Das k�nnen wohl nur die �sterreich: Die achtteilige Serie „Altes Geld“ ist ein herrlich kunstvoll �berh�htes Familiendrama um eine dekadente Sippe und ein unmoralisches Angebot. Satirsch, bitterb�se und rabenschwarz zeichnet David Schalko in seinem „Dallas f�r Geistesgest�rte“ ein Sittenbild des Geldadels und taucht in die Abgr�nde einer korrupten Gesellschaft, in der es eines nicht gibt: Menschlichkeit. Ein intelligenter Spa� mit einer genialen Besetzung: Udo Kier, Sunnyi Melles, Nicholas Ofczarek, Nora von Waldstetten, Robert Palfreder, Simon Schwarz, Ursula Strauss, Cornelius Obonya, Thomas Stipsits.
Foto: WDR / ORFAbgek�hlte Beziehung. Rauchensteiner (Udo Kier) und Gattin Liane (Sunnyi Melles)
W�hrend man hierzulande bei tumb-dekadenten Reichen im Fernsehen an die „Geissens“ denkt und sich von den inszenierten Euro-Prolls unter Niveau unterhalten lassen muss, zeigt die Nachbarrepublik �sterreich, wie das klug, pfiffig und bitterb�se geht: Patriarch Rolf Rauchensteiner (Udo Kier) leidet unter Hepatitis D und braucht dringend eine neue Leber, sonst ist er dem Tode geweiht. Also will er sich – Geld spielt ja keine Rolle – schnell eine besorgen. Aber Bestechungsversuche bei der Organvergabestelle im Krankenhaus scheitern. Und so versammelt Rauchensteiner seine dekadente Sippe um sich und verspricht der Person, die ihm schnellstm�glich ein neues Organ besorgt, das fette Familienerbe. Das gilt nicht nur f�r seine Kinder und deren Partner, sondern auch f�r seinen beunruhigend loyalen Personensch�tzer Kralicek (Robert Palfrader) & seinen Sekret�r Brunner (Thomas Stipsits).
Foto: WDR / ORFAuch Zeno (Nicholas Ofczarek) macht Jagd auf eine Leber f�r den Herrn Papa.
Und so ist die Jagd auf die Leber er�ffnet: Sohn Zeno (Nicholas Ofczarek) schachert beim Gl�cksspiel um Organe. Seine Freundin (Edita Malovčic) klopft mit ihrem Hundesitter bei einer omin�sen Tierklinik an, Kralicek erkundigt sich bei Berufskollege Sonnborn nach der M�glichkeit des Kaufs einer illegalen Leber aus dem Nahen Osten. Derweilen lassen Rauchensteiners andere beiden Kinder Jakob (Manuel Rubey) und Jana (Nora von Waldstetten) ihr inzestu�ses Verh�ltnis wieder aufleben. Seine notorisch fremdgehende Gattin Liane (Sunnyi Melles) hat andere Pl�ne. Sie will mit Hilfe von Dr. Schober (Cornelius Obonya) ihren gehassten Liebsten los werden, noch bevor der eine neue Leber bekommt.
Soundtrack: u.a. Leonard Cohen ("I'm Your Man"), David Bowie ("Absolute Beginners"); der Original-Score von Kyrre Kvam
Satirisch, bitterb�se, tiefschwarz – so erz�hlen k�nnen wohl nur die �sterreicher. Ein Beispiel von vielen sind die hervorragenden Verfilmungen der Brenner-Krimis mit Josef Hader. Der Autor, Produzent und Regisseur David Schalko hat das noch einmal gesteigert. Sein Zweiteiler „Der Aufschneider“, eine bitterb�se Krankenhauskom�die, und die Serie „Braunschlag“, eine sperrige Groteske um ein bankrottes Dorf im Waldviertel, waren schon wunderbares Fernsehen. „Altes Geld“ schlie�t da nahtlos an, ist ein rabenschwarzes Sittenbild aus der noblen, aber grundverdorbenen Welt der Milliard�re. Hiermit setzt der Nieder�sterreicher seine Trilogie zum Thema Gier und Korruption fort, die er mit „Braunschlag“ begonnen hat.�
Foto: WDR / ORFLiebevoll inzestu�s verbunden: Jakob (Manuel Rubey) & Jana (Nora v. Waldstetten)
In „Altes Geld“ geht es um Inzest, Erpressung, Bestechung, Eifersucht, Geld, Gier und Korruption. Ein „Dallas f�r Geisteskranke“ nennt Schalko sein Dekadenz-Epos. Und keine Frage, diese durchgeknallte �si-Familie stellt die Ewings in jeglicher Beziehung in den Schatten. Das ausgesetzte „Preisgeld“ tr�gt das seine dazu bei, dass weiter an der Egozentrik-Schraube gedreht wird. Die Rauchensteiners sind hysterisch und skrupellos, ihre beispiellos missratenen Kinder dekadent, spiels�chtig und nymphomanisch, zwei von ihnen pflegen ein inzestu�ses Liebesverh�ltnis. Die Bediensteten vom Personensch�tzer bis zum Sekret�r, die Freunde des Hauses vom Leibarzt bis zum B�rgermeister vervollst�ndigen das Sittenbild des Wiener Geldadels. Wie wer mit mit wem verbunden ist, dass wird auf herrlich verschlungenen Pfaden erz�hlt, die Intriganten beherrschen die Szenerie und auch Anspielungen auf real existierende �sterreichische Verh�ltnissen hat Schalko in Form des B�rgermeisters, eines Gr�nen und eines drohenden Untersuchungsausschusses einflie�en lassen.�
Foto: WDR / ORFDarf in keiner �si-Kom�die fehlen: Robert Palfrader (als Personensch�tzer Kralicek)
Mit Scherz, Satire und Ironie arbeitet der Seriensch�pfer, weniger mit dramatischer Zuspitzung und Empathie f�r die Figuren. Dieser Clan erhebt sich �ber Leben und Tod, glaubt mit Geld, Beziehungen und Drohungen kann man alles erreichen. Dialoge voller Wortwitz und Boshaftigkeit hat Schalko seinen Protagonisten ins Texbuch geschrieben. Die klingen so: „Du musst aufh�ren, dich st�ndig umzubringen, das ist unter deiner W�rde.“ Und: „Das ist der Vorteil in dieser Familie: Keiner geniert sich, ein Arschloch zu sein.“ Oder: „Wei�t du, es w�re vielleicht alles anders, wenn du anders w�rst.“� Als Regisseur f�hrt Schalko seine Figuren vor. Man lebt und leidet nicht mit den dekadenten und egoistischen Charakteren, man blickt distanziert auf ihr Treiben, erfreut sich daran, wie sie sich gegenseitig zerfleischen und wer alles auf der Strecke bleibt. Und man ist begeistert �ber diese Besetzung, die – sieht man einmal von Josef Hader ab – die Cr�me de la Cr�me der �sterreichischen Schauspieler umfasst: Nicholas Ofczarek, Manuel Rubey, Thomas Stipsits, Robert Palfrader, Simon Schwarz, Cornelius Obonya, Nora von Waldstetten und Ursula Strauss. Dazu die wunderbare Sunnyi Melles und Udo Kier. Eigentlich war f�r diese Rolle Burgtheater-Star Gert Voss vorgesehen, der starb f�nf Tage nach Beginn der Dreharbeiten. Schalko reagierte, wollte aber keinen „B-Voss“, sondern besetzte den Rauchensteiner mit einem ganz anderen Typus. Und so gibt Kier beinahe be�ngstigend einen vom Tode gezeichneten, rachs�chtigen und gef�hlskalten Patriarchen, dem sein Nazivater in SS-Uniform im Traume begegnet und der unter den Familiendevotionalien ein Paar Handschuhe aus Menschenhaut hortet. Jeder der Schauspieler in dieser Serie ist schon f�r sich ein Genuss, liefert ein kleines Mosaiksteinchen zu diesem Sittenbild des Geldadels und seiner Lakaien drumherum. Zusammen sind sie eine Wucht!
Foto: WDR / ORFCoole filmgeschichtliche Referenz: Ulli Lommel �bernahm eine kleine Rolle in "Altes Geld". Der Schauspieler und Filmemacher, der sich seit 50 Jahren zwischen Arthaus und Genre-Trash bewegt, arbeitete mehrfach auch mit Udo Kier (u.a. bei Fassbinder).
„Es ist ein Schauerm�rchen �ber eine Welt, die v�llig ohne Liebe auskommt“, so Schalko. Er hat dieses M�rchen in satte Farben und pr�chtige Bilder getaucht. Wenn Sunnyi Melles durch den Garten mit der Gr��e mehrerer Fu�ballfelder reitet, ihr Gatte mit ausgebreiteten Armen auf der Wiese steht und philosophiert: „Was ist das f�r ein Leben, wenn nie ein L�we wartet? Wir m�ssten mehr um unser Leben laufen“ – dann sind das Bilder wie kleine Gem�lde. Und dazu durch die ganze Serie hindurch Klaviermusik, komponiert vom in Wien lebenden Norweger Kyrre Kvam, der auch schon die Musik zu „Braunschlag“ geschrieben hat. Der sagt: „Wir verpassten jeder Episode ihr eigenes Musikst�ck, welches dann in verschiedenen Variationen durch die jeweilige Handlung f�hrt. Was sie alle gemeinsam haben, ist das Klavier, nur das Klavier. Es war das einzige Instrument an meiner Seite“. (Text-Stand: 7.3.2017)
Trailer der �sterreichischen Kult-Serie "Altes Geld" von David Schalko
Volker Bergmeister arbeitet als freier TV- und Filmkritiker f�r Zeitungen und Fachzeitschriften. Er war 25 Jahre Jurymitglied des Grimme-Preises, aktuell leitet er die Jury des Creative Energy Award beim Filmfest Emden und geh�rt der Nominierungskommission f�r den Robert-Geisend�rfer-Preis an.