Corenelia Goethe
ZEITLEBENS LITT CORNELIA AN IHRER „H�SSLICHKEIT"

Die jung gestorbene Schwester Goethes krankte an einem ungl�cklichen und unerf�llten Leben

Zum bevorstehenden Goethejubil�um 1999 in Frankfurt am Main r�ckt auch die Schwester Goethes, Cornelia, in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit. Sie war lange Jahre die Vertraute des ber�hmten Bruders und konnte dennoch nie aus seinem Schatten heraustreten.

Frankfurt am Main (pia) - „Sie war gro�, wohl und zart gebaut und hatte etwas Nat�rlich-W�rdiges in ihrem Betragen, das in eine angenehme Weichheit verschmolz. Die Z�ge ihres Gesichts, weder bedeutend noch sch�n, sprachen von einem Wesen, das weder mit sich einig war noch werden konnte." So erinnert sich Goethe in „Dichtung und Wahrheit" an seine Schwester Cornelia. Da� sie „manchmal wirklich h��lich" ausgesehen habe, meint er, habe an der „leidigen" Frisurenmode des Rokoko gelegen. Das beweist Goethe auch mit seiner Zeichnung der 23j�hrigen Schwester (1773). Im unerbittlichen Profil zeigt er darauf eine ernste junge Frau mit m�nnlichen Z�gen, ohne eine Spur lieblicher Anmut.

Ganz anders wurde Cornelia Goethe von Johann Ludwig Ernst Morgenstern gesehen. Der Frankfurter Maler portr�tierte sie um 1770 als eine herbe Sch�nheit von seltsam anr�hrender Ausstrahlung. Morgensterns R�telzeichnung von Cornelia ist heute „eines der wichtigsten St�cke im Besitz des Frankfurter Goethemuseums", sagt Museumsleiterin Dr. Petra Maisak. In dem Haus am Gro�en Hirschgraben wurde Cornelia Friederica Christiana Goethe am 7. Dezember 1750 als zweites Kind des Kaiserlichen Rats Johann Caspar Goethe geboren. Johann Wolfgang, der Erstgeborene, war nur 15 Monate �lter als sie. F�nf sp�ter geborene Geschwister starben im Kindesalter. Wolfgang und Cornelia sahen sich bald „allein �brig", so Goethe in „Dichtung und Wahrheit", und verbanden sich daher „nur um so inniger und liebevoller".

Der Rat Goethe lie� seinen Kindern eine umfassende Schulbildung angedeihen, wobei er keinen Unterschied zwischen Sohn und Tochter machte. Bereits mit drei Jahren wurde Cornelia in die Spielschule von Magdalena Hoff geschickt und mu�te Lesen und Schreiben lernen. Seit ihrem siebten Lebensjahr wurde sie zusammen mit dem �lteren Bruder von Hauslehrern unterrichtet. Sie begann mit Griechisch und Latein, mit neun bekam sie Franz�sisch dazu. Au�erdem hatte sie Stunden in Englisch, Italienisch, Mathematik, Jura, Geographie, Sch�nschreiben, Zeichnen, Musik sowie Fechten, Reiten, Anstandslehre und Tanz. Insgesamt hat Cornelia unter dem Zwang zum Lernen gelitten. Sie ver�belte es dem Vater, da� er ihr damit die Freiheit nahm.

Zuflucht fand Cornelia beim Bruder, ihrem heimlichen Vertrauten. Im Oktober 1765 jedoch wurde Wolfgang an die Universit�t nach Leipzig geschickt, und sie blieb allein in Frankfurt zur�ck. Als M�dchen konnte sie trotz ihrer hervorragenden Ausbildung nicht studieren. Statt dessen wurde erwartet, da� sie sich bald gut verheiratete. Doch Cornelia litt unter ihrer vermeintlichen „H��lichkeit". Einmal, so vertraute sie ihrem geheimen Tagebuch an, ging sie zwanzigmal die Treppe von ihrem Zimmer hinab - und schlich zwanzigmal scheu zur�ck, weil sie sich nicht traute, den beiden im Empfangszimmer wartenden Leipziger Kommilitonen ihres Bruders gegen�berzutreten.

Dabei war Cornelia insgeheim verliebt in den jungen Engl�nder Harry Lupton, der seit 1764 in Frankfurt weilte. Im Oktober 1768 ging Lupton nach England zur�ck, ohne sich auch nur von Cornelia zu verabschieden. Diese glaubte daraufhin, auch auf k�nftiges Liebesgl�ck verzichten zu m�ssen, und opferte sich ganz in der Pflege des Bruders auf, der ein paar Wochen zuvor krank aus Leipzig zur�ckgekommen war. Die folgenden Frankfurter Zeiten Goethes gelten als Cornelias beste Jahre. Sie unterst�tzte den Bruder bei der schriftstellerischen Arbeit. Sie war es, die ihn dazu ermunterte, die Lebensgeschichte G�tzens von Berlichingen zu dramatisieren.

W�hrend Goethe 1772 am Reichskammergericht in Wetzlar t�tig war, verlobte sich die wiederum einsam zur�ckgelassene Cornelia mit dem Juristen Johann Georg Schlosser, einem Freund des Bruders. Am 1. November 1773 heiratete das Paar und zog nach Karlsruhe, dann nach Emmendingen im Markgr�flerland, wo Schlosser die Stelle als Oberamtmann erhalten hatte. Die Ehe Cornelias mit Schlosser hatte eigentlich recht verhei�ungsvoll begonnen. Zumindest von Schlossers Seite war es sogar eine Liebesheirat, und Cornelia schrieb am 13. Dezember 1773 aus Karlsruhe: „Alle meine Hoffnungen, alle meine W�nsche sind nicht nur erf�llt - sondern weit - weit �bertroffen. - wen Gott lieb hat dem geb er so einen Mann -." Doch schon bald tr�bte sich das Verh�ltnis zwischen den beiden. „Ihr ekelt vor meiner Liebe", klagte Schlosser. Goethe machte sich dar�ber in einem sp�teren Gespr�ch mit Eckermann seine eigenen Gedanken: „[Cornelia] war ein merkw�rdiges Wesen, sie stand sittlich sehr hoch und hatte nicht die Spur von etwas Sinnlichem. Der Gedanke, sich einem Manne hinzugeben, war ihr widerw�rtig, und man mag denken, da� aus dieser Eigenheit in der Ehe manche unangenehme Stunde hervorging. (...) Ich konnte daher meine Schwester auch nie als verheiratet denken, vielmehr w�re sie als �btissin in einem Kloster recht eigentlich an ihrem Platze gewesen."

Auch das F�hren eines Haushalts war Cornelia eine unertr�gliche Last, zumal sie jetzt anfing, zu kr�nkeln. „Jeder Wind, jeder Wassertropfen sperrt sie in die Stube und vor Keller und K�che f�rchtet sie sich noch zuviel", meinte Schlosser. Die Einsamkeit qu�lte Cornelia, fern vom Bruder, au�erdem wieder. „Seine Entfernung f�hle ich am st�rcksten", bekannte sie schon sechs Wochen nach ihrer Hochzeit.

Die Geburt ihres ersten Kindes, der Tochter Maria Anne Louise („Lulu"), am 28. Oktober 1774 kostete Cornelia beinahe das Leben. Sie verfiel in „Kranckheit und eine Art von Melancolie", wie sie selbst schrieb. Fast zwei Jahre lang habe sie im Bett gelegen, „ohne im Stand zu seyn sich selbst nur einen Strumpf anzuziehen". Im Sommer 1776 wurde sie erneut schwanger. Kurz nach ihrem 26. Geburtstag ging es ihr dann so schlecht, da� sie in ihrem letzten erhaltenen Brief nur mutlos berichten konnte: „Da schleiche ich denn ziemlich langsam durch die Welt, mit einem K�rper der nirgend hin als ins Grab taugt." Am 10. Mai 1777 brachte sie ihre zweite Tochter Catharina Elisabeth Julie („Juliette") zur Welt. Vier Wochen sp�ter, am 8. Juni 1777, ist Cornelia Schlosser gestorben. „Dunckler zerrissner Tag", notierte Goethe in Weimar in sein Tagebuch. Drei weitere Tage gab er sich dem „Leiden und Tr�umen" hin, bevor er wieder seinen Amtspflichten nachging.

Sabine Hock

Dienstag/17.2.98/07

 

 

 

 

 

 

 

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