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„Wirtschaftswende“ fürs eigene Gefühl – aber ohne Bezug zur Realität

Politischer Korrespondent
FDP-Chef Christian Lindner FDP-Chef Christian Lindner
FDP-Chef Christian Lindner
Quelle: picture alliance/dpa/Revierfoto
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Mit dem Plan für eine „echte Wirtschaftswende“ dürfte die FDP-Führung um Christian Linder den Parteitag begeistern. Aber die Wähler dürfen nicht erwarten, dass der Plan je umgesetzt wird: SPD und Grüne lehnen ihn schon ab, bevor er beschlossen ist. Für die Liberalen sieht es düster aus.

Carsten Linnemann, der Generalsekretär der CDU, versuchte sich am Freitag im Bundestag als kleines Staatsoberhaupt. Er zitierte Passagen der Ruck-Rede von Roman Herzog aus dem Jahr 1997. Darin hatte der verstorbene Bundespräsident den Verlust wirtschaftlicher Dynamik, eine Erstarrung der Gesellschaft und mentale Depression in Deutschland diagnostiziert und zu mehr Innovation, Veränderungsbereitschaft und Eigenverantwortung aufgerufen. Linnemann münzte das nun auf eine Regierungspartei, die Freien Demokraten: „Auch durch diese FDP muss heute ein Ruck gehen.“

Der Oppositionspolitiker warb mit diesem pathetischen Appell um Zustimmung der Liberalen zu einem Unionsantrag, der mit dem Titel „Für eine echte Wirtschaftswende“ überschrieben war. Darin sind eine Reihe von Forderungen aufgelistet, die auch der Bundesparteitag der FDP an diesem Wochenende beschließen wird.

Meinung

Dazu zählen unter anderem Steuersenkungen, die Streichung des Solidaritätszuschlags, Anreize für Mehrarbeit oder eine neuerliche Reform des Bürgergelds mit mehr Sanktionsmöglichkeiten bei verweigerter Arbeitsannahme. Darauf Bezug nehmend sagte Linnemann: „Die Menschen sind es leid, dass Sie nur reden. Die Menschen wollen Taten sehen. Sie können hier und heute zeigen, dass Sie es ernst meinen.“

Natürlich weiß der CDU-General, dass die FDP das nicht kann. Regierungsparteien verpflichten sich im Koalitionsvertrag, im Bundestag nur gemeinsam abzustimmen – mit wenigen Ausnahmen bei besonderen Gewissensentscheidungen. Anders kann eine Regierung nicht funktionieren.

Die Linke bringe auch regelmäßig Anträge ein, die Schuldenbremse auszusetzen, sagte der Grünen-Abgeordnete Felix Banaszak in der Debatte. Doch obwohl Grüne und SPD das Ansinnen teilten, lehnten sie diese Anträge ab. Es handele sich mithin um ein parlamentarisches „Ritual“, bei dem es der CDU eher darum gehe, mit Blick auf die Bundestagswahl „schwarz-gelbe Wechselwähler“ zu umwerben.

Diese Analyse ist korrekt, und dennoch illustriert das Geschehen im Parlament die schwierige Lage der FDP recht anschaulich. Anders als SPD und Grüne haben die Freien Demokraten ein geringes Stammwählerpotenzial. Alle Ampel-Parteien haben in den Umfragen massiv an Zustimmung verloren, doch nur die FDP muss um ihre parlamentarische Existenz fürchten. Ihr Stimmpotenzial kann die Partei nur ausschöpfen, so sagen es die Demoskopen, wenn sie in der Wirtschafts- und Steuerpolitik Ergebnisse liefert. Auf diesem Feld messen die Wähler ihr Kompetenz zu.

Wähler haben nichts von Parteitagsbeschlüssen

Deshalb stellt Parteichef Christian Lindner die Forderung nach einer „Wirtschaftswende“ in den Mittelpunkt des Bundesparteitags in Berlin. Die Lagebeschreibung in dem Leitantrag des Bundesvorstands weist dabei, da hat Linnemann recht, durchaus Parallelen zu Herzogs historischer Rede auf. Deutschland sei „nicht wettbewerbsfähig“, so heißt es, die Wirtschaft stagniere „wie in keinem anderen Industrieland“. Bürokratie, Energiepreise, Steuerniveau und der Sozialhaushalt belasteten Staat und Gesellschaft. Deshalb brauche es ein „Aufbruchspaket, was über alles hinausgeht, was bisher geplant ist“ – einen Ruck eben.

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Seine Delegierten wird Lindner damit begeistern. Die Debatte über diesen Kern liberaler Wirtschaftspolitik ist geeignet, sich der eigenen Überzeugungen zu versichern und die Partei zu einen. Nur: Wähler haben nichts von Parteitagsbeschlüssen, sie erwarten – zumal von einer Regierungspartei – konkretes Handeln, die Umsetzung von politischer Prosa in Gesetze.

Und da sieht es düster aus. Die SPD hat bereits Gegenargumente an ihre Abgeordneten verschickt. „Die FDP macht mal wieder Vorschläge, die vor allem an die eigenen Reihen gerichtet sind“, heißt es darin. „Sie sind sozial ungerecht und machen wirtschaftspolitisch keinen Sinn. Dafür gibt es höchstens Mehrheiten auf dem FDP-Parteitag, aber nicht im Bundestag.“

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In der Debatte am Freitag griffen die Redner diese Vorlage auf. So zitierte der SPD-Abgeordnete Esra Limbacher aus einem Song der Band „Die Ärzte“ die Zeilen: „Lass die Leute reden, denn wie das immer ist, solang die Leute reden, machen sie nichts Schlimmeres.“ Limbacher vertrat auch die Position von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass es dem Land gar nicht so schlecht gehe. Die Stimmung in der Wirtschaft helle sich auf, die Konjunktur ziehe an, alles sehe nach einer „Trendwende“ aus. Eine Wirtschaftswende nach Vorstellungen der FDP sei „kurzfristiges Doping“, befand auch die Grünen-Abgeordnete Sandra Detzer. Ihre Fraktion werde derlei „Retro-Fantasien natürlich“ nicht mitgehen. Verantwortliche Politik sei eher die „Reform der Schuldenbremse“.

Wie die FDP ihre anstehenden Parteitagsbeschlüsse unter diesen Umständen in Regierungspolitik umsetzen will, bleibt rätselhaft. Das Ignorieren der Realität, wie es Reinhard Houben, der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, im Bundestag darbot, wird nicht reichen: Auch der grüne Wirtschaftsminister und der SPD-Kanzler, so Houben, teilten die Ansicht, dass es ein Problem mit der Wirtschaft gebe: „Es gibt also keinen Dissens in der Bundesregierung, und auch nicht zwischen den Fraktionen“, behauptete Houben. Man führe lediglich „öffentliche Debatten“.

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