Volksbühne: Mit Jürgen Kuttners neuen Videoschnipseln um die Welt

Mit Jürgen Kuttner um die Welt: Neue Videoschnipsel an der Volksbühne

Soldaten, Investoren, Bomben, und in den Ferien marschieren sie als Touristen ein. Kuttner seziert in der Volksbühne das Image der Deutschen in der Welt anhand von Videoschnipseln. 

Jürgen Kuttner findet, dass Reisen auch sehr peinlich sein kann.
Jürgen Kuttner findet, dass Reisen auch sehr peinlich sein kann.Benjamin Pritzkuleit

Am Freitag so gegen eins beginnt ein langes Wochenende. Viel Spaß. Rein mit der Familie ins Auto, ab in den Stau oder noch besser, in die Security-Schlange am überlasteten Flughafen. Und dann los, hinaus in die Welt! Sie hat auf die Deutschen gewartet. Zumindest auf ihr Geld. Große Gönnung schon mal von hier aus an alle Beteiligten. 

Derweil schießen in Berlin die Parkplätze wie Pilze aus dem Boden, man könnte sich einfach so mit einem Klappstuhl draufsetzen und Zeitung lesen. Parken ist der wahre Reiseluxus. Und für den, den gegen Abend das Fernweh packt, empfehlen wir eine energie-, ärger- und ressourcensparende Abhilfe: Jürgen Kuttners 172. Videoschnipselvortrag in der Volksbühne, bei dem es diesmal nicht nur von Mainz bis an die Memel geht, sondern in acht Schnipseln um die ganze Welt.

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Wir haben den Vortragskünstler am Telefon und fragen ihn, ob er Fernweh hat. „Ick? Nee. Ich bin ein schlechter Tourist. Da würde ich mich gefangen fühlen in dieser Blase und eingespeist in eine Wertschöpfungskette. Wenn ich irgendwohin fahre, will ich da mit den Leuten arbeiten, was zu tun haben. Aber nur weil ich es mir leisten kann, irgendwohin zu fahren, nach Japan oder nach Lateinamerika, das ist mir echt immer noch ziemlich fremd.“ Die Deutschen sind reisefreudig, der Jahresurlaub ist neben ihren Hobbys ein großer Teil des Lebensinhalts, auf den alljährlich hingearbeitet wird. 

Bei dem Vortrag, der immer erst live on stage entsteht, wird es Kuttner aber weniger um Tourismus gehen, auch nicht um die Enttäuschungen der Reisefreiheit nach 1989 oder um die Flugscham, die den Luftverkehr zwar nicht schrumpfen lässt, aber die mitreisende schlechte Laune steigert. Der Kulturwissenschaftler hat bewegte Bilder zusammengesucht, die das Deutsche in der Welt reproduzieren: „Die Deutschen kommen in diesen Zeugnissen als Eroberer, als Soldaten, als Investoren oder gleich in Form von Bomben. Es kommen Wehrmachtssoldaten zu Wort, die sich beschweren, nur an der Ostfront eingesetzt worden zu sein, wo sie doch gern mal Frankreich und Italien bereist hätten.“

Der Gestus des Einmarschierens haftet den solventen deutschen Touristen auch heute noch an, wenn man Kuttner glaubt. Mal abgesehen von den Beschränkungen, die die Ostler erst überwinden mussten: Vor der Währungsunion waren die Mittel stark begrenzt, wenn man mit seinen paar DDR-Kröten auskommen musste, die man irgendwo schwierig gegen richtiges Geld umgetauscht hat, um auf dem Schwarzmarkt eine Platte zu kaufen. Dann aber kamen die Reisefreiheit und die Währungsunion, reich waren die meisten dann auch noch nicht, aber um in Prag oder am Schwarzen Meer die Puppen tanzen zu lassen – dafür hat es gereicht. 

Solche und ähnliche Assoziationen und Interpretationen werden sich aber wie gesagt erst am Freitag zur Gänze entfalten, nur die Schnipsel stehen fest. Allein mit Ingo Insterburg und seinem Witzlied „Ich liebte ein Mädchen“ geht es von Lichterfelde, Grunewald und Wannsee, über die Sowjetunion, Ägypten und die Molukken bis auf den Mars („... das wars“). Die Reise bietet einen ganzen Strauß von sexistischen und rassistischen Pointen, die nach kompetenter Einordnung rufen. Noch seltsamer ist der Beitrag zur Verabschiedung von Roland Koch, der mit einem kleinen Zapfenstreich aus dem Amt ging – einem Udo-Jürgens-Medley, das mit „Ich war noch niemals in New York“ endete. Aus den Rohren eines deutschen Militärblasorchesters klingt das so, als wolle man nun endlich den wichtigsten Nato-Partner angreifen.

Von Mainz bis an die Memel, CLXXII. Ein Videoschnipselvortrag von Kuttner, 17. Mai, 20 Uhr in der Volksbühne, Karten unter Tel.: 24065777 oder www.volksbuehne.berlin