„Wunschkind“ erz�hlt im Stile einer dramatischen Momentaufnahme von drei Frauen, deren Lebenssituation sich innerhalb weniger Tage grundlegend ver�ndert hat. Eine 17-j�hrige erf�hrt, dass sie als Baby adoptiert wurde, und steht pl�tzlich zwischen zwei M�ttern. Psychologisch stimmig n�hert sich die Autorin Jacqueline Tillmann den drei Biographien ihrer Protagonistinnen und der dramatischen Was-w�re-wenn-Situation. Kein Lebensentwurf wird gegen den anderen ausgespielt. Stimmige Situationen, gute Dialoge, tolle Schauspieler.
Foto: Degeto / Marion von der MehdenDie guten Zeiten zwischen Mutter und Tochter sind vorbei... Block & Genzkow
In den letzten Jahren, seit dem Tod des Vaters, ist das Verh�ltnis von Carolin enger denn je zu ihrer Mutter Claudia. Die 17-J�hrige kann sich sogar vorstellen, beruflich in die Fu�stapfen ihrer Mutter zu treten, die in einem Hamburger Krankenhaus als Kinder�rztin arbeitet. Ein Sch�lerpraktikum ist ein erster Schnupperkurs f�r das M�dchen. Ausgerechnet an ihrem Geburtstag erf�hrt sie durch einen dummen Zufall, dass sie adoptiert wurde. Carolin ist au�er sich und macht ihrer Mutter schwere Vorw�rfe: „17 Jahre l�gst du mir ins Gesicht.“ Sie schaltet auf Totalkonfrontation, spricht nur noch von ihrer „richtigen Mutter“, die im Hamburger Kiez als Kosmetikerin arbeitet. Mutter Claudia kommt Carolins Besuch bei ihrer leiblichen Mutter zuvor. „Sie wird ihr nicht gut tun“, bef�rchtet sie – und sie soll recht behalten: „Wie auch immer du hei�t, lass mich in Ruhe“, motzt Chantal Singer das M�dchen an, als es eines Abends vor ihrer T�r steht. Doch tags darauf sieht die Sache schon anders aus. Carolin, die Jasmin genannt werden will, und Chantal kommen sich n�her, sie haben Spa�, w�hrend Carolins Kr�ftemessen mit Claudia immer aggressivere Z�ge annimmt.
Foto: Degeto / Marion von der MehdenEher gute Freundin als kontrollierendes Muttertier: die "leibliche" Mutter (Julia Brendler) ist f�r Carolin/Jasmin (Carolyn Genzkow) ab sofort die "richtige" Mutter.
Adoptivgeschichten sind schon fast ein eigenes Genre im Fernsehen. „Wunschkind“ erz�hlt im Stile einer dramatischen Momentaufnahme von drei Frauen, deren Lebenssituation sich innerhalb weniger Tage grundlegend ver�ndert hat. Die Tochter verliert von einer Minute zur anderen die Parameter ihrer Identit�t. Fortan schwankt sie zwischen himmelhoch jauchzend und zutiefst betr�bt. Sie ist mit 17 Jahren nicht in der Lage, der Situation anders als �beremotional und �berdramatisch zu begegnen. Die soziale Mutter wird von der Angst, Carolin zu verlieren und – wie nach dem Tod des Mannes – wieder in Depressionen zu verfallen, und zugleich von der Sorge um ihre Tochter beherrscht. Und die leibliche Mutter erkennt nach der Kennlernphase, dass sie Carolin/Jasmin nicht das geben kann, was ihr Claudia 17 Jahre lang gegeben hat. Das Auftauchen ihrer Tochter ist f�r sie lebendiger Beweis daf�r, wie wenig sie ihr Leben geregelt bekommt. Alle drei Figuren werden gleicherma�en „ernst“ genommen, kein Lebensentwurf wird gegen den anderen ausgespielt. Verhalten wird nicht moralisch gewertet. Der Zuschauer muss selbst erkennen, wo die Beziehungen in Schieflage geraten, wo die Figuren ungerecht, wo ihre Verstrickungen ungesund sind.�
Foto: Degeto / Marion von der MehdenNichts als Vorw�rfe... "Ich hasse dich!" Kirsten Block, Genzkow und Martin Feifel
Psychologisch stimmig n�hert sich die Autorin Jacqueline Tillmann den drei Biographien ihrer Protagonistinnen und der dramatischen Was-w�re-wenn-Situation. Kontrollfreak-Mutter, die alles besser wei�, und Flippie-Mutter, die die Tochter als Freundin sieht, sind die beiden Pole, zwischen denen sich die Tochter entscheiden muss. Und irgendwann glaubt diese, statt zwei nun gar keine Mutter mehr zu haben. Ein bisschen nachhelfen muss da nicht nur die Tochter (ein SMS-Hilferuf bleibt unbeantwortet), auch die Autorin muss die Wende zur Selbsterkenntnis mit einer dramatischen Aktion einl�uten. Das ist sicher nicht das �berzeugendste an „Wunschkind“, aber irgendwie muss der Degeto-Film sein Happy End ja finden, ein Happy End, das man aber als Zuschauer den Figuren (und sicher auch sich selbst) durchaus g�nnt. Am meisten ein f�r diesen unterhaltsamen „Problemfilm“ nimmt der realistische Ton im Detail, in den Dialogen, den Situationen – und die Kr�nung ist die �berragende Besetzung: Kirsten Block, Carolyn Genzkow, Julia Brendler und Martin Feifel – da stimmen die Gesten, die Gef�hle und da kommen die gelegentlich „krassen“ S�tze richtig.
Foto: Degeto / Marion von der MehdenUnd dann hat das M�dchen pl�tzlich das Gef�hl, gar keine Mutter mehr zu haben!
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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