Douglas Fairbanks sr., amerikanischer Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent, stieg vor 100 Jahren zum Helden der großen Stummfilmabenteuer auf. Am 18. Oktober 1922 wurde sein legendäres Action-Abenteuer „Robin Hood" als erster Kinofilm überhaupt in Hollywood uraufgeführt.
Douglas Fairbanks senior ist in den Kindertagen des Kinos der Inbegriff eines Haudegens. Er spielt Hollywoods ersten „Zorro" und den ersten „Robin Hood". Er ist der erste Star, der die Handlung eines Films mitbestimmten darf. Dass er einmal die größten Draufgänger verkörpern würde, ist schon an seiner abenteuerlichen Kindheit erkennbar. Bereits mit elf Jahren tritt das am 23. Mai 1883 in Denver im US-Bundesstaat Colorado als Douglas Elton Thomas Ulman geborene Multitalent in Chicagos legendärem Elitch Theater auf, einer der Wiegen des amerikanischen Dramas.
In der Highschool ist der Teenager berüchtigt für seine spektakulären Streiche und Stunt-Einlagen. Der Sohn eines Anwalts mit Alkoholproblemen ist 17 und außerordentlich selbstbewusst, als er sich nach New York aufmacht mit dem Ziel, in der Unterhaltungsbranche Fuß zu fassen. Er nennt sich jetzt Douglas Fairbanks. Anfangs muss er sich mit Jobs auf dem Viehmarkt und als Schreiber in der Wall Street durchschlagen. Dank seines grenzenlosen Ehrgeizes darf Fairbanks am 3. März 1902 sein Broadway-Debüt in dem Theaterstück „Her Lord an her Master" geben.
Eigentlich soll er in die Seifenfabrik seines Schwiegervaters mit einsteigen, aber dann macht Hollywood dem Shootingstar ein verlockendes Angebot: 104.000 Dollar Jahresgage für eine Reihe von Stummfilm-Produktionen. Starregisseur D. W. Griffith, der mit ihm arbeiten soll, sagt anfangs über Fairbanks: „Er hat einen Kopf wie eine Melone und kann nicht spielen." Doch dank seines gewaltigen Dickschädels setzt Douglas Fairbanks sich durch und beweist, dass er wirklich spielen kann. Wie im Rausch dreht der frisch geschiedene Autodidakt in kürzester Zeit 26 Filme ab, darunter Komödien, Romanzen, Western und Salon-Satiren.
20,5 Millionen Dollar Produktionskosten
Keines der ausgelassenen Frühwerke macht ihn berühmt, aber der stattliche Mime mit dem verführerischen Lächeln kann immer wieder seine Furchtlosigkeit beweisen, indem er zum Beispiel von einem Balkon auf den anderen springt. Er versteht es, vor der Kamera sowohl mit dem Degen als auch mit feinen Damen umzugehen. Hinter den Kulissen erweist er sich als cleverer Buchautor und Geschäftsmann. 1919 gründet er gemeinsam mit seinem Freund Charlie Chaplin, dem Regisseur D. W. Griffith und seiner neuen Verlobten Mary Pickford das Filmstudio United Artists. Und er ruft die Academy of Motion Pictures Arts and Sciences mit ins Leben, die ab 1929 jährlich die Oscars verleiht. Fairbanks vergibt 14 dieser Trophäen an seine Standesgenossen, geht selber aber leer aus. Er baut auch Amerikas erste Filmschauspielschule auf. Sie existiert bis heute als das renommierte Department of Film an der University of Southern California.
In den 1920er-Jahren beginnt für Douglas Fairbanks eine wahre Glückssträhne. Die Hauptrolle in dem aufwendigen United-Artists-Spektakel „The Mark of Zorro" (US-Premiere am 27. November 1920, Deutschlandpremiere am 1. Juni 1926) macht ihn über Nacht zum König von Hollywood. Mit Witz, Charme und geballter Männlichkeit verkörpert er den frechen, aber äußerst attraktiven Schurken Don Diego, der seinen Feinden ein „Z" in die Haut ritzt. „Zorro" macht ein für allemal deutlich, welche schauspielerischen und athletischen Energien in ihm stecken. Fairbanks Figur „Zorro" ist der Prototyp von modernen Kinohelden wie „Batman". In den Batman-Comics ist Zorro später das Idol des jungen Bruce Wayne, der einen großen Einfluss auf dessen Alter-Ego Batman hat. Das Poster von Fairbanks „Mark of Zorro" ist sogar in der Comic-Verfilmung „Batman gegen Superman: Beginn der Gerechtigkeit" zu sehen.
Der Produzent und Schauspieler Fairbanks hat ein neues Genre erfunden mit Actionfilmen voller verschwenderischer Sets, brillanter Kostüme und draufgängerischer Stunts. Auch sein übernächster Streifen „Robin Hood" entwickelt sich trotz ungewöhnlich grausamer Gewaltdarstellungen zu einem Familienvergnügen. Der von Hauptdarsteller Fairbanks geschriebene und produzierte Abenteuer- und Kostümfilm unter der Regie von Allan Dwan basiert auf der Geschichte des mittelalterlichen Helden und greift viele Elemente der Legende auf, die dem Publikum in späteren Verfilmungen vertraut werden.
Fairbanks lässt aus Holz, Draht, Gips und Stahl ein riesiges Schloss und ein ganzes Dorf Nottingham aus dem 12. Jahrhundert in den Pickford-Fairbanks Studios in Hollywood bauen, wobei einige Kulissen von dem berühmten Architekten Frank Lloyd Wright Jr. entworfen werden. Die Kostüme und die Ausstattung verschlingen 20.000 Meter Stoff, und für die Herstellung der Schuhe wird der Bestand von drei Gerbereien benötigt. Die Kulisse für das Filmschloss an der Kreuzung von Santa Monica Boulevard und La Brea wird noch während der Dreharbeiten zu einer Touristenattraktion Hollywoods.
Fairbanks sr. war ein Kontrollfreak
Das Action-Märchen kostet umgerechnet sagenhafte 20.571.000 Euro und gehört damit zu den teuersten Produktionen der 1920er-Jahre. Es ist der erste Film, der am 18. Oktober 1922 in der Traumstadt Hollywood seine Premiere feiert, im Uraufführungskino The Egyptian. Er spielt 36.733.000 Euro ein.
Mit dem von ihm selbst geschriebenen „The Black Pirate" realisiert Fairbanks 1926 den ersten Film, der komplett im Technicolor-Zweifarbverfahren gedreht – und prompt zu einem Riesenerfolg wird. Beim Drehen vor der Küste Kaliforniens mit zwei Kameras wird das Licht durch einen roten und durch einen grünen Filter gespalten, wodurch sich ein zweifarbiger Effekt ergibt. „The Black Pirate" gilt als der erste Piratenfilm in der Geschichte des Kinos. Ohne Fairbanks gäbe es heute wahrscheinlich weder „Jäger des verlorenen Schatzes" noch den „Fluch der Karibik". Der Kontrollfreak wickelt jedes Detail seiner Filme persönlich ab und es heißt, man könne sein Herz in jeder einzelnen Szene spüren.
Damit der erklärte Abstinenzler für seine tollkühnen Stunts in Form bleibt, lässt er unter seinem eigenen Filmstudio einen Tunnel graben. Dort kann der Stummfilmstar in den Drehpausen ungestört nackt joggen. Die Betonröhre verläuft in zwei Metern Tiefe parallel zum Santa Monica Boulevard. Typisch Fairbanks: praktisch, aber exzentrisch.
Douglas Fairbanks und Mary Pickford sind in der Stummfilmära das Traumpaar der Traumfabrik, auch wenn der tollkühne Mime und „Americas Sweetheart" nur selten gemeinsam vor der Kamera stehen. Jenseits des Rampenlichts ergänzen „der König und die Königin Hollywoods" sich jedenfalls perfekt, was die Geschäftsfrau und Oscarpreisträgerin Pickford („Couquette") zu einer der reichsten Frauen ihrer Zeit macht. Das Paar lebt in der Villa Pickfair, einem ausufernden Anwesen in Beverly Hills – ein Hochzeitsgeschenk des Bräutigams an die Braut.
Vater und Sohn sind Seite an Seite begraben
Mit dem Ende der Stummfilm-Ära verkündet das Glamour-Paar seinen Rückzug von der Leinwand, um sich 1929 mit dem Tonfilm „Der Widerspenstigen Zähmung" überraschend zurückzumelden. Die Shakespeare-Adaption ist die einzige Produktion, in der die beiden die Hauptrollen bekleiden – und wird für die Altstars zu einem künstlerischen Desaster. Fairbanks und Pickford geben sich gegenseitig die Schuld an diesem Flop. Er geht fortan fremd und sie greift zur Flasche. 1936 lässt das Paar sich schließlich scheiden.
Der am 9. Dezember 1909 geborene Douglas Fairbanks jr. tritt allmählich in die Fußstapfen seines Vaters, dessen Ruhm in den 1930er-Jahren verblasst. Trotz Herzproblemen schreibt der neu vermählte Alte ein Drehbuch für einen Film, den er gemeinsam mit seinem Sohm drehen will. Dazu kommt es tragischerweise aber nicht mehr. Am 12. Dezember 1939 stirbt Fairbanks sr. in seiner Villa in Santa Monica im Schlaf an einem Herzinfarkt. Sein monumentales Marmorgrab ist das teuerste in Südkalifornien. Sein Sohn überlebt ihn um 61 Jahre. Er heiratet die attraktive Leinwand-Diva Joan Crawford und wird zu einem der größten Stars des jungen Tonfilms. Unvergessen seine Rolle als verwegener Schatzsucher in dem orientalischen Abenteuerspektakel „Sindbad der Seefahrer". Am 7. Mai 2000 wird Douglas Fairbanks jr. an der Seite seines Vaters auf dem Hollywood Memorial Cemetery beigesetzt. Eine Ära geht zu Ende.