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Geschichte Mahdi-Aufstand

Tod im Gemetzel. Das Ende des Kriegshelden Charles George Gordon

In den 1880ern forderte der „Gottesstaat“ des Mahdi Großbritannien heraus. General Gordon, der den Sudan evakuieren sollte, beschloss aber, um Khartum zu kämpfen. Es folgte ein entsetzliches Gemetzel.
Freier Autor Geschichte
Kombo Charles Gordon Kombo Charles Gordon
Vermutlich im Gouverneurs-Palast von Khartum fand Gordon (l.) im Kampf gegen die Aufständischen (r.) den Tod
Quelle: Getty Images/ Hulton Archive, UIG

Am 21. Januar 1885 wurde Brigadegeneral Charles William Wilson eine Nachricht seines Kollegen Charles George Gordon zugestellt. Darin hieß es: „In Khartum alles bestens; könnte jahrelang durchhalten.“ Das Schreiben datierte vom 29. Dezember 1884. Allerdings hatte das Dampfschiff auch eine weniger beruhigende Meldung für Wilson dabei. In ihr teilte Gordon mit Datum vom 14. Januar mit, dass er sich noch zehn Tage würde halten können. Tatsächlich waren es zwölf Tage. Am 26. Januar stürmten 50.000 fanatische Muslime die sudanesische Hauptstadt und töteten Gordon und sein Kommando bis auf den letzten Mann.

Der Fall von Khartum war der Höhepunkt des sogenannten Mahdi-Aufstandes, der in den 1880er-Jahren weite Teile des Sudan erschütterte. Es war die erste erfolgreiche Erhebung gegen eine europäische Kolonialmacht, und sie war vor allem religiös motiviert.

Der Aufruhr der europäischen Öffentlichkeit spiegelt sich noch in der „Mahdi“-Trilogie Karl Mays aus den frühen 1890er-Jahren: „Du willst die Erde erobern und die Christen vernichten? Du willst die unvollendete Sendung des Propheten vollenden und das Schwert des Islam von einem Ende der Welt zum anderen tragen“, fragt Kara Ben Nemsi einen Sklavenjäger. „Spotte nicht, denn es könnte dir schlecht bekommen“, antwortet dieser. „Ich bin vom Geist erleuchtet und weiß alle Dinge.“

The Mahdi (Muhammad Ahmad 1848-85) Charismatic Muslim leader, slave trader, rebel against Egyptian rule in Eastern Sudan. Defeated British under Gordon at Khartoum in 1885 Wood engraving. (Photo by: Photo12/UIG via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Muhammad Ahmad (1848-1885) war der charismatische Mahdi
Quelle: UIG via Getty Images

Diese Charakterisierung war nicht ganz falsch. Religionsgeschichtlich ist der Mahdi der Erlöser, den die Schiiten am Ende aller Zeiten erwarten. Muhammad Ahmad allerdings war ein vom Sufismus geprägter Sunnit, der die Gemeinde des Urislam wiederherstellen wollte und als charismatischer Prediger Zehntausende in seinen Bann zog.

Aber es war nicht allein religiöse Inbrunst, die ihm die Anhänger in Scharen zutrieb, sondern auch die Besetzung Ägyptens und des Sudan durch britische Truppen ab 1882. Ägypten, formal eine Provinz des Osmanischen Reiches, hatte seit den 1810er-Jahren konsequent auf Modernisierung nach westlichem Vorbild gesetzt, sich dabei aber so sehr bei Geldgebern in London und Paris verschuldet, dass diese zunehmend die Kontrolle über das Land gewannen.

Um seine Investitionen – zu denen vor allem der Suezkanal gehörte – zu sichern und dem französischen Rivalen zuvorzukommen, intervenierte Großbritannien schließlich militärisch. Der Urabi-Aufstand mit dem Slogan „Ägypten den Ägyptern“ wurde zwar niedergeschlagen. Aber die Empörung über die Fremden schwelte weiter und vergrößerte die Anhängerschaft des selbst ernannten Mahdi. Der ging bald daran, einen regelrechten „Gottesstaat“ im Süden des Sudan aufzubauen.

Schlacht bei Scheikan
Bei Scheikan verlor General General William Hicks 1883 Schlacht und Leben
Quelle: Wikipedia/Public Domain

Der britische Versuch, die Mahdisten zurückzudrängen, endete im November 1883 in einer Katastrophe. Zwar gelang es General William Hicks, bei seinem Vormarsch nilaufwärts eine Abteilung in die Flucht zu schlagen. Aber bei Scheikan wurde er von einer fünffachen Übermacht gestellt. Obwohl er über Vorläufer des Maschinengewehrs verfügte, wurden er und seine 10.000 Männer buchstäblich vernichtet.

Die Regierung in London beschloss daraufhin, sich auf die Verteidigung Ägyptens zu konzentrieren und den Sudan zu räumen. Charles George Gordon schien der ideale Mann für diese Aufgabe zu sein. Der Sohn eines Generals hatte am Krimkrieg und am zweiten Opiumkrieg in China teilgenommen. Anschließend hatte er im Taiping-Aufstand eine Fremdenlegion geführt. Im Dienst des osmanischen Vizekönigs von Ägypten stieg er zum Gouverneur des Sudan (1877–1880) auf und bekleidete hohe Posten in Indien und Südafrika. Für die englische Öffentlichkeit war er ein „Kriegsheld“ ganz nach dem Geschmack der Zeit, weltgewandt und auch in den Wissenschaften bewandert. So behauptete er nach einem Besuch Jerusalems, endlich den wahren Ort der Kreuzigung Jesu entdeckt zu haben.

General Charles Gordon arriving at Khartoum, Sundan, 18 February, 1884. CG: British army officer and administrator, 28 January 1833 – 26 January 1885. (Photo by Culture Club/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Gordons Ankunft in Khartum wurde zunächst begeistert aufgenommen
Quelle: Getty Images

Im Februar 1884 erreichte Gordon Khartum. Obwohl er in einem Zeitungsinterview erklärt hatte, die Evakuierung der Stadt könne „unmöglich gerechtfertigt werden“, machte er sich schließlich daran, rund 2500 Frauen, Kinder und Versehrte nach Norden zu schicken. Statt sich ihnen mit dem Rest der Garnison anzuschließen, sandte er ein Telegramm nach London. Darin ließ er der Regierung Ihrer Majestät wissen, dass er nicht zulassen werde, dass der Sudan „von einer schwachen Ansammlung stinkender Derwische“ tyrannisiert werde.

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Mit rund 7000 Mann anglo-ägyptischer Truppen richtete er sich zur Verteidigung ein, die ab Mitte März von einer vielfachen Übermacht unter Abdallahi Bin Muhammad herausgefordert wurde, der nach dem plötzlichen Tod des Mahdi 1885 dessen Nachfolge antreten sollte. Drängenden Aufforderungen aus London an Gordon, sich nach Norden durchzuschlagen, verweigerte sich der General: „Ich bin den Menschen hier in Ehre verpflichtet.“ Zugleich verlegte er sich aufs Verhandeln und bot den Mahdisten an, ihren Sklavenhandel fortsetzen zu dürfen, wenn sie den Aufstand beendeten.

Major-General Charles George Gordon (1833- 26 January 1885), known as Chinese Gordon, Gordon Pasha, or Gordon of Khartoum. British army officer and administrator. (Photo by: Photo 12/ UIG via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
General Charles George Gordon (1833-1885) war ein Kriegsheld, wie er im Buche steht
Quelle: UIG via Getty Images

Schließlich musste die liberale Regierung von William Ewart Gladstone sich den Protesten der Öffentlichkeit beugen und eine Rettungsexpedition in Gang setzen. Die Gordon Relief Expedition brauchte aber bis Dezember 1884, um angriffsbereit zu sein. Dann machte sie sich in zwei Kolonnen auf den Weg nach Süden. Die Hauptstreitmacht fuhr auf Schiffen den Fluss hinauf, während eine starke Reitertruppe durch die Wüste marschierte.

Wie man sich das Heer des Mahdi vorstellte, hat der englische Schriftsteller Lytton Strachey in einem Essay über berühmte Männer des viktorianischen Zeitalters beschrieben: asketische Disziplin der alten Zeit, dazu ein Strafkodex mit Verstümmelung, Auspeitschung, Exekution. Kein Pomp und keine Feierlichkeiten mehr, keine fliegenden Haare jugendlicher Krieger, dafür kahl geschorene, spartanische Wirklichkeit, während sich der Mahdi und seine Kalifen und Emire mit Sklaven, Frauen und verbotenen Getränken auf die Schönheiten des Paradieses vorbereiteten.

SUDAN - CIRCA 2002: Passage down the waterfalls, 1884, during the British expedition to Khartoum to help Gordon. Colonial wars, Sudan, 19th century. (Photo by DeAgostini/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Mühsam kämpfte sich die britische Entsatztruppe den Nil entlang
Quelle: De Agostini/Getty Images

Nachdem die britische Vorhut ein muslimisches Detachement in die Flucht geschlagen hatte, wollte der Mahdi die Belagerung Khartums bereits aufgeben, wurde aber von seinen Untergebenen überstimmt. Als die britischen Entsatztruppen nur noch zwei Tage entfernt waren, begann der große Sturmangriff. Die Bedingungen waren günstig. Das Nilhochwasser war zurückgegangen, was auch ein Vorgehen von der Uferfront aus zuließ.

Am 26. Januar fiel Khartum und mit ihm Gordon und seine Leute. Als die Briten am 28. in die Stadt einrückten, fanden sie zahllose Leichen und halb verhungerte Menschen vor. Gordons abgeschlagener Kopf war zwischen zwei Bäumen über die Hauptstraße gespannt. Mit ähnlichen Mitteln sollte sich ein gutes Jahrhundert später die sogenannte Mahdi-Armee des radikal-schiitischen Geistlichen Moktada al-Sadr im Irak der Weltöffentlichkeit in Erinnerung rufen.

Robert Talbot Kelly: Schlacht von Omdurman 1898
In der Schlacht bei Omdurman wurde die Armee des Mahdi 1898 endgültig vernichtet
Quelle: Wikipedia/Public Domain

„Sein Leben war Englands Ruhm, sein Tod war Englands Stolz“, dichtete emphatisch Joseph Rudyard Kipling über Gordon. In England wurden ihm Messen gelesen. Er erhielt ein Grabmal in der Londoner St.-Paul’s-Kathedrale. Später setzte man ihm Denkmäler. Für die Regierung Gladstone erwies sich Gordons Tod als ein weiterer Nagel zu ihrem Sarg.

Erst im September 1896 war England wieder zu einer Kraftprobe mit dem Mahdi bereit. Eine anglo-ägyptische Armee unter dem Befehl von Horatio Herbert Kitchener kämpfte sich den Nil hinauf. Im September 1898 kam es bei Omdurman auf der westlichen Nilseite gegenüber von Khartum zur Entscheidungsschlacht. Bei geringen eigenen Verlusten wurde das Heer der Mahdisten vernichtet. Einer der Kombattanten war ein Leutnant mit Namen Winston Churchill.

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Dieser Artikel wurde erstmals im Januar 2018 veröffentlicht.

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