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Pop Georges Moustaki †

Der Chansonnier, der sich stolz „Kanake“ nannte

Feuilletonredakteur
Georges Moustaki bei einem Auftritt im Sommer 2008 in Madrid. Ein halbes Jahr später zog er sich von der Bühne zurück Georges Moustaki bei einem Auftritt im Sommer 2008 in Madrid. Ein halbes Jahr später zog er sich von der Bühne zurück
Georges Moustaki bei einem Auftritt im Sommer 2008 in Madrid. Ein halbes Jahr später zog er sich von der Bühne zurück
Quelle: dpa
Mit dem Tod des Sängers, Dichters und Musikers Georges Moustaki endet ein Stück Chansongeschichte. Er schrieb für seine Geliebte Edith Piaf eines der berühmtesten Lieder des 20. Jahrhunderts.

Nach dem Tode von Georges Moustaki wird jetzt wieder das Abzählen losgehen, wer denn nun eigentlich noch von den Vertretern der großen Chansontradition lebt. Solange Juliette Gréco und Charles Aznavour noch aktiv sind, gibt es eigentlich keinen Grund, den Untergang jenes spezifisch französischen Liedgenres zu verkünden. Wahr ist allerdings, dass sich die Reihen allmählich doch stark lichten und dass mit Moustaki einer Abschied genommen hat, der das Chanson jahrzehntelang geprägt hat – als Komponist und Textdichter für andere und als Interpret seiner eigenen Schöpfungen.

Moustaki hat 1958 das – neben Charles Trenets „La mer“ – wohl berühmteste Chanson des 20. Jahrhunderts gedichtet: Die melancholisch-leidenschaftlichen Verse, mit denen Edith Piaf in der Rolle eines Hafenmädchens einen „Milord“ genannten Geliebten (oder Kunden?) anredet, stammen von ihm. Die Musik dazu schrieb Marguerite Monnot.

Der 24-jährige Moustaki war damals für kurze Zeit selbst der Geliebte der 19 Jahre älteren Sängerin. Der junge Mann, noch ohne Bart, war eine glutäugige orientalische Männer-Schönheit – warum hätte die Piaf, die auch sonst selten schüchtern war, sich ausgerechnet bei ihm zurückhalten sollen?

Berufsziel: Chansonnier

Für Moustaki muss es die Erfüllung eines Jugendtraums gewesen sein. Die Musik der Piaf hatte er schon in seiner Geburtsstadt Alexandria gehört. Dort war er in die kosmopolitische Welt der uralten ägyptischen Mittelmeermetropole hineingeboren worden als Sohn jüdisch-griechischer Eltern mit einem italienischen Vornamen: Eigentlich hieß er Giuseppe Mustacchi, das Pseudonym „Georges“ legte er sich erst in Frankreich zu, als Hommage an sein Idol Georges Brassens, der ihn auch ermunterte und beriet, als er 1951 nach Paris gekommen war. Berufsziel: Chansonnier.

Zunächst schrieb Moustaki allerdings Lieder für andere. Neben der Piaf waren das wahrhaftig alle Großen: Henri Salvador, Serge Reggiani, Dalida, Yves Montand und Juliette Gréco. Vor allem mit Barbara arbeitete in den Sechzigerjahren intensiv zusammen und in dieser Zusammenarbeit reifte er auch soweit, dass er 1968 als Solokünstler einspringen konnte, als die Diva eines Abends erkrankt war.

Viele Lieder aus seinem Solorepertoire sind in Deutschland Stoff des Französischunterrichts geworden: „Ma Solitude“ von seiner 1969 veröffentlichen ersten Langspielplatte „Georges Moustaki“ beispielsweise (zuvor hatte das Lied allerdings schon Reggiani interpretiert), in dem er die Einsamkeit als seine wahre treue Geliebte anbetet: „Sie verlässt mich nicht auf Schritt und Tritt, ist treu wie ein Schatten, sie ist mir überallhin in alle vier Himmelsrichtungen gefolgt. Nein, mit meiner Einsamkeit bin ich nie allein.“

In den Nullerjahren veröffentlichte er noch CDs

Noch persönlicher war das Chanson „Le métèque“, ebenfalls vom Debütalbum, in dem er sich selbst stolz „Kanake“ nannte und sich als Produkt der Jahrtausende alten Mischkultur des Mittelmeers vorstellte: „Mit meiner Kanaken-Fresse, der des umherziehenden Juden, des griechischen Hirten, und meinen in alle vier Windrichtungen sprießenden Haaren, werde ich kommen, meine süße Gefangene.“ Auf Deutsch hieß das Lied allerdings wesentlich harmloser „Ich bin ein Fremder“.

Produkt einer ähnlichen Mischkultur war auch das französische Chanson, es war niemals so reinblütig französisch und sauber, wie es sich Vater und Tochter Le Pen vielleicht ausmalen: Auch Dalida stammt aus Ägypten, Montand und Reggiani waren Italiener, Salvador aus der Kolonie Guyana, Serge Gainsbourg das Kind russischer Juden, Aznavour Armenier  – und Charles Trenet war wenigstens schwul.

In den Nullerjahren veröffentlichte Moustaki noch CDs mit neuem Material. Beispielsweise 2002 das schlicht „Moustaki“ betitelte Album, dessen zwölf Songs Jean-Claude Vannier arrangiert hatte. Dreizehnter „hidden track“ - in Frankreich durfte das natürlich nicht so heißen – war eine schwebende Bossa-Nova-Version von „Milord“.

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Von der Bühne hatte Moustaki sich 2009 verabschiedet, nachdem er am 8. Januar ein Konzert in Barcelona abbrechen musste. Eine schwere Bronchienerkrankung machte ihm das Singen unmöglich.

Am Donnerstag, dem 23. Mai, ist Georges Moustaki in Nizza gestorben, 20 Tage nach seinem 79 Geburtstag.

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