„Speak“ - „Sprich“, eine Aufforderung, die Melinda immer wieder an sich selbst abgibt, doch so sehr sie auch gerne würde, sie schaffte es nicht.
Man lernt Melinda Sardino am ersten Tag ihres Freshman-Jahres an der Highschool kennen, welches sie mit „sieben neuen Notizblöcken, einem Rock, welchen (sie) hasst, und Magenschmerzen“ beginnt. Zuerst hält man das äußerst ruhige Mädchen lediglich für eine besonders introvertierte Person, doch schon bald beginnt sie immer wieder Rückblicke auf das Ende des letzten Schuljahres zu werfen. Man folgt ihr durch ihre teilweise sehr verwirrt scheinende Gedankenwelt, der man – vor allem zu Beginn - oftmals nicht so ganz hinterher kommt, lernt ihre ehemaligen besten Freundinnen kennen und Melinda sieht sich zeitgleich damit betroffen, dass die Leute um sie herum sie entweder zu sehr oder überhaupt nicht wahrnehmen. Nach und nach kommen durch Rückblicke immer mehr Andeutungen auf ein traumatisches Erlebnis auf, welche auf einer ausufernden Hausparty stattgefunden hatte und wegen der sie die Polizei rief ohne jedoch jemals zu erklären was vorgefallen war, da sie noch vor Eintreffen der Polizei den Tatort verließ.
Erst nach fast einem Jahr schafft Melinda es sich ihrer ehemals besten Freundin Rachelle gegenüber zu öffnen und kurz darauf löst sich ihr Schweigen nach einem Showdown mit ihrem Widersacher.
Ich wusste was mich in dem Buch erwartete – ich hatte bereits den Film gesehen, doch auf eine äußert wunderbare Weise war das Buch nochmal um Längen besser als die Verfilmung.
Die Autorin des Buches versteht es sich in der recht sprunghaften Wahrnehmung der verschreckten und traumatisierten Melinda auszudrücken. Das Leben zieht an der Schülerin vorbei, während sie immer wieder Momentaufnahmen klar wahrnimmt, teilweise sogar übersteigert analysiert und versucht in ihrem eigenen Weltbild einzubauen.
Wir bekommen einen roten Faden – oder soll ich lieber sagen einen Baum? Wie durch Melinas Schuljahr zieht sich durch das Buch die Thematik der Bäume, denn die Schülerin soll in verschiedenen Kunstprojekten Bäume darstellen. Bäume, ein wichtiges, möglicherweise sogar ein bedrohliches Symbol, denn Bäume spielten im Umfeld der stattgefunden Traumatisierung eine nicht unbedeutende Rolle.
Durch den Erzählstil aus der Ich-Perspektive lernen wir insbesondere Melinda und ihr Denken und Verhalten den anderen gegenüber kennen.Wir erfahren mit wem sie früher befreundet war, erfahren Eigenheiten über verschiedene Personen des Lehrkörpers, treffen auf die Macken und kleinen 'Liebenswürdigkeiten' ihrer Eltern. Man sieht die Welt durch ihre Augen - eine Welt, die eine ganze Zeit sehr kühl ist, nahezu grauenhaft kalt.
Ich mag Melinda als Charakter sehr gerne, vor allem da ich das Gefühl habe mit ihr gemeinsam zu erleben wie sie für sich an ihrem Trauma arbeitet und versucht die Anforderung an sich selbst zu befolgen und darüber zu sprechen.
Das Buch würde ich jederzeit wieder lesen, ich empfinde es auch als Buch, das man beispielsweise mit einer zehnten oder elften Klasse gut lesen könnte, da es verschiedene Aspekte gibt die man aufgreifen kann. Nicht nur der psychologische Aspekt, sondern auch der symbolische, welcher interessanterweise auch von „Hair-Woman“, der Lehrerin für Englische Literatur sehr in den Vordergrund gestellt wird.
Trotz der schweren Thematik sehe ich das Buch ganz klar bei den Jugendbüchern. Es ist für Jugendliche geschrieben ohne dabei zu seicht mit der Thematik umzugehen.
Und ich erwische mich bei dem Gedanken, dass ich mich frage wie es Melinda in ihrem Senior-Jahr geht, wie sie ihre Noten wieder aufholt und für welches Studium sie sich entscheidet.
Mir gefällt Laurie Halse Andersons Schreibstil, da er gut zu lesen ist, sie kann vieles mit wenigen Worten sagen und gleichzeitig eine gewisse Stille verschriftlichen – auch wenn das Thema sicher kein angenehmes ist, so empfand ich das Buch sehr angenehm zu lesen.
Tatsächlich dachte ich kurzzeitig darüber nach dem Buch nur vier Sterne zu geben, da ich es teilweise absolut klischeehaft amerikanisch fand, doch dann fiel mir auf, dass die Autorin in Melindas Worten immer wieder sarkastisch, vielleicht sogar zynisch darauf aufmerksam macht, wie sehr ihr Umfeld doch Klischees folgt und irgendwie macht es mir die Sache leichter anzunehmen, weshalb ich mit gutem Wissen und gewissen fünf Sterne vergeben kann.