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Panorama Debatte um Bezahlkarte

„Glauben Sie das wirklich?“, fragt Lanz den Grünen-Politiker Onay

Redakteur
Moderator Markus Lanz und Oberbürgermeister Belit Onay Moderator Markus Lanz und Oberbürgermeister Belit Onay
Moderator Markus Lanz und Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne)
Quelle: ZDF/Markus Hertrich
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Mit einem grünen Oberbürgermeister spricht Markus Lanz über die Bezahlkarte für Asylbewerber. Die Rolle des politischen Gegners muss der Moderator selbst einnehmen – denn ein CDU-Mann in der Runde punktet mit nüchterner Zurückhaltung.

Klar, es hätte prominentere Politiker für diese Runde gegeben. Über die Bezahlkarte für Asylbewerber wird ja auf höchster Ebene gestritten. Grünen-Chefin Ricarda Lang stemmt sich gegen eine bundesweite Regelung und betonte gerade erst, sie könne die Aufregung über die Haltung ihrer Partei „nicht nachvollziehen“. FDP-Vize Wolfgang Kubicki drohte gar mit einem Koalitionsbruch, sollten die Grünen das Projekt „tatsächlich torpedieren“.

Doch statt Lang und Kubicki sitzen bei Markus Lanz am Donnerstagabend angenehmerweise zwei Männer, die das Thema aus der Praxis kennen: der grüne Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay, und der CDU-Politiker Christian Herrgott, der sich im Januar bei der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis in Thüringen gegen den AfD-Kandidaten durchgesetzt hat.

Beide haben in ihren Gebieten eine Bezahlkarte für Asylbewerber eingeführt. Und beide haben komplett unterschiedliche Ansichten dazu, wie eine solche Karte funktionieren sollte.

Damit sind sie ziemlich gute Ansprechpartner für den jüngsten Streit in der Ampel-Koalition: Im November hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte für Asylbewerber einzuführen, um Barauszahlungen einzuschränken. SPD und FDP pochen darauf, dass es dafür eine bundesweite Regelung und eine gesetzliche Anpassung brauche, auch um Klagen zu verhindern. Die Grünen halten das für überflüssig.

Um die rechtlichen Fragen geht es Lanz an diesem Abend kaum. Stattdessen schaut er sich mit seinen Gästen an, wie eine Bezahlkarte aussehen könnte – und wie unterschiedlich die Herangehensweisen der Städte und Landkreise sind, in denen sie schon eingeführt wurde.

Es gehe um einen „diskriminierungsfreien Zugang“, sagt Onay

CDU-Politiker Herrgott erklärt, wie das System in seinem Landkreis funktioniert: Auf der Karte sind demnach monatlich 400 Euro verfügbar, dazu kommt ein Taschengeldsatz von 50 Euro, den Asylbewerber bar abheben können. Verwenden lässt sich die Karte im Saale-Orla-Kreis und den benachbarten Landkreisen, nicht aber bundesweit.

Ganz anders funktioniert die Karte, die Oberbürgermeister Onay in Hannover eingeführt hat: Damit können die Besitzer ohne Einschränkung so viel Geld abheben, wie ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zusteht – also deutlich mehr als 50 Euro im Monat. Es gehe, sagt Onay, um einen „diskriminierungsfreien Zugang“. Der entscheidende Vorteil der Karte sei der geringere Verwaltungsaufwand.

Lanz hakt nach. Das Geld könne also auch komplett abgehoben und überwiesen werden, sagt er und öffnet damit die große Frage, um die es in der Debatte geht: Wie viel deutsches Steuergeld überweisen Asylbewerber in ihre Herkunftsländer? Und wie lässt sich das verhindern?

Es gebe „keine Faktenlage“, die bestätige, dass Leistungen ein Pullfaktor für Migration seien, sagt Onay. Lanz unterbricht: „Glauben Sie das wirklich, dass es für Leute nicht wichtig ist, wie viel Geld, wie viele Leistungen du in einem Land kriegst? Das glauben Sie nicht ernsthaft!“

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Onay entgegnet, Deutschland sei wegen seiner Sicherheit besonders attraktiv, es habe eine gute Infrastruktur und ein gutes Image in der Welt. Die Entscheidung, sich hierher auf den Weg zu machen, hänge aber nicht davon ab, „ob zehn Euro mehr, 20 Euro weniger“ ausgezahlt würden. „Es ist nicht bewiesen, dass der Migrationsentschluss, nach Deutschland zu kommen, von der Leistung abhängt.“

„Und das ist das Futter am Ende für die AfD“

Die Journalistin Helene Bubrowski hält dagegen. Wer leugne, dass Geld eine Rolle spiele, der gebe „populistischen Kräften Futter, weil man das Gefühl hat, das ist eine Art von Unaufrichtigkeit“. Diese Ehrlichkeit müsse man „schon aufbringen“, die Migrationspolitik kranke in den vergangenen Jahren schließlich daran, dass Probleme nicht offen angesprochen würden. „Und das ist das Futter am Ende für die AfD.“

Auch Lanz greift Onay in der Sendung immer wieder an. Er muss die Rolle des politischen Gegenspielers einnehmen, weil er einen echten Gegenspieler nicht eingeladen hat. Herrgott, der CDU-Mann, hält sich angenehm zurück. Statt die Bezahlkarte des grünen Oberbürgermeisters zu kritisieren, erklärt er, weshalb er sich in seinem Landkreis für ein anderes Modell entschieden hat. „Das ist keine Karte, die diskriminiert, sondern das ist eine Karte, die einfach geltendes Recht umsetzt“, sagt er. Die Überweisung von Geld in die Herkunftsländer werde damit deutlich eingeschränkt, ebenso der Radius, in dem die Menschen einkaufen könnten.

Onay bleibt dabei, dass weniger Bargeld zu Situationen führe, in denen „Integration plötzlich ins Wanken gerät“. Etwa dann, wenn Betroffene die Pommes im Schwimmbad nicht bezahlen oder nicht auf dem Wochenmarkt einkaufen könnten, weil dort keine Kartenzahlung akzeptiert werde. Wieder geht Lanz auf Konfrontation: „Die Menschen, über die wir hier reden, die gehen sicher nicht auf einem teuren Wochenmarkt einkaufen. Das ist weltfremd.“

Onay: „Ich weiß nicht, auf welchen Wochenmärkten Sie unterwegs sind, aber in Hannover haben wir sehr viele Wochenmärkte, die gerade von Familien mit geringem Einkommen genutzt werden, weil es dort gute, günstige Angebote gibt.“

Lanz: „Das ist günstiger als im Supermarkt?“

Onay: „Durchaus! Kommen Sie mal nach Hannover, wir gehen zusammen mal über ein paar Wochenmärkte und kaufen schön frisch und günstig ein.“

Später in der Sendung wird Lanz erklären, dass eigentlich Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen in die Sendung eingeladen war und kurzfristig absagen musste. „Sie sind dankenswerterweise eingesprungen“, sagt er, zeigt auf Onay und fügt hinzu: „Sie müssen hier auch ein bisschen was aushalten, aber Sie sind Profi, Sie können das.“ Onay lächelt.

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