14.01.2024, 09:11
"Mache mir keinen großen Kopf um die Nationalmannschaft"
Für Christian Dissinger, Europameister von 2016, ist eine Rückkehr in die deutsche Nationalmannschaft aktuell kein Thema. Er verfolgt die EHF EURO 2024 derzeit aus Ungarn. Der DHB-Auswahl traut er dabei das Halbfinale zu. Gegen Nordmazedonien erwartet er heute eine kniffelige Aufgabe und einen Arbeitssieg.
Christian Dissinger hat turbulente Wochen und Monate hinter sich. Im Oktober 2023 war der ehemalige deutsche Nationalspieler zum ungarischen Erstligisten PLER-Budapest gewechselt, nachdem er zuvor einige Monate bei Al-Duhail in Katar unter Vertrag gestanden hatte und anschließend vereinslos gewesen war. Anfang Januar hat Dissinger schließlich bis Sommer 2025 bei Tatabanya KC unterschrieben.
"Tatabanya ist ein großer Verein", bekräftigt Dissinger gegenüber Handball-World. "Unser Ziel ist im nächsten Jahr die Teilnahme an der European League". Aktuell liegt sein neuer Klub in Ungarn hinter den beiden Champions-League-Größen Telekom Veszprem und Pick Szeged auf Rang drei - und damit voll auf Kurs. Die Eintrittskarte für den internationalen Wettbewerb wäre auch für Dissinger, den Europameister von 2016, eine Rückkehr ins Rampenlicht.
Kontakt in die Liqui Moly Handball-Bundesliga hatte es vor seinem erneuten Wechsel nur lose gegeben. "Nichts korrektes", verrät der inzwischen 32-Jährige im Gespräch mit handball-world. Ob er inzwischen unter dem Radar fliegt? "Seit ich in Bukarest ein Jahr lang nicht spielen durfte, hat vermutlich jeder geglaubt, ich kann’s nicht mehr. Doch dass das Schwachsinn ist, habe ich zuletzt hinlänglich bewiesen."
Während in Deutschland aktuell die EHF EURO 2024 läuft, ist Dissinger mal wieder mit einem Umzug beschäftig. Die Nationalmannschaft ist für ihn momentan kein Thema. "Ich bin jetzt drei oder vier Jahre lang nicht mehr dabei gewesen", sagt er. "Darüber mache ich mir keinen großen Kopf. Vielleicht wird’s wieder ein Thema, wenn ich auch in der European League gut spiele."
Die DHB-Auswahl verfolgt Dissinger nur aus der Ferne. "Das Interesse ist nach wie vor da, aber ich fiebere nicht mehr so sehr mit wie früher. Der Rhythmus mit einem großen Turnier in jedem Jahr lässt die Begeisterung zwangsläufig irgendwann abstumpfen. Ich finde es einfach zu viel", bekennt er gegenüber handball-world. Trotzdem traut er den Deutschen das Halbfinale zu. "Das Schlüsselspiel ist jenes gegen Frankreich. Allerdings ist das Feld wahnsinnig eng, ein schlechtes Spiel im Turnierverlauf kann folgenschwer sein", sagt er.
Gegen Nordmazedonien erwartet Dissinger, der selbst drei Jahre lang auf dem Balkan spielte und inzwischen mit dem nordmazedonischen Model Marija Andonovska verheiratet ist, einen deutschen Pflichtsieg. Dennoch warnt er vor einer kniffeligen Aufgabe: "Nominell ist Nordmazedonien schwächer besetzt als die deutsche Mannschaft, ist jedoch sehr unangenehm zu spielen. Das wird für die Deutschen härter als noch gegen die Schweiz. Nordmazedonien hat viele junge Spieler, die nichts zu verlieren haben. Deutschland steht dagegen unter Druck, liefern zu müssen", sagt Dissinger. "Sie werden zwar trotzdem gewinnen, aber ich glaube nicht, dass es so deutlich wird wie gegen die Schweiz."
Vergleiche mit den legendären Bad Boys von 2016 lehnt Dissinger übrigens ab: "Zu allererst spielt Deutschland diesen Mal zu Hause. Und zum anderen haben sie nominell einen viel besseren Kader als wir damals. Damals spielten viele von uns ihr allererstes Turnier. Die Jungs von heute weisen schon viel mehr Erfahrung auf", erklärt Dissinger die aus seiner Sicht wesentlichen Unterschiede.
Christian Dissinger feierte in vier verschiedenen Ländern insgesamt fünf nationale Meistertitel (Schweiz, 2x Nordmazedonien, Rumänien und Katar), gewann mit Vardar Skopje zudem die Champions League und war Teil der "Bad Boys", die 2016 zunächst Europameister wurden und anschließend bei den Olympischen Spielen in Rio die Bronzemedaille gewannen. Mit den deutschen Junioren war er 2011 bereits Weltmeister geworden.
Sascha Klahn