Schauspielerin Jessica Boehrs: Jobsuche auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten - WELT
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Regionales Schauspielerin Jessica Boehrs

Jobsuche auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten

Haute Cuisine Ladies Lunch von HARALD GLOEOECKLER Haute Cuisine Ladies Lunch von HARALD GLOEOECKLER
Gestatten, Jessica Boehrs: Die 36-jährige Schauspielerin will nach der Geburt ihres Kindes zurück ins Geschäft. Ein steiniger Weg, der die Münchner Wahlberlinerin auch zum Münchner... Filmfest führt
Quelle: pa/Eventpress/Eventpress rh
Bei „Kreuzfahrt ins Glück“ ist sie raus. Jetzt müssen - nach der Babypause - andere Rollen her. Auf dem Münchner Filmfest ist Schauspielerin Jessica Boehrs so umtriebig wie kaum eine andere.

Auf einmal war da dieser gelbe Schirm. Und Jessica Boehrs verwandelte sich vor den Augen der Gäste beim 10. Audi Director’s Cut auf dem Münchner Filmfest in eine Mischung aus Mary Poppins und weiblichem Gene Kelly. Gewitter? Regen? Ach, was!

Während Stars wie Udo Wachtveitl und Jule Ronstedt hinter ihr Richtung Praterinsel hasteten, um nicht völlig durchweicht und derangiert beim Branchentreffen der Filmwirtschaft aufzuschlagen, legte Boehrs auf dem roten Teppich eine „Singin’ in the Rain“-Performance hin.

„Ich hab’ auf jeden Fall ein sonniges Gemüt“, sagt die Schauspielerin. Manches im Leben bekommt man eben geschenkt. Manches muss man sich erkämpfen. Und für die 36-Jährige ist gerade High Noon.

Das Festival ist eine Kontaktbörse

Jessica Boehrs war mal kurz weg. Die in München aufgewachsene Wahl-Berlinerin hat ein Kind bekommen. Ihr letzter Fernsehauftritt, eine Gastrolle in der Krimikomödie „Hubert und Staller“, liegt gut ein Jahr zurück. Nach den Maßstäben der Branche wäre es ein Comeback, wenn sie übers Filmfest einen neuen Deal bekäme. Aber man kann es ja mal probieren.

Das Festival ist eine Kontaktbörse. Ein Jahrmarkt der Eitelkeiten. Hier wird en passant, Bussi hier, Bussi da, über Sein oder Nichtsein entschieden – zum Beispiel darüber, ob jemand wie Jessica Boehrs wieder eine Rolle bekommt. Das sind die Gesetze. Jessica legt sie nur nach ihrer Fasson aus.

10 Jahre Audi Director's Cut in München
Für das Filmfest hat sich Jessica Boehrs schick gemacht. Ihr Outfit ist Teil ihrer Bewerbungsunterlagen. Man soll sehen, sagt sie, dass sie in guter Form ist
Quelle: pa/Geisler-Fotop/Geisler-Fotopress

Was ist schon der Unterschied, ob Barbara Wussow die Kollegin Marie-Therese Relin beim Filmfest öffentlich herzt, das Model Barbara Meier den „bestgekleideten Mann“ der Welt als ihren neuen Lebenspartner vorstellt oder Jessica Boehrs auf dem roten Teppich tanzt? Vielleicht, dass Boehrs gerade als Ein-Frau-Kommando unterwegs ist. Und dass sie dabei mit einer Disziplin und Chuzpe agiert, die man ihr auf den ersten Blick nicht zutrauen würde. Das geht schon beim Outfit los.

„In Kleiderfragen bin ich zwanghaft“, sagt sie. Für den Auftritt auf der Praterinsel hat sich die Ego-Performerin den Look Nummer zwo von dreien herausgesucht, die sie in Berlin für München eingepackt hatte: „Ein Minirock mit silbernen Plättchen vorne drauf. Dazu ein Seidentop, Lederjacke und High Heels, alles schwarz, Rockerstyle“. Man darf nicht schüchtern sein beim Film. Und wenn man sich wie Jessica Boehrs – als junge Mutter – im Business zurückmelden will, sollte man bereit sein, an Schmerzgrenzen zu gehen.

Mini, sagt sie, trägt sie gern. Ohne Heels stellt sie sich sowieso auf keinen roten Teppich. Und wenn nun Bilder von ihr durch Zeitungen und soziale Netzwerke geistern, auf denen „die ganze Figur“ zu sehen ist, dann ist das nicht nur okay. Es ist ganz wunderbar: „Deshalb bin ich ja nach München gekommen.“ Man soll sehen, dass sie „in good shape“ ist, wie sie sagt – weil diejenigen, die über ihr Comeback entscheiden, genau darauf schauen.

Das Filmfest wird zu ihrer persönlichen Spielwiese

„Einige haben sehr wohl abgespeichert, dass ich schwanger war. Da heißt es gleich, na ja. Und: So flexibel ist die auch nicht mehr, jetzt, wo sie das Kind an der Backe hat.“ Das wäre Gift. Auch deshalb hat Jessica Boehrs dieses Filmfest, das am Samstag mit einem Aussteigerfilm über Waldmenschen zu Ende ging, drei Tage und zwei Nächte lang zu ihrer persönlichen Spielweise gemacht.

Einige haben sehr wohl abgespeichert, dass ich schwanger war. Da heißt es gleich, na ja. Und: So flexibel ist die auch nicht mehr, jetzt, wo sie das Kind an der Backe hat
Jessica Boehrs, Schauspielerin
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Wo immer die Festival-Crowd aufschlug, Jessica war schon da – egal, ob beim Audi Director’s Cut oder bei der (mindestens so angesagten) Movie-meets-Media-Nacht. Das eine war mal ein Forum für Regisseure, das andere soll Film- und Fernsehleute mit Entscheidern aus Wirtschaft und Werbung zusammenbringen. Aber erstens, sagt Jessica, kann man die Karten für Movie meets Media auch kaufen. Und zweitens kommt man mit der richtigen Partygirl-Attitüde in München sowieso fast überall rein: „Es ist wie früher, wenn du mit der Freundin in den Club gegangen bist“, sagt die Schauspielerin. Nur ist die Freundin jetzt eben die Agentin. Und die Kumpels, die man treffen möchte, sind die Filmemacher und Produzenten, die Autoren, die Caster und die Redakteure aus den Sendern.

Bisher habe sich in ihrem Leben vieles einfach ereignet, sagt die Schauspielerin: Mit 13 hat ein Münchner Modelscout sie auf der Straße für die „Bravo“ gecastet, wo sie unter anderem in der legendären Foto-Lovestory des Teenie-Magazins zu sehen war. Danach wurde sie von der „Bravo“ an „Girl“ und „Mädchen“ weitergereicht – und vom Print ins Fernsehen, an RTL für einen Moderatorenjob und an Pro7 für eine Sitcom, die der US-Serie „Eine schrecklich nette Familie“ nachempfunden war. „Ich weiß nicht einmal, ob die besonders gut lief. Aber sie war witzig. Klamaukig. Voll okay“, sagt Jessica Boehrs.

Eine Zeit lang schien es, als wär sie eine Art Geheimwaffe des deutschen Privatfernsehen: Sie funktionierte in „Marienhof“ und „Sturm der Liebe“ genauso gut wie als Sidekick in der Comedy-Show des Schweizers Marco Rima. Sie spielte Kommissarinnen, Krankenschwestern und, in „Kreuzfahrt ins Glück“, der „Traumschiff“-Variante fürs jüngere Publikum, eine Hochzeitsplanerin.

Ausgerechnet beim Casting-Treff kommt sie nicht rein

Was ihr fehlt, ist ein Leistungsnachweis im ernsten Fach. Aber erstens ist dafür noch Zeit. Und zweitens, sagt Jessica Boehrs, solle man sich nur ja nichts vormachen: „Das ist jetzt vielleicht ein bisschen dreist. Aber ich glaube nicht, dass eine Karriere wie die von Iris Berben heute noch möglich wäre. Sie hat damals mit „Sketchup“ angefangen. Heute spielt sie Charakterrollen. Um das zu schaffen, brauchst du neben viel Talent auch jemanden, der an dich glaubt. Der dich pusht. Doch solche Leute gibt es heute nicht mehr.“

Deutschen Schauspielerpreis 2015
Glücklich schwanger im vergangenen Jahr. Jetzt möchte Jessica Boehrs zurück ins Geschäft. Was leichter gesagt ist als getan
Quelle: pa/Eventpress/Eventpress Radke

Es war deshalb, in diesen Münchner Tagen, schon ein Schlag für die Schauspielerin, dass sie ausgerechnet beim Get-together des Bundesverbands Casting (BVC) draußen bleiben musste. „Erst habe ich einen Caster angemailt, den ich kenne. Der hat aber nicht geantwortet. Dann habe ich den BVC angeschrieben. Die haben dann zwar zurückgeschrieben, aber gesagt, sie sind voll und dürften aus feuerpolizeilichen Gründen keinen mehr reinlassen.“

Die Casting Night wurde in den vergangenen Jahren von der Filmszene förmlich überrannt. Auch heuer drängten sich an die 500 Leute in der Käfer-Schenke. Es ist eine der raren Gelegenheiten des Direkt-Kontakts, denn das traditionelle Vorsprechen, so Boehrs, wird in der Branche zunehmend durch E-Castings ersetzt: „Die Caster sagen, schick’ mir mal ne Szene. Die nimmt man dann in Eigenregie auf. Du musst sie editieren, cutten, Text drunterlegen, einschicken und hoffen, dass du ein Feedback kriegst. Ich kenne Kollegen, die haben sich ein komplettes Licht-Equipment gekauft, um bei E-Castings besser rüberzukommen.“ Überhaupt sei es nicht einfacher geworden, wahrgenommen zu werden.

Bei einer Podiumsdiskussion mit dem Titel: „Fokus Casting: Wer passt warum zur Rolle?“ im Gasteig konnte man deshalb eine andere Jessica Boehrs erleben: Nicht das Partygirl. Sondern die engagierte Mit-Diskutantin. Boehrs wollte wissen, wer denn nun ihr Ansprechpartner ist, wenn es um eine Rolle geht: Der Caster oder die Redakteure in den Sendern, die neuerdings „wegen der Quote“ auch in Besetzungsfragen mitreden. Wenn sie nicht sogar das Sagen haben. Aber: „Ich hab’ darauf nicht wirklich eine Antwort bekommen.“

Weil das keine besonders tolle Perspektive ist, nimmt sie ihre Karriere nun erst recht selbst in die Hand. „Ich erfinde mich selber gerade neu“, sagt sie: „Ich weiß, was ich mitbringe und habe das Gefühl, dass ich permanent unterschätzt werde.“ Das soll anders werden. Sie empfiehlt sich als „deutsche Jennifer Aniston oder Cameron Diaz“ für das Genre der bei uns noch unterentwickelten Romantic Comedy. Wer ihr das zutraut: „Bitte melden!“

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