Wladimir Putin spricht mit Tucker Carlson: „Ich will keinen Krieg mit Polen“

Wladimir Putin spricht mit Tucker Carlson: „Ich will keinen Krieg mit Polen“

Der ehemalige Fox-News-Moderator ist der erste westliche Journalist, der Wladimir Putin interviewen durfte. Was waren die Themen bei dem Gespräch in Moskau?

Wladimir Putin gab Tucker Carlson ein Interview. Für den Moderator war der Grund für das Gespräch vermeintliches Unwissen der amerikanischen Bürger über die Lage in der Ukraine.
Wladimir Putin gab Tucker Carlson ein Interview. Für den Moderator war der Grund für das Gespräch vermeintliches Unwissen der amerikanischen Bürger über die Lage in der Ukraine.Gavriil Grigorov/AP

Schon das Ankündigungsvideo von Tucker Carlson, er würde Wladimir Putin interviewen, ging in den sozialen Netzwerken viral. Es ist schließlich das erste ausführliche Gespräch eines westlichen Journalisten mit dem russischen Präsidenten seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine vor zwei Jahren.

Unter anderem ging es um Deutschland und Berlin. Putin sagte, dass er nicht verstehe, warum die Bundesregierung die Ukraine dermaßen unterstützt und auf günstiges Gas aus Russland verzichtet. 

„Deutschlands Interessen werden vom kollektiven Westen gesteuert“, sagte Putin während des über zweistündigen Interviews mit Tucker Carlson. Anders könne sich der 71-Jährige das Handeln der Bundesregierung aus SPD, Grüne und FDP nicht erklären.

Putin sagte, er frage sich immer wieder, warum Deutschland kein russisches Gas annehme. „Lasst uns normal existieren“, so Putins Botschaft an die Bundesregierung. „Doch sie tun es nicht, die Leute dort sind sehr inkompetent.“

Auch die fehlende Aufklärung zu den Nord-Stream-Explosionen lassen sowohl Carlson als auch Putin mit fragenden Gesichtern zurück. Für Putin laufe bei der Täterfrage – auch wenn er trotz Nachfragen von Carlson keine Beweise während des Interviews liefern will – alles auf die CIA hinaus. „Wir müssen schauen: Wer hat ein Interesse daran und wer ist in der Lage, auf den Grund der Ostsee zu gelangen und eine solche Operation durchzuführen?“, fragte Putin und lächelte dabei immer wieder. Er machte während des Interviews immer wieder Anspielungen auf den amerikanischen Auslandsgeheimdienst und seine eigene Vergangenheit beim sowjetischen KGB.

Putin: Nato-Beitritt Russlands war möglich

Angesprochen auf die geopolitische Lage in der Welt, sagte Putin, er sei vom Westen zutiefst enttäuscht. „Russland erwartete, dass es in die brüderliche Familie der zivilisierten Völker aufgenommen würde, doch nichts dergleichen geschah“, so Putin rückblickend auf die Wirren der 1990er Jahre. Sogar einen Nato-Beitritt Russlands Anfang des Jahrtausends hat Putin im Interview nicht ausgeschlossen. Der Annäherungsprozess wurde jedoch laut dem russischen Präsidenten durch die Nato-Osterweiterungswellen unterminiert. Nun laufe alles auf eine neue Zweiteilung der Welt hinaus, so Putin. Vor China habe der Westen sogar noch mehr Angst als vor Russland

Für den ehemaligen Fox-News-Moderator Carlson gab es auch eine kleine Nachhilfestunde in Geschichte: Putin bat darum, seinem Gegenüber zu Beginn des Gesprächs „für nur 30 Sekunden einen kleinen historischen Hintergrund“ zu geben. Daraus wurde jedoch ein etwa fünfminütiger Monolog, in dem Putin seine Sicht auf die historischen Beziehungen zwischen Russland und Ukraine darlegte und die Existenz des osteuropäischen Landes infrage stellte. „Die Ukraine ist gewissermaßen ein künstlicher Staat, der durch den Willen Stalins geschaffen wurde“, so die Argumentation Putins. 

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Während des Euromaidans 2014, für Putin die Wurzel des heutigen Krieges in der Ukraine, habe man „Russland an der Nase herumgeführt“. Die CIA habe jedoch während der Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre „mehr Fehleinschätzungen gemacht, als man sich vorstellen mag“. Russland habe wiederum niemand zugehört, sagte Putin. „Unter dem Deckmantel verschiedener Zentren für die Ausbildung und Umschulung von Nato-Personal wurde aus der Ukraine ein Stützpunkt gemacht“, schlussfolgerte der russische Präsident. 

Warum die Ukraine die Friedensverhandlungen in Istanbul im Frühling 2022 abgesagt haben soll, wisse Putin ebenfalls nicht: „Ich verstehe es selbst nicht. Aus irgendeinem Grund hatten sie die Illusion, dass Russland auf dem Schlachtfeld besiegt werden könnte – sie waren arrogant“. Weiter sagt Putin: „Früher oder später werden wir sowieso zu einer Einigung kommen. Es mag in der heutigen Situation sogar seltsam klingen: Die Beziehungen zwischen den Völkern werden sowieso wiederhergestellt. Es wird lange dauern, aber sie werden wiederhergestellt“. Zudem gab er an, dass er kein Interesse an einer weiteren Eskalation oder an einem Krieg mit Polen oder dem Baltikum hätte.

Hoffnung schürte Putin in der Causa Evan Gershkovich. Der renommierte Wall-Street-Journal-Reporter sitzt seit März vergangenen Jahres in Moskau hinter Gittern, er ist der erste amerikanische Journalist, der seit dem Ende des Kalten Krieges aufgrund des Vorwurfs der Spionage in Russland festgenommen wurde. „Unsere Sicherheitsdienste sind im Austausch, es gibt keine Tabus, auch wir wollen das Problem lösen“, sagte Putin. Dabei machte er Anspielungen auf einen „Dialog zwischen Moskau und Washington“, wobei Putin auf den Mord im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit vom Dezember 2021 anspielte und sein Interesse am sogenannten Tiergartenmörder verbriefte. Am Ende bedankte sich Tucker Carlson für das Gespräch.

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