In der vorigen Woche hat Elon Musk öffentlich darüber nachgedacht, wie man den Krieg in der Ukraine beenden könnte. Der wahre Kern solcher Forderungen nach „Verhandlungen“, egal ob von Riesen wie Musk oder Scheinriesen wie Richard David Precht, ist, dass die Beendigung eines Krieges immer einen schmerzhaften Verzicht erfordert. Sogar nach einem 1945 total verlorenen Krieg hat es Jahrzehnte gedauert, bis Deutschland sich mit Gebietsverlusten abgefunden hat.
Kein Stück Weltliteratur schildert in dramatischer Kürze so eindringlich, was das wirklich bedeutet, wie das letzte Kapitel von Ricarda Huchs Geschichtspanorama „Der Dreißigjährige Krieg“. Es spielt zu Ostern 1650. Eigentlich ist die Verwüstung Deutschlands zwei Jahre zuvor mit dem Westfälischen Frieden beendet worden. Doch das Land und die Menschen sind noch lange nicht befreit.
Der Pfarrer, seine Tochter und das Enkelkind leben bei einem Bauern, weil das Pfarrhaus im Dorf genauso zerstört ist wie die Kirche. Ein nahe gelegener Ort war sogar komplett ausradiert worden und der einst reichste Bauer jenes Dorfes geistert als armer Flickschuster herum, wahnsinnig geworden durch den Verlust seiner Familie.
Der Ostergottesdienst wird im Freien abgehalten, das Abendmahl mit trockenem alten Brot zelebriert. In diesem Elend predigt der Pfarrer so, dass man beim Lesen wieder begreift, warum Religion die Antwort auf existenzielle Fragen sein kann: „Lasst euch nicht verführen, zu glauben, daß wir das Gute nicht vollbringen könnten, weil uns die Sünde aufgeerbt und eingefleischt wäre: das sagen die Trägen, die Schwelger, die Gleichgültigen.“ Mit den Trägen und Gleichgültigen machte Ricarda Huch 1933 eigene Erfahrungen: Als die Nazis die Preußische Akademie gleichschalteten, trat sie aus.
Mitten in den Gottesdienst platzt eine Gruppe kaiserlicher Soldaten, die aus alter Gewohnheit Geld fordern. Ihr Leutnant ersticht die Pfarrerstochter. Zuerst will der Vater sie eigenhändig rächen, stürzt sich mit dem Dolch auf den Soldaten. Dann kommt ein Offizier dazu, will den jungen Mann hängen lassen, um allen klarzumachen, dass derartiges Treiben nicht mehr geduldet wird.
Gemeinsames Abendmahl
Doch nun bittet plötzlich der Pfarrer um Gnade, „er habe seine Rache Gott geopfert und wolle seinen Tod nicht mehr“. Der verblüffte Offizier beharrt auf einem Exempel, lässt sich aber schließlich überreden. Am Ende nehmen die katholischen Soldaten mit den protestantischen Bauern das Abendmahl als Geste der Versöhnung. Dem Offizier widerstrebt das trockene Brot mehr als diese ketzerische Abweichung.
Wer diese paar in großartiger, gleichzeitig dramatischer und lakonischer Prosa geschriebenen Seiten liest, versteht, dass man Krieg zwar politisch beenden kann, aber dass man, um wirklich Frieden zu schaffen, der „neue Mensch“ werden muss, den der Pfarrer in seiner Predigt beschwört. Und man steht voller Bewunderung vor den Altvorderen, die das nach all den grausamen Kriegen, die auch Deutschland durchlebt hat, geschafft haben.