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Capitaine Fracasse

Abenteuer | Frankreich 1929 | 89 Minuten

Regie: Alberto Cavalcanti

Frankreich im 17. Jahrhundert: Ein verarmter Baron aus der Gascogne schließt sich einer Truppe von Wanderschauspielern an und zieht mit ihr nach Paris, wobei auf dem gemeinsamen Weg etliche Abenteuer zu bestehen sind, er seine Fechtkunst unter Beweis stellen und die Liebe einer naiven Schauspielerin erobern kann. Attraktive Stummfilm-Version des gleichnamigen Romans von Théopile Gautier, mit stimmungsvollen Viragen akribisch rekonstruiert. Die furios montierten, schwungvollen Abenteuerszenen, der heitere Handlungsverlauf sowie die konventionelle Liebesromantik werden nicht zuletzt dank der ambitionierten, zunächst gewöhnungsbedürftigen Neukomposition mit viel Eigenleben ausgestattet. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
LE CAPITAINE FRACASSE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1929
Produktionsfirma
Lutèce Film
Regie
Alberto Cavalcanti · Henry Wulschleger
Buch
Alberto Cavalcanti · Henry Wulschleger
Kamera
Georges Benoit · Paul Portier
Musik
Michel Portal
Darsteller
Pierre Blanchar (Capitaine Fracasse/Baron de Sigognac) · Lien Deyers (Isabelle, die Treuherzige) · Marguerite Moreno (Dame Léonarde) · Charles Boyer (Duc de Vallombreuse) · Odette Josylla (Zerbine)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Abenteuer | Drama | Literaturverfilmung | Stummfilm
Externe Links
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Diskussion
Der 1863 erschienene und seit 1909 mehrfach verfilmte Roman „Le Capitaine Fracasse“ von Théophile Gautier – auch Abel Gance und zuletzt Ettore Scola (1991) adaptierten ihn für die Leinwand – galt in der von Alberto Cavalcanti inszenierten Version lange als verloren. Das aus Brasilien stammende Multitalent mit italienischer Abstammung kam nach Jura- und Architekturstudien in Genf nach Paris, wo er sich als Ausstatter von Marcel L’Herbier und Jean Renoir rasch in die Künstlerschickeria der Seine-Metropole integrierte. Seine ersten eigenen Arbeiten waren avantgardistische Versuche, anschließend folgten Alltagsgeschichten mit Trend zum melancholisch-poetischen Realismus. Die Produzenten vom sich abzeichnenden Siegeszug des Tonfilms zu überzeugen, vermochte Cavalcanti allerdings nicht, sodass dem 1928 gedrehten „Le Capitaine Fracasse“ kein Erfolg beschieden war. Frankreich im 17. Jahrhundert. Der junge Baron de Sigognac hat sich auf dem armseligen Familienbesitz in der Gascogne ganz in seine Träume geflüchtet. Eines Abends bittet eine Gruppe von Wanderschauspielern um Unterkunft. Mit dem Lohn ihrer letzten Aufführung, köstlichen Naturalien, richten sie ein kleines Festessen aus. Isabelle, eine junge Schauspielerin, verliebt sich dabei in den Adeligen. Wenig später reitet er auf einer klapprigen Mähre den Komödianten hinterher, um mit jenen ein anderes Leben kennen zu lernen. Nach einem Überfall des Räubers Agostin ist der Tod eines Schauspielers zu beklagen, und Sigognac übernimmt unter dem Namen „Hauptmann Fracasse“ dessen Part. Als der Herzog von Vallombreuse ein Auge auf die hübsche Isabelle wirft und sie entführen lässt, schlägt die Stunde des Barons. Unter seiner heldenhafter Führung belagert die Truppe das als Gefängnis dienendes Schloss. Dank der auch von Sigognacs Gegnern anerkannten Fechtkunst und List gelingt es, die Wachen zu überwinden. Der Baron verletzt den Konkurrenten, und der Vater von Vallombreuse erkennt in der jungen Mimin seine vor langer Zeit geraubte Tochter, die er nun dem standesgemäßen Edelmann zur Ehe gibt. Auf dem Weg nach Hause sehen die Verliebten, dass dem Räuber Agostin ein grausames Schicksal droht; seine Helferin, das Zigeunermädchen Chiquita, erspart ihm mit einem Dolchstoß die Qualen des Räderns. „Das Ausland sucht in der Ferne, oft in unserer Geschichte, heroische Abenteuer, und wir dienen ihm auf ihre Art. Wir werden die gelungene Probe mit ‚Le Capitaine Fracasse’ sehen, einen unvergleichlichen Roman, aus dem ein Film von außerordentlicher Qualität geworden ist. Das Drehbuch – menschlich, brillant und zärtlich – zeigt den Stolz unserer Nation und die kämpferische Tugend, (…) lustige Zechereien und jede Menge weiblicher Kostüme. Es gibt Soldaten, das Volk, Feste, Paraden und eine Komödie, es gibt Schlachten und den Triumph der Liebe. Das alles ist Kino, das alles ist das Leben.“ So schrieb der „Cinématographe Française“ euphorisch im Januar 1929 zur Uraufführung. Die nun ausgestrahlte, viragierte Fassung des Films weist orangebraune Töne in den Innenszenen (Schloss, Gasthäuser), kräftige stahlblaue Nachtaufnahmen und schwarz-weiße, in zartes Rosa getauchte Tagesszenen auf. Die musikalische Untermalung des Stummfilms setzt auf eigenständige, harte Kontraste. Die vom (Free-)Jazz beeinflusste Komposition Michel Portals (Jhrg. 1935) ist zunächst gewöhnungsbedürftig: weit entfernt vom Abenteuer betonten, heiteren Handlungsverlauf, einer konventionellen Liebesromantik und schwungvollen Kampfszenen, wirkt sie mit sehr viel Eigenleben ausgestattet. Die Kontrapunktik zur naiven Unschuld und dem edlen Ritter, zum Bild vom bösen Räuber und dem Lokalkolorit mit den verruchten Spelunken und dem Schauspielermilieu wirft die ständig aktuelle Frage nach der musikalischen Verfremdung des Bildes auf, womit offensichtlich die allzu saftige Anmut der literarischen wie filmästhetischen Vorlage gebrochen werden soll. Eindringlich und filmisch gut umgesetzt bleiben vor allem die furios montierte und gespielte Einnahme des Schlosses, die Fechtszenen und die grandiose Andeutung des Räderns im Kopf. Auch Schärfeverlagerungen, die Gestaltung von Vorder- und Hintergrund durch Rauch, Nebel oder Schatten vermögen neben der effektvollen Schnitttechnik heute noch zu überzeugen.
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