert die Titelwahl der Gebrüder Voorhees eine symbolische Verknüpfung der Gegenwart zurück bis in die Antike, hin zur Athena Promachos. Deren kolossales Standbild, nach dem Sieg der Athener über die Perser erschaffen, stand symbolhaft für die Größe und die Bedeutung Athens und seiner Bürger (vgl. Muss und Schubert 1988: 167-169). Im Geiste dieser Vorkämpferin sind es nun junge, engagierte Griechen, welche sich in ihrer Verbundenheit mit ihrer Stadt dem Kampf um die Schätze der Akropolis angenommen haben.

Dieser Kommentar entstand im Rahmen des Projektseminars ‚Kulturgutverlagerungen seit der Antike: ein kommentierter Bildatlas‘.

Literatur

Christopher Hitchens, The Elgin marbles – should they be returned to Greece?, London 1987.

Dorothy King, The Elgin marbles, London 2006.

Roger H. Marijnissen, The case of the Elgin Marbles, Gent 2002.

Ulrike Muss, Charlotte Schubert, Die Akropolis von Athen, Graz 1988.

Katerina Servi, The Acropolis: the Acropolis Museum, Athen 2011.

William St. Clair, Lord Elgin and the marbles. The controversial history of the Parthenon sculptures, Oxford 1998.

Internetquellen

BM online: https://www.britishmuseum.org/about_us/news_and_press/statements/parthenon_sculptures.aspx, letzter Zugriff am 30.05.2019.

DLF online:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/wem-gehoert-der-parthenon fries.1005.de.html?dram:article_id=158816, letzter Zugriff am 30.05.2019.

WELT online:
https://www.welt.de/kultur/article1772020/So-grossartig-wird-das-neue-Akropolis-Museum.html, letzter Zugriff am 30.05.2019.

FOCUS online:
https://www.focus.de/kultur/kunst/akropolis-museum-preziosen-der-antike_aid_409557.html, letzter Zugriff am 30.05.2019.

DOCUWIKI online:
http://docuwiki.net/index.php?title=The_Elgin_Marbles, letzter Zugriff am 30.05.2019.

Empfohlene Zitierweise:
2014: Neue Vorkämpfer für die Antike, kommentiert von Adina Kaselowksi und Antonia Peter, in: Translocations. Ikonographie: Eine Sammlung kommentierter Bildquellen zu Kulturgutverlagerungen seit der Antike, https://transliconog.hypotheses.org/kommentierte-bilder-2/2014-neue-vorkaempfer-fuer-die-antike, veröffentlicht am 04.10.2019.
Suche in OpenEdition Search

Sie werden weitergeleitet zur OpenEdition Search