Teddy Teclebrhan: Die Erfolgsgeschichte des Comedians
Comedian Teddy Teclebrhan sitzt auf einem Stuhl und wirft seinen Mantel weg.
© Norman Konrad
Talent Comes Naturally

Teddy Teclebrhan: Das ist seine Erfolgsgeschichte

Wie ein Einwanderer aus Eritrea den kleinsten gemeinsamen Nenner des deutschen Humors gefunden hat und es schafft, das ganze Land auf YouTube zu verbinden.
Autor: David Mayer
10 min readveröffentlicht am
Ende April 2020 - überall sind die Menschen noch damit beschäftigt, die ungewohnte Lage zu verdauen - erreicht Deutschland via YouTube eine beruhigende Botschaft, überbracht von einem gewissen Antoine Burtz, einem schrägen Typ mit Schnauzbart, der auf einem klapprigen Moped in gelb-schwarz gestreifter Proll-Jacke zu Dance-Beats durch Köln tuckert. Sie lautet: „Deutschland isch stabil!“ Die Parole bildet den Refrain des gleichnamigen Songs.
"Ich bin kein weiser Mann und auch kein Prophet. Aber eins weiß ich genau, hier isch gar nichts zu spät“, singt Antoine in seinem von Straßen-Slang gefärbtem schwäbischem Dialekt, während dazu Menschen auf dem Bürgersteig tanzen. Der Song verströmt genau jene positive Energie, nach der sich die Menschen gerade jetzt so sehnen: Innerhalb eines Tages sammelt das Video eine Million Klicks. Antoines Darsteller und Erfinder, der Comedian Tedros „Teddy“ Teclebrhan, hat einen Nerv getroffen. Wieder einmal.
Seit knapp zehn Jahren bringt der heute 37-Jährige die unterschiedlichsten Menschen zum Lachen - die 12-jährige Schülerin genauso wie den 53-jährigen Buchhalter, den 19-jährigen Einwanderer und die 69-jährige Rentnerin. Dabei liefert Teddy nicht gerade ein weichgespültes Wohlfühlprogramm für die ganze Familie. Mit fiktiven Figuren wie dem naiven Arbeitslosen Antoine Burtz oder dem mit Ausländern fremdelnden schwäbischen Rentner Ernst Riedler begibt er sich auf politisch heikles Terrain. Doch genau damit gelingt ihm ein kleines Wunder: Auf YouTube können sich Menschen auf seine Videos einigen, die in Diskussionen auf Twitter oder Facebook aufeinander losgehen. Stellt sich die Frage: Wie genau bringt er so verschiedene Menschen zum Lachen? Und: Was können wir von ihm lernen - für das Zusammenleben, die Karriere und für den Erfolg in sozialen Medien?
Arbeit darf sich nicht wie Arbeit anfühlen.
Teddy Teclebrhan

1. Zusammenleben: Humor kann helfen

Ein Dienstagvormittag Anfang Juli in einem Industriegebiet in Köln-Niehl. Hier befndet sich das Studio, in dem das Covershooting für INNOVATOR by The Red Bulletin stattfindet. Als Teddy den Raum betritt, herrscht sofort eine gelöste Stimmung. Der 1,87 Meter große Comedian gehört zu den Menschen, die einen Raum zum Leuchten bringen können. Noch in Jogginghose und Hoodie grüßt er abstandskonform mit angedeuteter Verbeugung, fragt mit leiser Stimme, wo alle herkommen, und zwinkert seinem Gegenüber im Gespräch zu. Zweieinhalb Stunden später sind die ersten Fotos geschossen, und Teddy lässt sich zum Gespräch auf ein braunes Sofa fallen. Also, Teddy: Wie begeisterst du so viele, so unterschiedliche Menschen? „Meine Figuren bilden die gesamte Gesellschaft ab - mit all ihren Schwächen“, sagt er. Wie verschieden Menschen sein können, hat Teddy früh lernen müssen.
Er war noch ein Baby, als seine Mutter mit ihm und seinen zwei Brüdern vor dem Bürgerkrieg aus Eritrea flüchtete. Die Familie landete über Umwege in der schwäbischen Kleinstadt Mössingen. Dort trafen Flüchtlinge auf Akademiker aus der Universitätsstadt Tübingen, die sich die dortigen Mietpreise nicht leisten wollten, und alteingesessene Schwaben. Teddy fühlte sich willkommen, nur manchmal wurde er an seine Andersartigkeit erinnert. „Wenn andere mich nur wegen meines Aussehens verurteilt haben, hat mich das unendlich traurig gemacht“, erzählt er. Bestärkt von seiner kämpferischen Mutter, legte Teddy noch als Kind die Opferrolle ab. „Ich habe gemerkt: Nicht ich habe ein Problem, sondern die - mir ging’s ja super.“
Teddy beginnt, die Menschen um sich herum zu beobachten: den Mathelehrer, der aufmüpfgen Mitschülern das Ohr umdreht - steckt dahinter nicht ein tief unglücklicher Mensch? Er merkt, wie diese Erkenntnis seinen Ärger reduziert. Später, als er in einem Lebensmittelladen arbeitet, fragt ihn ein Stammkunde, ob er mit seiner Familie früher auf Bäumen gewohnt habe. Teddy spürt, dass der Mann gar nicht bemerkt, wie beleidigend seine Worte sind. Statt ihn aus dem Laden zu werfen, sagt er ihm geraderaus, dass sein Weltbild von vorgestern, wenn nicht aus der Steinzeit ist. Und tatsächlich: Der andere wird nicht wütend, sondern hört zu. Und Teddy kann nicht anders, als über die Vorstellung von seiner Familie auf einem Baum zu lachen. „Humor kann heilen“, sagt Teddy. Mit dem Mann von damals entwickelte sich später ein freundschaftliches Verhältnis. Als Nachsicht will Teddy seine Haltung aber ganz und gar nicht verstanden wissen: „Natürlich müssen wir Rassismus weiter bekämpfen und verurteilen - gerade im Alltag.“ Es geht ihm viel mehr um die Diskussionskultur an sich. „Manchmal stürzen wir uns nur noch auf Worte und vergessen, auf unser Gespür für den Menschen dahinter zu hören.“
Es ist sein spezieller Blick auf die Welt, mit dem Teddy fast jeden anspricht. Aus Menschen wie dem Stammkunden erschuf er seine Figur Ernst Riedler, jenen Rentner, der in einem Video arglos erzählt, wie er einen Migranten, der ihn nach der richtigen Verbindung nach Hause fragt, in einen Bus nach Russland setzt. Natürlich ist der Gag zynisch, und dennoch fühlt es sich bei Teddy nicht falsch an, darüber zu lachen. Wenn seine Figuren unbeholfen in die Kamera schauen, haben sie etwas Verlorenes. Er spielt sie als Menschen, die schon mal aus Unbedarftheit danebentreten und trotzdem liebenswert sind. Kurz: Er mag sie - und das wiederum spüren die Zuschauer.
Teddy Teclebrhan grinsend mit Mantel auf einem Stuhl.

Egal was Teddy macht: Er achtet darauf, dass der Vibe stimmt.

© Norman Konrad

2. Karriere: Glaube an die Kraft deiner inneren Stimme

Ich habe immer gespürt, wenn Menschen etwas in mir sahen, was ich noch nicht gesehen habe - ohne sie wäre meine Karriere nicht möglich gewesen
Teddy Teclebrhan
Auch Teddy sind Fehltritte nicht fremd. In der Hauptschule schlägt er über die Stränge, die Mitarbeiter des Jugendamts kennt er bald mit Vornamen. Es ist eine Reise nach Kanada, die seinem Leben eine neue Richtung gibt. Nach der Schule verbringt er zehn Monate bei seiner Tante in Nordamerika. Fernab der schwäbischen Heimat entdeckt Teddy seine Spiritualität. „Ich glaube daran, dass da etwas Großes ist, was uns am Leben hält - was alles am Leben hält.“ Es ist unter anderem diese Spiritualität, die ihm bis heute die Kraft gibt, auf sein Inneres zu vertrauen.
Als er nach seiner Rückkehr aus Kanada den tiefen Wunsch verspürt, Schauspieler zu werden, folgt er diesem Ziel konsequent. Und seine innere Überzeugung kommt bei anderen an. Beim Vorsprechen an einer Stuttgarter Schauspielschule liest er - mangels jeglicher Schauspielerfahrung - auch die Regieanweisungen laut vor. Aber die Prüfer sehen trotzdem etwas in ihm, nehmen ihn erst mal für ein Jahr zur Probe auf. Am Ende besteht er als einer von drei die knochenharte Ausbildung, zu Beginn waren sie noch 18 gewesen. Nach seinem Abschluss bewirbt er sich für das Musical „Hairspray“ in Köln - als einziger Schauspieler neben erfahrenen Musical-Darstellern. Beim Tanzen stößt er beinahe mit den anderen zusammen, doch der in der Jury sitzende belgische Choreograf Bart De Clercq ist schnell von ihm überzeugt und setzt sich für ihn ein.
„Ich habe immer gespürt, wenn Menschen etwas in mir sahen, was ich noch nicht gesehen habe - ohne sie wäre meine Karriere nicht möglich gewesen“, sagt Teddy. Außerdem hilft ihm sein Selbstvertrauen, immer wieder mutige Entscheidungen zu treffen. So beschließt er früh in seiner Karriere, mit niemandem zusammenzuarbeiten, der ihm in seine Ideen reinredet. Bestes Beispiel: Nachdem er 2011 einen ZDF-Wettbewerb gewonnen hat, bekommt er einen eigenen Sendeplatz: „Teddys Show“ - inklusive Band und Studiopublikum. Nach kaum einem Jahr beendete er das Experiment trotz guter Kritiken. Warum? Bedenkentragende Redakteure hatten sich zu sehr in seine Ideen eingemischt, er wollte sich erst mal wieder mehr auf seinen YouTube-Kanal konzentrieren. Dass ihm die Fernsehleute mittlerweile vertrauen, auch wenn manche Einfälle zunächst seltsam klingen mögen, sieht Teddy als einen seiner größten Erfolge. Wie gewohnt geht er auch heute noch vor jeder Entscheidung tief in sich und befragt seine Intuition. „Mein Gefühl hat mich noch nie getäuscht“, sagt er.
Teddy Teclebrhan mit blauem Pullover beim Fotoshoot.

In Köln geht Teddy täglich ins Café und beobachtet, was die Menschen bewegt

© Norman Konrad

3. Social Media: Spiel nach deinen eigenen Regeln

Im Jahr 2011 dreht Teddy ein Video. Darin nimmt er als Antoine an einer gestellten Straßenumfrage teil. Auf die Frage „Wer ist Deutschlands Bundeskanzler?“ antwortet Antoine erst zögerlich, dann überzeugter mit „Angelo Merte“. Deutschlands Hauptstadt? Klar, Luxemburg. Teddy spielt Antoines Wechselbad zwischen Unsicherheit und Auftrumpfen so feinfühlig, dass selbst Journalisten das Video für echt hielten. Auf YouTube explodieren die Abrufzahlen, nur ein Jahr später spielt der bis dahin vollkommen Unbekannte zweimal hintereinander in der mit 7500 Zuschauern ausverkauften Porsche-Arena in Stuttgart.
„Ohne YouTube wären meine Figuren nicht denkbar, nur dort hatten sie die Freiheit, sich zu entwickeln“, sagt Teddy. Kein TV-Redakteur hätte einen Beitrag wie „Antoines Traum“ freigegeben, in dem die Figur 17 Minuten lang über ihren Traum von einer Karriere als Actionheld sinniert. „Ich habe immer gesagt: Wenn es gut ist, bleiben die Leute dran“, sagt Teddy. „Umfrage zum Integrationstest (was nicht gesendet wurde)“ kommt heute auf knapp 40 Millionen Views.
Auf diese Weise nutzt Teddy die Freiheiten der Plattform, ohne sich ihren Regeln zu unterwerfen. Bis heute verfolgt er keine digitale Strategie, ein fixes Social Media-Team gibt es nicht, nur ein loses Netzwerk. Kommt ihm eine Idee, was besonders oft beim Joggen passiert, verabredet er sich mit einem Kameramann und improvisiert drauflos. Anschließend schneidet er das Material mit einem Cutter. Und während Experten zur Steigerung der Reichweite tägliches Posten empfehlen, zieht sich Teddy oft monatelang aus der Online-Welt zurück - vor allem, wenn das Internet zu viel Raum in seinem Leben einnimmt. Woran er das merkt? „Wenn mein Daumen macht, was er will. Wenn ich mein Handy ausstellen wollte und merke, dass ich seit 20 Minuten durch Instagram wische.“ Die Daumenregel funktioniert: Während der fünf Stunden im Studio schaut er nur aufs Handy, um das nächste Album von D’Angelo aufzulegen, dessen Soul aus den Boxen dröhnt.

Fazit: Bleibe unabhängig und lebe

Erfolg ist für mich, wenn ich alles im Griff habe: wenn meine Familie glücklich ist, wenn ich gesund bin, wenn ich genug Zeit für Freunde habe und wenn mich meine Arbeit erfüllt.
Teddy Teclebrhan
Teddy lehnt sich auf dem braunen Sofa zurück und blickt zum Eingang, wo sein Booker Ralph mit Stylistin Christina quatscht. „Wenn der Vibe stimmt, ist alles einfach, dann fühlt sich Arbeit nicht wie Arbeit an. Dafür brauchst du die richtigen Leute“, sagt Teddy. Gerade läuft es für ihn: Auf seiner Tournee spielte er in ausverkauften Arenen, in der ZDF-Serie „Nachtschicht“ glänzt er an der Seite von Armin Rohde, auf ProSieben ist er ab Herbst in einer großen Musikshow zu sehen, und Antoine, Ernst und Co. sammeln auf YouTube weiter Millionen Klicks.
Was Erfolg für ihn bedeutet? „Erfolg ist für mich, wenn ich alles im Griff habe: wenn meine Familie glücklich ist, wenn ich gesund bin, wenn ich genug Zeit für Freunde habe und wenn mich meine Arbeit erfüllt.“ Auf Wettbewerb war Teddy noch nie aus: nicht damals auf dem Basketballplatz in Mössingen und nicht heute beim Blick auf die YouTube-Klicks. Für ihn zählt, dass er sich von nichts und niemandem abhängig macht und dass er in gutem Kontakt steht - mit dem Leben, mit der Welt und mit sich. Seine Fans spüren, dass da etwas dran ist. Und noch immer werden es täglich mehr.
Teddy Teclebrhan im Mantel beim Fotoshoot.

In seiner Arbeit und im Leben hört Teddy vor allem auf seine Intuition.

© Norman Konrad

Tedros "Teddy" Teclebrhan - Zahlen und Fakten

  • 1983... wird Tedros als jüngster von drei Söhnen in Eritrea im Nordosten Afrikas geboren.
  • 7 Monate... So alt war Teddy, als er mit seiner Mutter und seinen Brüdern aus Eritrea floh.
  • 231... Die Anzahl der Videos auf dem YouTube-Kanal „Teddy Comedy“.
  • 1.170.000... Menschen haben den YouTubeKanal „Teddy Comedy“ abonniert.
  • 25... Produkte verkauft Teddy in einem Online-Shop. Darunter zwei Poster mit dem AntoineZitat: „Ich tu hasseln.“
  • Über 300 Mal... stand Teddy für seine Live-Shows bereits auf der Bühne. Im Schnitt tourt er mit einem Programm zwei Jahre. Zuletzt absolvierte er eine Clubtour.
  • 9 Monate lang... (Dezember 2009 bis September 2010) spielte Teddy die Rolle des Seaweed J. Stubbs im Musical „Hairspray“ in Köln.

Teddys größte YouTube-Erfolge

Über 40.000.000 Views: „Umfrage zum Integrationstest (was nicht gesendet wurde)“. Antoine Burz redet sich in einer Straßenumfrage um Kopf und Kragen. Zitat: „Wer ist Deutschlands Bundeskanzler?“ - „Angelo Merte.“
Über 13.000.000 Views: „Antoine Boot Camp Nr. 1“. Antoine Burz gibt vier Jugendlichen Kampfsport-Training. Zitat: „Das isch kein Zuckerspiel.“
Über 11.300.000 Views: „Antoine feat. Teddy Teclebrhan - Lohn isch da …“. Antoines Hymne an den Tag im Monat, an dem ihm das Arbeitsamt Geld überweist. Zitat: „Tu dein Leben genießen, egal ob Kohle oder nicht."
Über 9.300.000 Views: „3 Stufen“. Percy rechnet mit seinem Vater ab, Antoine gibt Tipps zur Konfliktlösung. Zitat: „Vater, dein Bein isch verdreht.“