An diesem Sonntag jährt sich die zweite von drei Deutschen A-Junioren-Meisterschaften von Eintracht Frankfurt zum 40. Mal. Als die Adlerträger den höchsten nationalen Jugendtitel letztmals 1985 gewannen, ließ die Geburt von Jessic Gaïtan Ngankam noch 15 Jahre auf sich warten. Ebenso wie der erste und bislang letzte A-Jugend-Titel für Hertha BSC 2017/18, zu dem eben Ngankam, der nach 16 Jahren seinen Jugendklub verlässt, um bei Eintracht Frankfurt anzuheuern, einen großen Teil beisteuerte.
„Die Hertha und Berlin sind mein Zuhause. Dort bin ich groß geworden, habe gelernt, Fußball zu spielen. Dafür bin ich sehr dankbar“, macht der Angreifer im ersten Gespräch mit EintrachtTV keinen Hehl aus seiner Heimatverbundenheit, die Ngankams Entscheidung pro Frankfurt umso bemerkenswerter erscheinen lässt.
Genau genommen hat der Hauptstädter mit kamerunischen Wurzeln nahezu sein gesamtes (Fußballer-)Leben in Spree-Athen verbracht. Aufgewachsen in Spandau, die ersten Schritte bei den Reinickendorfer Füchsen, mit sechs Jahren im Sommer 2006, während der Weltmeisterschaft im eigenen Land, der Wechsel in den Nachwuchs der Blau-Weißen.
Hausbau in Douala, Jugendprojekt in Berlin
Schon beim Sichtungstag mit fünf Jahren ist er seinerzeit ganz kurz mit der großen Bühne in Kontakt gekommen, als er dem damaligen Mittelfeldstar Marcelinho begegnete. Das gemeinsame Foto steht bis heute im Hause Ngankam.
Ein Haus ließ der Spandauer Jung seit 2021 seinen Eltern in Douala bauen. In der kamerunischen Metropole leben Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. Das Versprechen hatte Ngankam, der sich seit Längerem auch für das soziale Jugendprojekt MitternachtsSport e.V. engagiert, seiner Familie fünf Jahre zuvor gegeben, um sich für deren Unterstützung auf dem Weg zum Fußballprofi zu revanchieren.
Sein der Bruder kann ebenfalls auf eine Vita als Kicker blicken, vornehmlich unterhalb der ersten beiden Klassen. Aber auch beim 1. FC Nürnberg, meist in der zweiten Mannschaft; 2012/13 auch mehrmals im Bundesligakader, als noch Timothy Chandler die rechte Außenbahn der Franken beackerte.
Gleichfalls in Franken, in Fürth, verbrachte Jessic Ngankam das einzige Jahr außerhalb Berlins, als die Hertha ihn an die Spielvereinigung verlieh. Das Gastspiel bei den Kleeblättern war nicht von Glück geprägt, ein Kreuzbandriss setzte Ngankam ein Dreivierteljahr außer Gefecht. Nach der Rückkehr 2022 verpasste der schussstarke Rechtsfuß die Hinrunde, erneut am Knie lädiert – kam aber nach dem Jahreswechsel umso stärker zurück: 18 Spiele, vier Tore, zwei Vorlagen, danach die Teilnahme an der U21-Europameisterschaft in Rumänien und Georgien.
Von den DFB-Junioren kennt der 1,84-Meter-Mann bereits Faride Alidou und den derzeit am Schlüsselbein verletzten Ansgar Knauff. Auf die Nachfrage, ob er sich bei den doppelten Adlerträgern im Vorfeld erkundigt hätte, antwortet Ngankam eher gegenteilig: „Nein. Ich bin der Typ, der, wenn es um so etwas geht, diese Dinge für mich behalten möchte.“
Sprechen lässt Ngankam neben Leistung lieber andere. In der Vergangenheit kamen etwa die Berliner Tageszeitungen aus dem Schwärmen nicht heraus. „Kampfkraft, Körperlichkeit und Einsatz“, schreibt die Berliner Zeitung dem 22-Jährigen zu. „Wuchtig, fleißig und eine Zumutung für jeden Gegner“, beschreibt der Tagesspiegel die Anlagen der neuen Nummer 18, die sich selbst so betrachtet: „Vielfältiger Stürmer, der tief gehen, sich durchsetzen, die Bälle festmachen und Tore schießen kann.“
Fähigkeiten und Charakterzüge, die die Berliner Hip-Hop-Gruppe Etekogang zum gleichnamigen Song „Jessic Ngankam“ inspirierten. Dort heißt es unter anderem: „Ich dribbel mich durch wie Kingsley Coman, ich mach’ die Tore wie Jessic Ngankam.“
Wie passend: Auch der Bayern-Flitzer hat eine Vergangenheit bei der Alten Dame, der von Juventus Turin. Orientiert hat sich Ngankam in der Jugend gleichwohl an älteren und anderen Spielertypen: an Halblandsmann Samuel Eto’o etwa und dem Ivorer Didier Drogba.
Dass Ngankam den Unterschied ausmachen kann, hat er über Jahre bewiesen. In seiner ersten Bundesligaspielzeit gelang ihm am 4. Oktober 2020 ausgerechnet auswärts gegen den FC Bayern sein erstes Profitor, am 12. Mai 2021 erzielte der Jungspund auf Schalke den Siegtreffer zum 2:1, der quasi gleichbedeutend mit dem Klassenerhalt war. Erst zwei Jahre zuvor war er mit 25 Buden zum Torschützenkönig der A-Junioren-Bundesliga Nord/Nordost avanciert. Im selben Jahr stieß die Truppe bis ins Achtelfinale der UEFA Youth League vor. Endstation war der FC Barcelona.
Geiler Verein, geiles Stadion, geile Fans.
Jessic Ngankam
Wie es gegen die Blaugrana anders laufen kann, werden Jessic Ngankam fortan die neuen Kollegen im ProfiCamp im Deutsche Bank Park berichten können. Wohin auch immer die Reise geht, Ngankam ist dabei, wie er beteuert: „Ich möchte mich einleben, in die Mannschaft integrieren. Dann werden die Ziele genannt, denen werde ich mich anschließen und der Mannschaft helfen.“
Ansonsten freut er sich „auf die Jungs und das erste Spiel. Ich habe Bock drauf“. Begründung: „Geiler Verein, geiles Stadion, geile Fans.“ Abschließend berichtet Ngankam von „einigen guten Gesprächen“ mit dem neuen Cheftrainer Dino Toppmöller: „Ein guter Charakter, das gefällt mir. Ein korrekter Mensch, das ist mir sehr wichtig!“ Da könnten sich zwei gefunden haben. Gude Jessic!
