Die Schweiz ist mit Recht stolz auf ihre langjährige Tradition in der Maschinenherstellung. Mit Starrag-Tornos entsteht hierzulande ein neues Schwergewicht, dessen Aktivitäten sich auf beide Seiten des Röstigrabens erstrecken werden. Rechtlich soll die Fusion am 7. Dezember vollzogen werden, als erster Handelstag für die Aktien des Unternehmens ist der 8. Dezember vorgesehen.
Auf einem der vordersten Plätze
Die zusammengeführten Firmen, deren Spezialität Maschinen für das Fräsen und Drehen von Metallteilen ist, hatten ihren Sitz in Rorschacherberg (Starrag) beziehungsweise in Moutier (Tornos). Gemeinsam werden sie einen Umsatz von einer halben Milliarde Franken erreichen und fast 2000 Personen beschäftigen.
Im Bereich der Zerspanung, wie das Fräsen und Drehen von Metallteilen auch genannt wird, reicht dies weltweit für einen der vordersten Plätze. «Damit sind wir jemand», sagt Michael Hauser, der designierte Verwaltungsratspräsident und CEO von Starrag-Tornos.
In Europa gibt es laut Hauser abgesehen vom japanisch-deutschen Branchenführer DMG Mori mit der bayrischen Familienfirma Grob und Georg Fischer (GF) aus Schaffhausen nur noch zwei umsatzstärkere Anbieter. Ungefähr in derselben Liga spielen zudem einige wenige japanische und südkoreanische Werkzeugmaschinenhersteller sowie die US-Firma Haas Automation.
Ein Leben für die Werkzeugmaschinenindustrie
Weltweit werden mit Maschinen für die Zerspanung, die in der Uhren-, Medizintechnik-, Flugzeug- oder Automobilindustrie zum Einsatz gelangen, schätzungsweise 55 Milliarden Euro umgesetzt. Hauser kennt die Werkzeugmaschinenbranche wie kaum ein anderer Manager. Der 62-jährige gelernte Kaufmann ist seit über 30 Jahren für Unternehmen dieses Sektors tätig. Er arbeitete in leitender Position auch schon für GF sowie für den Bieler Maschinenbauer Mikron. «Ich habe mein gesamtes Berufsleben in der Werkzeugmaschinenindustrie verbracht», sagt Hauser.
Die Ernennung zum Präsidenten und Konzernchef von Starrag-Tornos stellt für den gebürtigen Allgäuer, der seit 1996 in Biel lebt und fliessend Französisch spricht, eine grosse Genugtuung dar. Dabei zeigt sich indes auch: Wer es in einer Branche ganz nach oben schaffen will, muss mitunter lange ausharren.
Langjähriger Chef von Tornos
In den vergangenen zwölf Jahren stand Hauser bereits der Geschäftsführung von Tornos vor. Allerdings kam das Unternehmen selbst in guten Jahren kaum über einen jährlichen Umsatz von 200 Millionen Franken hinaus. «Wir waren damit als börsenkotierte Firma zu klein», sagt Hauser selbstkritisch.
Das Unternehmen aus dem Berner Jura schrieb obendrein mehrfach rote Zahlen. Dabei wurde ihm ausser seinem grossen Kostenblock im teuren Franken – die Produktion konzentriert sich trotz Fabriken in Asien bis heute zu einem gewichtigen Teil auf Moutier – auch die frühere starke Abhängigkeit vom krisenanfälligen Automobilsektor zum Verhängnis.
Hauser verlor in all den Jahren gleichwohl nie das Vertrauen des Hauptaktionärs Walter Fust. Der Ostschweizer Unternehmer ist seit Jahrzehnten in Starrag und Tornos engagiert.
Keine Fusion unter «Kranken»
Als grösster Anteilseigner beider Unternehmen wurde Fust immer wieder gefragt, weshalb er sie nicht zu einem grossen Schweizer Gebilde zusammenführe. «Die Fragerei wurde mir peinlich», sagte Fust unumwunden im Gespräch mit der NZZ Ende Mai 2023. Starrag und Tornos kündigten damals erstmals an, fusionieren zu wollen.
Laut dem mittlerweile 82-jährigen Fust, der seine Bekanntheit in der Schweiz vor allem der Gründung der Haushaltgeräte-Handelskette Dipl. Ing. Fust verdankt, war der Zeitpunkt für einen Zusammenschluss aber jahrelang nie günstig. Entweder steckte die eine oder die andere Firma in Schwierigkeiten, oder die gesamte Werkzeugmaschinenindustrie befand sich in einem Formtief.
Wie Hauser ausführt, sollten auf keinen Fall «zwei Kranke» oder «ein Kranker mit einem Gesunden» zusammengehen. Dank beharrlicher Aufräumarbeit, die aufseiten von Starrag auch mehrere Male von Managementwechseln begleitet war, wurden die Firmen nun solider aufgestellt.
Starrag, mit gut 300 Millionen Franken Umsatz der grössere der beiden Partner, wies im vergangenen Jahr auf Stufe Betriebsergebnis (Ebit) eine operative Marge von knapp 6 Prozent aus. Tornos erreichte sogar über 9 Prozent.
Weg von der Automobilindustrie
Tornos hat von der verstärkten Ausrichtung auf Kunden aus der Medizintechnik profitiert. Diese ertragsstarke Branche übt bei Zulieferern weniger Preisdruck aus als die Autoindustrie mit ihren deutlich niedrigeren Margen.
Zusammen sollen Starrag und Tornos neue Wachstumspläne verfolgen sowie Kostensynergien vor allem im Bereich Einkauf ausschöpfen. Ein Stellenabbau ist nicht vorgesehen. Hauser weist darauf hin, dass sich die eingebrachten Produkte in hohem Mass ergänzen würden. So kämen die Maschinen von Tornos beim Drehen und jene von Starrag beim Fräsen von Metallteilen zum Einsatz.
Pendeln zwischen Moutier und Rorschacherberg
Gefragt, ob er künftig sein Büro wie bisher in Moutier oder am Sitz der neu geschaffenen Holding in Rorschacherberg haben werde, antwortet Hauser: «Darüber mache ich mir am wenigsten Gedanken.» Er werde weiterhin die meiste Zeit unterwegs sein und zwischen den Standorten in Moutier und Rorschacherberg pendeln.
Obwohl er sich lange Zeit damit gelassen hat, gilt Fust als Haupttreiber der Fusion. Fust war es auch, der Hauser 2020 zusätzlich zu seiner Position als Tornos-Chef mit dem Präsidium von Starrag betraute, nachdem er dieses Amt zuvor selbst ausgeübt hatte. «Ich kenne Michael Hauser seit vielen Jahren und vertraue ihm», erklärt er nun auf Anfrage.
Es muss schnell gehen
Was das Doppelmandat Hausers bei Starrag-Tornos anbelangt, sieht Fust kein Problem, im Gegenteil. Ein solches Modell habe sich bei anderen Firmen in besonderen Situationen als «zielführend und effizient» erwiesen. Und bei Starrag-Tornos gehe es laut dem Unternehmer nun darum, die Fusion im Laufe des Jahres 2024 zügig umzusetzen, damit die angestrebten Synergien «so rasch wie möglich» realisiert werden könnten.
Hauser wird also Gas geben müssen. Wenig Zeit bleibt ihm auch mit Blick auf die zunehmend anspruchsvollere Konjunkturlage. Starrag und Tornos profitieren zurzeit beide noch von hohen Auftragsbeständen. Doch im kommenden Jahr dürfte es für beide Firmen wie für weite Teile der Industrie deutlich schwieriger werden, an neue Bestellungen heranzukommen.