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Der König der Discounter ist tot

Der Aldi-Gründer Karl Albrecht scheute die Öffentlichkeit, belegte Tatsachen sind rar. Sicher ist: Seine Idee vom schnörkellosen Laden revolutionierte die Branche. Nun starb er im Alter von 94 Jahren.
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Gemeinsam mit seinem Bruder hat Karl Albrecht die Einkaufsgewohnheiten der Europäer verändert wie kaum ein anderer: Jetzt ist der Discounter-König im Alter von 94 Jahren in Essen gestorben. Ein Sprecher der Stadt Essen bestätigte dies. Zuvor hatte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ als erste über den Todesfall berichtet.

Karl und Theo Albrecht hatten seit 1946 aus dem Lebensmittelgeschäft der Eltern in Essen das internationale Aldi-Imperium entwickelt und wurden so zu den reichsten Deutschen. Die Sparsamkeit der Albrecht-Brüder war so legendär wie ihre Öffentlichkeitsscheu: Es gibt nur sehr wenige Fotos von ihnen, Interviews oder Fernseh-Auftritte schon gar nicht.

Über Privates ist kaum etwas bekannt – deshalb werden die beiden auch gern „Geheimnis-Krämer“ genannt. Trotz ihrer Knauserigkeit wurde den Albrecht-Brüdern – anders als anderen Händlern – nie vorgeworfen, dass sie unfair mit ihren Mitarbeitern oder Lieferanten umgingen. Der zwei Jahre jüngere Theo Albrecht war bereits im Juli 2010 mit 88 Jahren gestorben.

Unternehmer und Manager im Handel sehen Karl Albrecht, der am 20. Februar 1920 in Essen geboren wurde, als einen der ganz Großen der Branche. Viele Chefs von Milliardenkonzernen in der Konsumbranche nennen auf die Frage nach ihren Vorbildern auch den Namen Karl Albrechts.

Spross einer Händlerfamilie

Vor allem deshalb, weil er eine neue Idee mit einer beispiellosen Konsequenz umgesetzt hat, ohne sich von seinem Weg abbringen zu lassen. Und weil er eine schlichte, fast schon penetrant auf niedrige Kosten und hohe Effizienz ausgerichtete Organisation geschaffen hat, die die neue Ladenkategorie der Discounter begründete.

Denn als Karl und Theo Albrecht nach dem Krieg das von der Mutter Anna Albrecht (geborene Siepmann) gegründete Lebensmittelgeschäft im Essener Arbeiterstadtteil Schonnebeck übernahmen, lief der Einkauf noch über den Tresen mit Bedienung, für die Milch musste der Kunde seine Kanne mitbringen, und es gab nur sehr wenige abgepackte Waren. Mehl, Zucker, Butter wurden in dieser Ära der Tante-Emma-Läden nach Kundenwunsch abgewogen und verpackt.

Die Albrechts waren nur deshalb zur Händlerfamilie geworden, weil der Vater – ebenfalls mit dem Vornamen Karl – wie so viele andere Bergleute die Krankheit Staublunge bekommen hatte und seinen alten Beruf nicht mehr ausüben konnte.

Erst arbeitete er in einer Brotfabrik, 1913 wurde das Geschäft gegründet, das angeblich nur 35 Quadratmeter groß war. Der erstgeborene Sohn Karl verließ nach nur acht Jahren mit dem Volksschulabschluss die Katholische Glückaufschule, wie das in den ärmlichen Gegenden des Ruhrgebietes damals üblich war.

Die Chancen der Währungsreform

Die Söhne halfen im Laden aus. Von 1934 bis 1936 ging Karl Albrecht bei einem Delikatessenhändler im noblen Essener Stadtteil Bredeney in die Lehre. Aus dem Krieg kam er mit einer Verwundung von der Ostfront und dem bescheidenen Dienstgrad „Gefreiter“ zurück.

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Wie so viele Deutsche dieser Generation nutzten Karl und Theo Albrecht die Chancen, die sich mit der Währungsreform 1948 boten: Aus Mutters Laden machten die Brüder bis 1950 eine Kette von 13 Läden, fünf Jahre später waren es schon 100.

Damit beschleunigten die Albrechts den Niedergang der Konsumgenossenschaften und der Tante-Emma-Läden, aus denen ihr Unternehmen selber hervorgegangen war. 1960 gab es bereits 300 Läden von „Albrecht Discount“, über die die Besserverdiener der Nachkriegszeit die Nase rümpften, weil sie so ganz anders waren als andere Lebensmittelgeschäfte: schlicht und billig.

Die Wurzeln des Aldi-Mythos

Karl Albrecht traute sich, auf alles zu verzichten, was nicht nötig war: Es gab keine richtigen Regale, sondern Ware auf der Palette, keine schicke Beleuchtung, sondern nackte Neonröhren, keine Verkäufer und keine Kühltruhen.

Diese Sparsamkeit in Verbindung mit der Reduzierung auf wenige, besonders beliebte Artikel, die er durch riesige Einkaufsmengen von den Herstellern zu extrem günstigen Preisen bekam, wurden die Grundlage für den Aldi-Mythos und der Discounter-Sparte.

Zudem hat Karl Albrecht seiner Organisation von Anfang an eingeimpft, etwa in Verhandlungen mit Lieferanten um den Preis zwar knallhart, aber nicht gnadenlos zu sein. Beide Seiten sollten überleben können – das ist in der Discount-Szene längst nicht immer die Devise.

Und tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele von jahrzehntelangen Lieferbeziehungen, wenn sich die Hersteller an Albrechts hohe Qualitätsvorgaben hielten. Diese Verlässlichkeit in der Produktqualität ist neben dem günstigen Preis das, was Kunden als erstes einfällt, wenn sie den Namen Aldi hören.

Harte Arbeit, gutes Geld

Preissenkungen der Discounter gehen noch heute zumeist von Aldi aus, die später gegründeten Konkurrenten wie Lidl, Netto oder Penny ziehen in aller Regel nach. Mit bis zu fünf Prozent Umsatzrendite verdient Aldi trotz der niedrigen Preise deutlich mehr als die meisten anderen Lebensmittelhändler – weil die Verkaufsmaschine wie seit den ersten Tagen Karl Albrechts extrem kostengünstig und effizient und weitgehend ohne Wasserkopf arbeitet.

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Ähnlich wie mit den Lieferanten geht Aldi mit seinen Mitarbeitern um: Sie müssen zwar hart arbeiten, werden aber vernünftig bezahlt. Akademiker haben sehr gute Karrierechancen, ein Berufsstart bei Aldi macht sich gut in jeder Vita. Gewerkschaften haben dort kaum einen Fuß in die Tür bekommen.

Als das Unternehmen immer größer wurde, entschlossen sich die Brüder, die Kette zu teilen. Seit Beginn der sechziger Jahre führte Theo Albrecht „Aldi Nord“ und Karl den Süden. Dessen Teil-Konzern war immer der innovativere - oder besser: weniger innovationsfeindliche.

Neuerungen wie Scanner-Kassen oder Backautomaten, selbst das bargeldlose Bezahlen gab es in der Regel erst bei der Konkurrenz, dann bei Aldi Süd und zum Schluss im Norden. Derlei Investitionen wurden bei Albrechts geschoben, so lange es irgendwie ging.

Süden schlägt Norden

Legendär war das Tempo, mit dem Karl Albrechts Kassiererinnen die Preise der Artikel einzutippen vermochten – zumeist waren sie damit schneller als der Kunde beim Einladen der Ware in den Einkaufswagen.

Karl Albrechts Süd-Konzern entwickelte sich besser als der Norden. Und dessen Inhaber wurde noch reicher als Theo im Norden. Karl Albrecht galt viele Jahre als reichster Deutscher.

Das „Manager Magazin“ taxierte ihn 2012 auf 17,2 Milliarden Euro, was ihn auf Platz zehn der reichsten Menschen dieses Planeten brachte. Das US-Magazin Forbes veröffentlichte ein Vermögen von 20 Milliarden Euro, was für Platz 18 der Weltreichenliste reichte.

Das viele Geld wäre Bruder Theo Albrecht 1971 fast zum Verhängnis geworden: Er wurde entführt und erst gegen die Zahlung von sieben Millionen Mark wieder freigelassen. Seither achteten die Albrechts noch stärker darauf, jenseits der Öffentlichkeit zu leben.

Lidl macht Boden gut

Als die beiden Brüder ihre Teil-Unternehmen noch selbst führten, begann sich das Schmuddel-Image der Aldi-Läden zu drehen. Bis dahin pflegten viele Deutsche zu behaupten, dass sie nicht bei Aldi einkauften – was aber angesichts des rasanten Wachstums der Kette gar nicht sein konnte.

Als Aldi in den 80er-Jahren auch hochwertige Waren und jede Woche wechselnde Nicht-Lebensmittel-Produkte anbot, hatten immer weniger Deutsche ein Problem damit, zuzugeben, dass sie bei Aldi einkaufen. Inzwischen sind die Discounter klassenlose Einkaufsstätten. Aldi blieb die Nummer eins und wurde Kult.

Allerdings schaffte es Verfolger Lidl in den folgenden Jahren, den Abstand zum Branchenprimus stetig zu verringern – nicht zuletzt deshalb, weil Lidl auch Markenprodukte in nennenswerter Menge anbietet. Inzwischen mussten Karl Albrechts Nachfolger an der Firmenspitze unter dem Druck nachziehen und zumindest vorsichtig von der klassischen Gründer-Linie abweichen, vor allem Eigenmarken in die Regale zu räumen.

Leidenschaftlicher Golfer

Trotz seines Milliarden-Vermögens war Karl Albrecht notorisch sparsam. Er beschrieb Rückseiten von Papieren und soll mit Firmenadressen bedruckte Briefumschläge auch nach der Umstellung von vierstelligen auf fünfstellige Postleitzahlen weiter benutzt haben, bis alle verbraucht waren. Schlicht und unauffällig gekleidet soll Albrecht bisweilen in seinen Läden aufgetaucht sein, um nach dem Rechten zu sehen.

Dass er tatsächlich Orchideen züchtete, wurde nie belegt. Sicher ist aber, dass er leidenschaftlich gerne Golf spielte. Deshalb hatte er in den 70er-Jahren das Hotel „Öschberghof“ in Donaueschingen bauen lassen – mit dem damals größten Golfplatz in Deutschland.

1994 war Karl Albrecht aus der operativen Führung von Aldi Süd auf den Verwaltungsratsvorsitz gewechselt. 2002 zog er sich auch aus diesem Gremium zurück. Sein Sohn Karl verließ aus gesundheitlichen Gründen schon wenige Monate nach dem Vater das operative Führungsgremium. Seither wird Aldi Süd von familienfremden Managern geleitet. Tochter Beate bescherte ihrem Vater den gängigen Quellen zufolge sechs Enkelkinder.

Karl Albrecht hatte für den Fall der Fälle vorgesorgt: Sein Vermögen brachte er in eine Stiftung ein, die den Mädchennamen seiner Mutter trägt: Siepmann-Stiftung. Und schon in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte sich Karl Albrecht eine Grabstelle auf dem städtischen Friedhof in Essen gesichert. Dort fand er am Montag seine letzte Ruhe.

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