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Devot – Kritik

In Igor Zaritzkis Zwei-Personen-Film erzählt Anja Geschichten, von denen nicht klar wird, ob sie ihr selbst widerfahren sind. Sie ist Henrys Geschichtenerzählerin, der sie in seinem Loft gefesselt hat, weil sie ihn bestehlen wollte. Der Film möchte ein Beitrag zu den Problemen Identität und Identitätssuche sein, bleibt aber an der schönen Oberfläche. Eine größtenteils enttäuschend langweilige Spielerei.

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„Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält“ heißt es in Max Frischs 1964 erschienenem Roman Mein Name sei Gantenbein. Mit den Ambivalenzen der Identität und den Schwierigkeiten der Identitätssuche hat sich der Schweizer Erzähler sein Leben lang auseinandergesetzt und Igor Zaritzki, Drehbuchautor und Regisseur von Devot, nähert sich in seinem ersten Kinospielfilm nun den gleichen Problemen – aber auf andere Weise. Mit einem dem Film vorangestelltem Motto wird der Hinweis auf Frisch zwar explizit gegeben, aber wohl nur, um den Film erkennbar auf eine intellektuelle Ebene zu heben, von der er sich allzu schnell wieder entfernt.

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Henry, ein gutaussehender und offenbar vermögender Künstler, liest auf der Straße die Prostituierte Anja auf. In seinem Loft stellt sich aber schnell heraus, dass die schöne Rothaarige nicht nur blond, sondern auch gar keine Prostituierte ist. Da sie Henry zu bestehlen versucht, fesselt er Anja. Er erklärt ihr, wer Scheherazade war und bietet ihr an, sich nun auch über Nacht frei-zu-erzählen. Also beginnt Anja, Geschichten zu erzählen...

Zaritzki führt ein Zwei-Personen-Stück auf, das nach kürzester Zeit und aus mehreren Gründen nicht mehr funktioniert. Durch die Handlung erfährt der Zuschauer nichts über die Personen, ihre Beweggründe und – dies vor allem – ihre Identität. Erzählt Anja von sich? Oder lügt sie etwas zusammen, um Henry zu entkommen? Und warum lässt Henry sie nicht einfach gehen? Oder gibt es – über Dritte – vielleicht sogar eine Verbindung zwischen den beiden? Erklärt sich Anjas suizidale Neigung daraus, dass die Geschichten, die sie erzählt, tatsächlich ihr Leben darstellen?

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Auch auf der Ebene der Inszenierung werden diese Fragen nicht beantwortet, ja meist nicht einmal aufgenommen. Das beginnt bei den Schauspielern: Während sich Annett Renneberg noch die Mühe macht, verrucht zu erscheinen und tatsächlich etwas Geheimnisvolles in ihrer Figur zu evozieren vermag, starrt Simon Böer meist sehr ausdrucksarm vor sich hin oder zeigt seinen trainierten Oberkörper. Eine anspruchsvoll-interessante Visualisierung von Dialogen in Filmen mit nur zwei handelnden Personen ist ohnehin äußerst schwierig, da die hier noch eingeschränkteren filmischen Ausdrucksmittel der Inszenierung nur sehr wenige Möglichkeiten lassen. Es wäre mehr als nur eintönig, wenn Gespräche über 90 Minuten ausschließlich als Schuss-Gegenschuss-Aufnahmen erzählt würden – und vor allem mit Joseph L. Mankiewiczs Sleuth (Mord mit kleinen Fehlern, 1972, Kamera: Oswald Morris) oder auch Romuald Karmakars Der Totmacher (1995, Kamera: Fred Schuler) lässt sich zeigen, dass dies auch gar nicht nötig ist. Igor Zaritzki und sein Kameramann Guntram Franke aber inszenieren die Gespräche über weite Strecken ausschließlich als Schuss-Gegenschuss-Aufnahmen und so füllen sie monoton die Leinwand meist mit dem erzählenden Anja-Gesicht oder dem zuhörenden Henry-Gesicht.

Mit „Sex and Crime“ wird das Gerede der Beiden mitunter durchbrochen, aber auch diese Szenen überzeugen nicht, da sie entweder zu betont auf oberflächliche Schockeffekte und Spannung setzen oder unfreiwillig komisch sind. Die Sex-Szene etwa, auf die der Film von Anfang an erkennbar hinsteuert, enttäuscht dann nicht nur durch ihre konventionelle Machart. Sie ist fast peinlich, weil sie erkennbar auf Nagisa Ōshimas Im Reich der Sinne (Ai no corrida, 1977) anspielt; wo aber bei Ōshima alles – besonders das Ästhetische – aufs Spiel gesetzt wird, bleibt Zaritzkis Szene schön und ästhetisch und damit eine vordergründige Spielerei.

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Die Frage nach der Identität, vor allem mit der Figur der Anja zu Anfang gestellt, greift der Film kaum ernsthaft auf. Er verliert sich zunehmend – in zum Teil sehr konstruierten – Spannungselementen und lässt ohnehin die meist bemüht mit dem Sexuellen konnotierte Konstellation zwischen Anja und Henry in den Mittelpunkt treten. Die unterwürfige, devote Haltung, in die Anja dabei zunächst gezwungen wird, füllt sie nur scheinbar aus, und so ist es letztlich Henry, der sich ihrem Willen unterwirft. Dennoch wird beider Beziehung zueinander im Film nicht aufgelöst; sie wirft aber auch für den Zuschauer keine Fragen auf, die er zwingend zu lösen wünscht. So bleibt schließlich nur, dass Devot viele, viele Geschichten erzählt, die aber, wenn man ihnen wirklich nachgeht, nicht viel mehr sind als der Schrott, aus dem Henry seine Kunstwerke fabriziert.

 

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Kommentare


norman reed

hello,
I am trying to get a copy of the 2001 T.V. movie "kolle-einleben fur liebe und sex" can you help me find it.
Norman






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