György Garics ist vom Vater stets gefördert worden. Der Sohn soll den Sport ernst nehmen, ihn leben, das Talent nicht vergeuden, hat der Vater gepredigt. György hat es sich zu Herzen genommen.

Foto: APA/Jäger

György Garics musste nicht, er wollte. Der 32-Jährige, er besitzt sowohl die österreichische als auch die ungarische Staatsbürgerschaft, ist Sonntagmittag im Medienzentrum in Mallemort aufgetaucht, wohlwissend, dass es ein spezieller, ein schmerzvoller Termin werden würde. "Aber ich will, dass nichts interpretiert wird. Ich möchte die Dinge selbst steuern, das gehört zur Trauerarbeit." Am 9. Juni um 11.30 Uhr ist sein Vater György im Alter von 62 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Es ist sich gerade noch ausgegangen, dass er von Bologna heim nach Szombathely gebracht werden konnte. "Papa wollte es unbedingt." György junior dankte für die Beileidsbekundungen, sagte: "Es ist ein Gesetz des Lebens. Die einzige Gerechtigkeit auf der Welt ist, dass jeder stirbt. Es war halt zu früh beim Papa."

Eine Abreise aus dem Teamquartier ist kein Thema gewesen, das war mit dem Vater abgesprochen. "Er hat es verboten, ich war nach dem Test gegen die Niederlande mehrere Tage bei ihm." Die tödliche Erkrankung wurde im August 2015 diagnostiziert, Familie Garics musste sich mit der Hoffnungslosigkeit abfinden. Der Senior verfolgte die Entwicklung seines Sohnes, erfreute sich an der tollen Qualifikation der Österreicher, fand es witzig bis reizvoll, dass ausgerechnet Ungarn in die Gruppe F zugelost wurde. "Er hätte die Partie gerne gesehen, es ist sich ganz knapp nicht ausgegangen. Er gab noch Tipps. Obwohl er wusste, dass ich eher nicht zur Startformation gehöre."

Führungsqualitäten

Marcel Koller präferiert Florian Klein als rechten Außenverteidiger. Garics ist trotzdem ein wesentlicher Bestandteil des Nationalteams, auf ihn wird gehört, er zählt intern zum Führungspersonal. Verbandspräsident Leo Windtner nennt ihn "Toprepräsentant" und "tolle Persönlichkeit mit großer Erfahrung". Der Repräsentant sagt: "Ich habe eine Rolle, die anerkannt wird. Es geht da gar nicht um Tipps, wie man gegen Ungarn spielt. Das wissen wir. Aber ich warne uns. Sie sind nach Frankreich gekommen, um zu überraschen." Der Papa, selbst ein Profifußballer, hat den Sohn stets gefördert. Er solle den Sport ernst nehmen, ihn leben, das Talent nicht vergeuden, hat er gepredigt. Und György gehorchte, wechselte 1998 von Haladas Szombathely zu Rapid, wurde 2005 Meister. 2006 verpflichtete ihn Napoli, es folgten weitere Engagements in Italien, Atalanta Bergamo und FC Bologna. 2015 heuerte er in Darmstadt an. Der verlässliche Junior war praktisch immer und überall Stammspieler, 41 Ländermatches (zwei Tore) sind keine schlechte Duftmarke.

Garics wird am Montag um 12.30 Uhr von Avignon aus mit der Mannschaft nach Bordeaux fliegen. Um 17.45 Uhr ist im Stadion die abschließende Pressekonferenz mit Koller und Kapitän Christian Fuchs angesetzt. Garics sagt: "Ich bin hochmotiviert und froh, dass es losgeht."

Am Sonntagnachmittag wurde in Mallemort noch einmal geheim trainiert, davor stellten sich Julian Baumgartlinger und Zlatko Junuzovic der Medienmeute. Sie erledigten das bravourös, ihr Selbstbewusstsein hatte nichts Aufgesetztes. Baumgartlinger: "Es ist Zeit, dass wir wissen, warum wir da sind. Wir sind optimal vorbereitet, werden hellwach sein." Niveau und Tempo bei der EURO seien erwartungsgemäß extrem hoch. "Ab man merkt auch, dass jedes Team Schwierigkeiten hat reinzukommen. Alle wollen die Null halten. Ich werde darauf achten, dass die Balance innerhalb der Mannschaft stimmt."

Die Bilder von den Ausschreitungen in Marseille sind nicht spurlos an Baumgartlinger vorübergegangen. "Es ist schrecklich, wenn bei der allgegenwärtigen Bedrohung die Fußballfans noch einen zweiten Kriegsschauplatz aufmachen." Junuzovic hat sich einen Matchplan zurechtgelegt. "Mut zum kalkulierten Risiko zeigen, gut bewegen, schon die ersten Passes sollten präzise sein. Damit sich die Spielfreude entwickeln kann."

Kein Begräbnis

György Garics wird bis zum Ende, das kein bitteres Ausscheiden sein soll, in Frankreich bleiben. Der Papa hat sein eigenes Begräbnis abgesagt. Er lässt sich einäschern, die Asche soll dann in Szombathely verstreut werden. Irgendwann, wenn der Sohn Zeit hat. Alles bis ins Detail abgesprochen. Am Dienstag um 18 Uhr ist Anpfiff: Garics sagt: "Ich bin bereit, das habe ich meinem Vater versprochen." (Christian Hackl aus Mallemort, 12.6.2016)