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Deutschland Hilfe für Mauss

Wie ein Politiker einem Ex-Agenten beim Visum helfen wollte

Die Recherche zeigt: Auch Nüßlein (l.) gehörte zum Netzwerk des Ex-Agenten Mauss Die Recherche zeigt: Auch Nüßlein (l.) gehörte zum Netzwerk des Ex-Agenten Mauss
Die Recherche zeigt: Auch Nüßlein (l.) gehörte zum Netzwerk des Ex-Agenten Mauss
Quelle: dpa, Getty Images, Montage: Infografik WELT
Der wegen Maskengeschäften umstrittene langjährige CSU-Politiker Georg Nüßlein setzte sich beim Bundeskriminalamt für den legendären Geheimagenten Werner Mauss ein. Dazu pflegte der ehemalige Fraktionsvize Geschäftsbeziehungen zu einem Sohn von Mauss.

Jetzt schon ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München gegen den Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein im Zusammenhang mit umstrittenen Maskendeals wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Im März trat der langjährige CSU-Politiker, der bis zum stellvertretenden Fraktionschef aufgestiegen war, aus seiner Partei und der Unionsfraktion im Bundestag aus. Noch immer gibt es rund um die Maskengeschäfte viele Fragen. Vor allem dreht es sich um die Frage, mit wem Nüßlein was verhandelte?

Jetzt legen Recherchen von WELT und dem ARD-Magazin „Report München“ weitere Verbindungen Nüßleins offen, die für einen Bundestagsabgeordneten eher ungewöhnlich sind. Der 52-jährige Nüßlein hatte sich nämlich vor ein paar Jahren für den geheimnisumwitterten Privatermittler und Ex-Agenten Werner Mauss engagiert. Mit einem von Mauss’ Söhnen war Nüßlein überdies geschäftlich verbunden.

Einigen gilt der 81-jährige Mauss als „der berühmteste“ oder auch als „geheimster Geheimagent“ Deutschlands. So soll er Firmen bei Geiselbefreiungen in Südamerika geholfen haben. Nach eigenen Angaben will er dem damaligen Papst Benedikt XVI. das Leben gerettet haben. Noch in den 90er-Jahren pflegte er Kontakte bis ins Bundeskanzleramt.

Zuletzt machte Mauss aber vor allem Schlagzeilen wegen Ärger mit der Justiz. Das Landgericht Bochum verhandelte über den Vorwurf der Steuerhinterziehung in Höhe von mehr als zehn Millionen Euro. In Koblenz ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Bleser. Der Vorwurf: Er habe unzulässige Parteispenden von einer Stiftung angenommen, die Mauss zuzurechnen sei. Der hatte seinen Wohnort im Wahlkreis von Bleser in Rheinland-Pfalz. Bleser ließ jetzt auf Anfrage mitteilen, „dass er während des laufenden Verfahrens keine Stellungnahmen abgeben wird“.

Die Recherche von WELT und „Report München“ zeigt jetzt, dass auch Nüßlein zum Netzwerk des umtriebigen Mauss gehörte. Der war bisher als Energie- und Gesundheitspolitiker bekannt. Der Betreiber eines eigenen kleinen Wasserkraftwerks saß etwa im Beirat des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), einem Lobbyverband der Ökostrombranche. Sicherheitspolitik gehörte nicht zu seinen Schwerpunkten.

Dennoch verwandte sich der seinerzeitige CSU-Politiker Nüßlein 2013 beim Bundeskriminalamt (BKA) für Mauss. Der Parlamentarier habe sich „außerhalb des parlamentarischen Fragerechts und ohne erkennbaren Bezug zu seiner Aufgabenwahrnehmung“ als Abgeordneter schriftlich an den damaligen BKA-Präsidenten Jörg Ziercke gewandt „und um Unterstützung in einer Visa-Angelegenheit“ für Mauss gebeten, bestätigte eine BKA-Sprecherin auf Anfrage.

Das Amt ließ den Abgeordneten offenbar auflaufen: „Seitens des BKA wurden keine Aktivitäten in der in Rede stehenden Visa-Angelegenheit entfaltet“, teilte die BKA-Sprecherin mit. Auch wegen Nüßleins „fehlender Zuständigkeit“ habe man auf die Anfrage nicht reagiert oder geantwortet.

Anfang 2020 soll der Abgeordnete dann vor dem Landgericht Bochum in dem Verfahren gegen Mauss als Zeuge ausgesagt haben. Dort musste sich der altgediente Privatermittler gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung verteidigen. Er tat dies mit dem Argument, er habe die angeblich nicht versteuerten Millionen nur als Treuhänder für Sicherheitsbehörden verwaltet. Deshalb habe er dem Fiskus nichts abführen müssen. Im Jahr 2019 hatte der Bundesgerichtshof ein Bewährungsurteil des Bochumer Gerichts dazu aus dem Jahr 2017 aufgehoben und an das örtliche Gericht zurückverwiesen. Im Moment ist das Verfahren ausgesetzt, weil zunächst fehlende Unterlagen beschafft werden sollen.

Sagte der Energiepolitiker Nüßlein in dieser Sache aus? Auf Anfrage von WELT und „Report München“ ließ Nüßleins Anwalt, der in der Vergangenheit auch für Mauss tätig war, diese Frage unbeantwortet. Nüßlein habe aber, so der Anwalt, „zu keinem Zeitpunkt – weder direkt noch indirekt – irgendwelche Zahlungen von Herrn Mauss erhalten“.

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Nüßlein war geschäftlich zumindest zeitweise mit Mauss’ 1983 geborenen Sohn Alexander N. verbunden. Im Jahr 2015 gründete Georg Nüßlein über sein Unternehmen Tectum Holding GmbH gemeinsam mit dem Mauss-Sohn zwei Firmen, beide mit dem Wort Papapiri im Namen und beide mit Sitz in Nüßleins Wahlkreis Neu-Ulm. Eine davon gab als Zweck „die Beteiligung an anderen Unternehmen“ an, die andere machte dazu keine Angaben. Unter dem Namen Papapiri existierte an der Firmenadresse bis zumindest 2019 ein Restaurant, das lateinamerikanische Küche anbot.

Im Jahr 2018 nannte die Ehefrau von Alexander N. vor einer Notarin im bayerisch-schwäbischen Burgau überdies eine Adresse in Krumbach in Nüßleins Wahlkreis als ihre Anschrift. Besitzer des Grundstücks ist laut dem Eintrag im Grundbuch niemand anderes als Nüßlein. Eine Hausnummer gleich nebenan gab wiederum der Mauss-Sohn Alexander im Jahr 2018 als seine persönliche Adresse an – für eine andere Firma, die sich unter anderem der „Plagiatskontrolle“ widmete. Waren also der Sohn und Mauss’ Schwiegertochter Mieter beim Abgeordneten Nüßlein, der im Gefolge der Maskenaffäre aus der CSU ausgetreten ist?

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Nüßleins Anwalt ließ diese Frage unbeantwortet. Mauss als Vater von Alexander N. sei aber, so der Anwalt, an den heute aufgelösten Papiri-Firmen „zu keinem Zeitpunkt unmittelbar oder auch nur mittelbar beteiligt oder in diese Unternehmungen sonst involviert“ gewesen.

Sicher ist, dass Nüßlein selbst in Krumbach geboren wurde und heute im nahen Münsterhausen lebt. Gegen ihn ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Er soll sich gegen die Zahlung hoher Summen für einen Anbieter von Corona-Schutzmasken aus Hessen eingesetzt haben.

Vorwürfe wegen der Maskengeschäfte ließ Nüßlein jetzt über seinen Anwalt zurückweisen. „Aufgrund langjähriger Kontakte zu einem chinesischen Anbieter“ sei es dem Politiker „in schwierigen Tagen“ im März 2020 gelungen, „dass qualitativ hochwertige Masken in der erforderlichen Stückzahl geliefert werden konnten“. Hierfür habe Nüßleins Beratungsfirma eine Vergütung gehalten, nicht er als Parlamentarier. Vorwürfe der Abgeordnetenbestechung würden deshalb „entschieden zurückgewiesen“.

Die Kontakte des Werner Mauss in die CSU reichen offenkundig lange zurück. Auch bei Sohn Alexander war die Geschäftspartnerschaft mit Nüßlein nicht sein einziger Bezug zur CSU. Laut eines Lebenslaufs durfte er Ende 2010 und Anfang 2011 ein fünfmonatiges Praktikum im Abgeordnetenbüro des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk, absolvieren. Koschyk saß bis 2017 für die CSU im Bundestag. Das Praktikum von Alexander N. erwähnte er auf seiner Website.

Koschyk erklärte das Praktikum jetzt mit einer Empfehlung des inzwischen verstorbenen früheren CSU-Bundestagsabgeordneten Rudolf Kraus. Alexander N. habe sich damals aufgrund einer Vermittlung von Kraus an ihn gewandt, der mit Mauss „befreundet“ gewesen sei. Mauss und Alexander N. reagierten nicht auf Anfragen von WELT und „Report München“.

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