Im Kino ist der Film untergegangen, aber im Fernsehen macht er sich gut, selbst wenn die Geschichte aus der Rubrik „Pl�tzlich Onkel“ nicht sonderlich originell ist: Nach einem schweren Autounfall seiner Schwester muss sich TV-Moderator Ulf eines Tages um seinen Neffen k�mmern. Der karrierefixierte Egozentriker liebt sein Auto mehr als seine Freundin und will den Jungen so schnell wie m�glich wieder loswerden. Benno F�rmann ist eine treffende Besetzung f�r die Titelrolle, aber herausragend ist der junge Louis Hofmann.
Foto: Degeto / Frank DicksKeine Lust, sich festzulegen: Benno F�rmann als "Der fast perfekte Mann". Triebel
Nat�rlich ist „Der fast perfekte Mann“ ein Film mit Benno F�rmann, und das nicht nur, weil er die Titelrolle spielt. Sehenswert aber ist die Kom�die vor allem wegen Louis Hofmann, der mit seinen 18 Jahren bereits eine beachtliche Filmografie vorweisen kann: Er war unter anderem Tom Sawyer in den Kinofilmen von Hermine Huntgeburth und zuletzt ganz famos als Hauptdarsteller in Marc Brummunds Heimerziehungs-Kinodrama „Freistatt“. Dazwischen lag „Der fast perfekte Mann“, und hier ist seine Leistung wom�glich noch h�her einzusch�tzen, denn Hofmann, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch keine 16, hat nicht nur viele schwierige Dialogpassagen, sondern auch eine emotional schwierige Rolle: Aarons Mutter liegt nach einem Autounfall im Koma; allein die Ger�te halten sie noch am Leben. Sein einziger Verwandter ist Ulf, der Halbbruder der Mutter. Der bindungsunf�hige Ulf ist Talkshow-Moderator eines unbedeutenden Hamburger Lokalsenders, liebt seinen Ford Mustang weitaus mehr als seine Freundin Anni und f�hrt im Grunde das Leben eines eingefleischten Junggesellen; das letzte, was er brauchen kann, ist ein Kind, um das er sich k�mmern soll.
"Eine bem�hte dramatische Kom�die �ber die nachgeholte Reifung eines Berufsjugendlichen, der es nicht gelingt, sich von einschl�gigen Vorbildern abzusetzen. Das vorhersehbare Drehbuch und die schwerf�llige Inszenierung finden weder f�r die leichten noch die schweren Momente die passenden Dialoge und Szenen, was die Anteilnahme nachhaltig untergr�bt." (Filmdienst)
Foto: Degeto / Frank DicksGelber Pulli, verletzte Taube – zu viele Metaphern im Spiel. F�rmann & Hofmann
Trotzdem gelingt es dem Jungen wie in allen Geschichten dieser Art, die guten Seiten des Mannes zum Vorschein zu bringen, schlie�lich ist „Der fast perfekte Mann“ ein Film aus der beliebten TV-Rubrik „Pl�tzlich Onkel“ (wahlweise auch „Pl�tzlich Opa“). Im Kino hatte er trotz eines gro�en US-Verleihs blo� 12.000 Zuschauer; die wenigen seri�sen Kritiken waren, wenn �berhaupt, durchwachsen. Weil die ARD-Tochter Degeto Koproduzentin war, zeigt das „Erste“ die Kom�die nun als Freitagsfilm, und auf diesem Sendeplatz ist sie viel besser aufgehoben als im Kino. Die L�uterung eines Egozentrikers ist durchaus sehenswert, auch wenn eine etwas strengere Regie Benno F�rmann vermutlich gebeten h�tte, nicht immer gro�e Augen zu machen, wenn es dramatisch wird. Der insgesamt unauff�llig inszenierte Film lebt vor allem von seiner detailreichen Geschichte. Autorin Jane Ainscough („Miss Sixty“) hat ihren Helden zwar nicht mit allzu viel Tiefe ausgestattet, aber daf�r gibt es ja die weiteren Figuren. Dank J�rdis Triebel ist Freundin Anni weit mehr als blo� die Frau an seiner Seite, und Aaron hat f�r einen Jungen von sch�tzungsweise zw�lf Jahren eine beeindruckend komplexe Pers�nlichkeit; selbst wenn sein Faible f�r Ornithologie etwas �bertrieben wirkt, zumal er selbst im Unterricht noch mit dem Fernglas V�gel beobachtet. Auch Ulfs Geduld wird m�chtig strapaziert, als Aaron das Wohnzimmer des Taubenhassers vor�bergehend zum Taubenstall umfunktioniert. Trotzdem sind die gemeinsamen Szenen von Onkel und Neffe eher ernst; deshalb muss Ulfs Berufsleben f�r die heiteren Seite der Handlung sorgen. Der Film beginnt mit einer Slapstickeinlage, als ihm die Schlange eines Studiogasts zu nahe kommt. Sp�ter wird Aaron im Zusammenspiel mit Ross Antony (Maske) und Collien Ulmen Fernandes (Schauspielsternchen) allerlei am�santen Trubel veranstalten, in dessen Verlauf auch mal ganze Kulissen zusammenkrachen. Ansonsten ist vor allem Martin Brambach als Ulfs Chef f�r die witzigen Momente zust�ndig. Einen gar nicht komischen, aber interessanten und f�r die Geschichte wichtigen Kurzauftritt hat Uwe Bohm als Aarons biologischer Vater.
Foto: Degeto / Frank DicksDie drei machen schon fast auf Familie! F�rmann, Louis Hofmann, J�rdis Triebel
"Vanessa Jopp erz�hlt die Geschichte eines eigenbr�tlerischen Mannes, der sich pl�tzlich um seinen verwaisten Neffen k�mmern muss, schn�rkellos, auf leicht verst�ndliche Weise und ohne verwirrende Plot�berraschungen. So kann man sich auf die Schauspieler und ihre Interpretation der Figuren konzentrieren. W�hrend Benno F�rmann als erfolgloser Fernsehmoderator mit Bindungsangst gewohnt souver�n agiert, meistert Nachwuchstalent Louis Hofmann seinen vielschichtigen Part als Aaron au�erordentlich gut. �berhaupt versteht es Jopp sehr gut, den Zuschauer zu ber�hren, emotional zu packen, etwa in der Szene, in der Aaron Abschied von seiner im Koma liegenden Mutter nimmt." (Blickpunkt:Film)
„Der fast perfekte Mann“ ist den komischen Einlagen zum Trotz ohnehin eher eine Dram�die. Wenn Aaron beinahe �berfahren wird, weil die Taube, deren gebrochenen Fl�gel er verarztet hat, doch noch nicht fl�gge war, ist das alles andere als lustig. Und dann stellt sich auch noch raus, dass Ulfs Schwester schwerm�tig war. Nun wird auch klar, warum Aaron partout seinen etwas schr�gen selbstgestrickten Pullover nicht ausziehen will. Selbst die romantische Ebene hat einen ernsten Hintergrund: Ulf hat Anni dazu �berredet, das gemeinsame Baby abzutreiben, und sie l�sst ihn in dem Glauben. Sp�ter findet er zuf�llig den Babypass, und so wird der gel�uterte Egomane am h�bsch eingef�delten Ende, bei dem zwei weitere selbst gestrickte Pullover eine wichtige Rolle spielen, gleich doppelt Vater. (Text-Stand: 6.1.2016)
Kino-Trailer von "Der fast perfekte Mann" (2013) von Vanessa Jopp
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.