Der erste „Erzgebirgskrimi” war ein sehenswerter Regionalkrimi mit guter Geschichte und interessantem Ensemble, der zweite ist mindestens eine Klasse schlechter. Das liegt zwar auch an der Handlung, die letztlich nicht mehr als ein Sammelsurium sattsam bekannter Krimiklischees ist, aber vor allem an der Inszenierung: weil die Regie die beiden Hauptdarsteller immer wieder schlecht aussehen l�sst. Angesichts der H�ufung vielsagender Blicke, die sich Kai Scheve und Lara Mandoki bei Befragungen zuwerfen m�ssen, l�sst sich „T�dlicher Akkord (ZDF / NFP, RJF) irgendwann nicht mehr ernst nehmen. Endg�ltig fast zur Farce wird der Film, wenn das Ermittlerduo st�ndig das Offensichtliche aussprechen muss. Zu allem �berfluss hat Kai Scheve nicht das Format von Vorg�nger Stephan Luca.
Der Auftakt zur neuen ZDF-Reihe aus dem Erzgebirge, „Der Tote im Stollen“, war ein klassischer Regionalkrimi mit guter Geschichte und interessantem Ensemble. Vier Monate sp�ter folgt bereits die zweite Episode, aber sie muss ohne Stephan Luca auskommen; sein Nachfolger als Hauptdarsteller ist Kai Scheve. Die gute Nachricht: Der Film tut nicht so, als habe Scheve die Figur schon immer gespielt. Der Hauptkommissar hei�t nun Robert Winkler, doch die Rollenbeschreibung ist �hnlich: Wie sein nach Berlin zur�ckgekehrter Vorg�nger hatte auch der Neue einst ein traumatisches Erlebnis. Das Drehbuch (wieder von J�rgen Pomorin alias Leo P. Ard sowie Produzent Rainer Jahreis) legt die Figur allerdings noch etwas differenzierter an: Der Polizist ist ein Einheimischer, hat das Erzgebirge jedoch als junger Mann nach einem Autounfall, bei dem seine Freundin gestorben ist, verlassen.
Foto: ZDF / Uwe Frauendorf"T�dlicher Akkord" ist ein deutlicher Abstieg im Vergleich zur Einstandsepisode des "Erzgebirgskrimis". Kai Scheve, der Luca ersetzt, Lara Mandoki, Teresa Wei�bach
Gute Voraussetzungen also, um trotz des Wechsels nahtlos an den sehenswerten Auftakt anzukn�pfen. Die schlechte Nachricht: Scheve ist nicht Luca, auch wenn er als Nebendarsteller etwa in mehreren „Spreewaldkrimis“ seine Sache ausgezeichnet gemacht hat. Dass der Eindruck, den er im zweiten „Erzgebirgskrimi“ hinterl�sst, bei Weitem nicht so gut ist, hat auch viel mit der Regie zu tun: Ulrich Zrenner hat gerade die Dialogszenen zuweilen auf dem Niveau einer Kinderkrimiserie inszeniert. Er f�hrt seit drei�ig Jahren Regie und hat f�rs ZDF viele Reihenfilme und Serienfolgen gedreht; beim Schnitt h�tte ihm eigentlich auffallen m�ssen, dass es auf Dauer unfreiwillig komisch bis l�cherlich wirkt, wenn sich Winkler und seine junge Kollegin Szabo (Lara Mandoki) bei jeder Befragung vielsagende Blicke zuwerfen m�ssen, weil Zeugen oder Verd�chtige vermeintlich wichtige Informationen preisgeben. Den Darstellern ist dabei gar kein Vorwurf zu machen, aber nat�rlich f�llt diese reichlich unelegante Art, die Bedeutung einer Aussage zu unterstreichen, auf sie zur�ck. Dass Scheve Fragen oft falsch betont, sodass sie nicht spontan, sondern auswendig gelernt klingen, ist hingegen Sache des Schauspielers, aber Zrenner anscheinend nicht aufgefallen.
Foto: ZDF / Uwe FrauendorfEine Bergmannblaskapelle steht im Mittelpunkt des Whodunit. Selbst namhafte Schauspieler wie Tim Bergmann & Katharina Lorenz k�nnen den Film nicht retten.
Merkw�rdig auch, dass er mitunter viel zu sp�t schneidet: Das Gespr�ch ist beendet, alles ist gesagt, doch die Schauspieler m�ssen sich immer noch anstarren, als warteten sie darauf, dass der Regisseur endlich „Cut!“ ruft. Endg�ltig nicht mehr ernst zu nehmen ist der Krimi, wenn Winkler und Szabo mehrfach das f�r Jedermann Offensichtliche in Worte fassen.
Angesichts solcher handwerklicher Fehler, die offenbar auch bei der redaktionellen Abnahme nicht angesprochen worden sind, ger�t die ohnehin nicht berauschende Geschichte fast in den Hintergrund. Die beste Idee der beiden Autoren war die Verkn�pfung der Handlung mit dem regionalen Brauchtum: S�mtliche Verd�chtigen sind Mitglied einer Bergmannblaskapelle, die zum Auftakt selbstredend „Gl�ck auf, der Steiger kommt“ spielt. Der Prolog des Films ist sogar richtig fesselnd: Eine Frau schlendert durch den Wald, Nebel wallen, die Musik dr�ut unheilvoll. Dann wird es spannend, sie rennt davon – und schl�gt nat�rlich der L�nge nach hin; wenn Frauen durch den Wald fliehen, st�rzen sie immer. Fortan reihen die Autoren ein Krimiklischee ans andere, damit m�glichst viele der handelnden Personen der Reihe nach in Verdacht geraten: entt�uschte Liebe, Eifersucht, Erpressung und lauter falsche Alibis; hinzu kommen ein Umweltskandal, ein unerf�llter Kinderwunsch, noch mehr Eifersucht und noch ein Mordopfer. Halbwegs �berraschend ist allein der Schluss.
Soundtrack: Madrugada („Electric“), Johnny Cash („Country Boy“), Nathaniel Rateliff & the Night Sweats („Howling At Nothing”)
Die Vielzahl erfahrener und durchaus namhafter Mitwirkender l�sst vermuten, dass das Drehbuch wom�glich besser war als seine Umsetzung; zur Orchesterbesetzung geh�ren Tim Bergmann, Katharina Lorenz, Florian Panzner und Esther Zimmering. Interessanter als die verschiedenen Versatzst�cke sind die regionalen Bez�ge; gedreht wurde unter anderem in einem gro�en einheimischen Unternehmen, das Musikinstrumente herstellt. Einsamer H�hepunkt ist eine Verfolgungsjagd, die zumindest teilweise w�hrend des echten Umzugs zum traditionellen Schneeberger Bergstreittag gefilmt worden ist. Die Schnitte verraten zwar allzu deutlich, dass die Schauspieler nach der �berwindung diverser Hindernisse nicht selbst gelandet sind, aber die Szene ist insgesamt recht eindrucksvoll.
Foto: ZDF / Uwe FrauendorfWas birgt wohl der verschwundene Laptop? Wollen wir's wissen?! Teresa Wei�bach, Adrian Topol, Lara Mandoki und Kai Scheve. Ein Plus: die regionale Verankerung
Ansonsten tr�gt neben einem Ausflug ins nahegelegene tschechische Karlsbad vor allem Teresa Wei�bach zur regionalen Verankerung des Films bei. Sie darf als F�rsterin wie schon im ersten Teil ein bisschen mitermitteln und ist in der Gegend aufgewachsen, weshalb sie auch zumindest andeutungsweise Dialekt spricht. Scheve ist zwar ebenfalls geb�rtiger Erzgebirgler, aber Winkler hat lange in Bremen gelebt und dort wohl seinen Akzent abgelegt. Au�erdem fremdelt er wegen des damaligen Unfalls ein bisschen mit den Einheimischen; hier legt das Drehbuch eine clevere Spur f�r die n�chsten Filme. Lara Mandoki hat ein paar freche Dialog-Zeilen, und die Flirts mit dem Kriminaltechniker (Adrian Topol) sorgen f�r sympathische Momente, zumal Zrenner und Kameramann Wolf Siegelmann recht angetan von den gro�en blauen Augen der Schauspielerin waren. Davon abgesehen verdeutlicht eine musikalische Einspielung, wie schlicht dieser Film funktioniert: Die Ermittler weisen sich gegenseitig auf die Cowboy-Stiefel eines Verd�chtigen hin, und schon erklingt Johnny Cashs „Country Boy“.
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.