Schlacht um Moskau: Als Hitler sich den Oberbefehl über das Heer griff - WELT
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Zweiter Weltkrieg Schlacht um Moskau

Als Hitler sich den Oberbefehl über das Heer griff

Am 19. Dezember 1941 entließ Hitler mit Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch den formal höchsten Soldaten des deutschen Heeres. „Das bisschen Operationsführung“ könne er auch machen.
Leitender Redakteur Geschichte
Die Schlacht vor Moskau

Der Wehrmachtsführung wird klar, dass vor Wintereinbruch die Einnahme der russischen Hauptstadt unmöglich ist. Hitler verbietet jedoch die Kapitulation. Moskau wird zum Wendepunkt des Angriffkrieges.

Quelle: STUDIO_HH

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Wer Schuld trägt, tut gut daran, einen Sündenbock zu haben. Adolf Hitler hielt wenig bis nichts von den älteren Generälen der Wehrmacht, die schon im Ersten Weltkrieg meist als Stabsoffiziere hinter der Front eingesetzt waren. Nützlich waren sie ihm trotzdem – manchmal als Experten wie der hervorragende Planer Franz Halder, Generalstabschef des Heeres. Manchmal als erfahrene Strategen wie Gerd von Rundstedt oder Günther von Kluge. Manchmal aber eben auch nur als Verantwortliche, die man im günstigen Moment absetzen konnte.

Brauchitsch, Weixhs, Halder u.a. / 1939 Brauchitsch, Walther von Generalfeldmarschall (1938-1941 Ober- befehlshaber des Heeres); 1881-1948. - Lagebesprechung waehrend des Polen- feldzugs im 2. Weltkrieg: (v.l.n.r.) von Brauchitsch, dahinter General von Weichs, Generalleutnant Kaempfe und General Halder. - Foto, 1939. |
Hitlers ungeliebte Top-Generäle: Walther von Brauchitsch (vorne l.) und Generalstabschef Franz Halder (r.)
Quelle: picture-alliance / akg-images

Viel spricht dafür, dass Hitler genau aus diesem Grund den formal obersten Soldaten des deutschen Heeres, Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch, bis Ende 1941 im Amt beließ. Er stand auf derselben Stufe wie Generaladmiral Erich Raeder und Generalfeldmarschall Erhard Milch, der zweite Mann der Luftwaffe; dessen Vorgesetzter Hermann Göring war aufgrund seiner anderen Funktionen in der Hierarchie höher angesiedelt.

Schon die Ernennung Brauchitschs im Februar 1938 war das Ergebnis eines klaren Kalküls gewesen: Nach der Entlassung des damaligen Heeres-OB Werner Freiherr von Fritsch und des Reichskriegsministers Werner von Blomberg gab es heftige Spannungen in der Heeresführung. Der bis dahin als effektiver, aber unauffälliger Karriereoffizier bekannte Brauchitsch erschien als geeigneter Kandidat für den angesehen Posten des Heeres-Chefs, zumal gleichzeitig das Kriegsministerium zum Oberkommando der Wehrmacht herabgestuft und Wilhelm Keitel übergeben wurde, einem ebenso unterwürfigen wie karrierebewussten General.

Der Nürnberger Prozess gegen Wilhelm Keitel

Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen, zum Tod durch den Strang verurteilt und in Nürnberg hingerichtet.

Quelle: STUDIO_HH

Möglicherweise spielte auch eine Rolle, dass Brauchitsch gerade in der Scheidung steckte und Geld, das Hitler ihm aus einem Sonderfonds zukommen ließ, gut gebrauchen konnte: Er hatte Unterhalt zu zahlen. Der neue Heeres-OB revanchierte sich mit einem klaren Bekenntnis zur Staatsideologie: „In der Reinheit und Echtheit nationalsozialistischer Weltanschauung darf sich das Offizierskorps von niemanden übertreffen lassen.“

Gleichwohl war Brauchitsch tatsächlich nie ein so angepasster General wie etwa Keitel. Auf dem Höhepunkt der Sudetenkrise Ende September 1938 dachte er vielmehr über einen Staatsstreich gegen Hitler nach. Als ein Jahr später der „Führer“ allen Ernstes mitten im Winter 1939 den Feldzug gegen Frankreich beginnen wollte, bot Brauchitsch aus Protest zum ersten Mal seinen Rücktritt an – und kassierte eine Abfuhr: „Hitler lehnte das ab, indem er sagte, ich hätte meine Pflicht und Schuldigkeit zu tun wie jeder Soldat“, bezeugte Brauchitsch 1946 vor dem Nürnberger Gerichtshof.

Das tat der 1940 zum Generalfeldmarschall beförderte Offizier; er spielte bei den Planungen für die Feldzüge der Jahre 1940/41 eine wesentliche, durchaus wichtige Rolle. Doch gerade als im Spätherbst 1941 die Probleme an der Ostfront zunahmen, kam es öfter zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Hitler und Brauchitsch; der Gefreite des Ersten Weltkrieges, der freilich selbst meist hinter der Front eingesetzt war, verachtete die „Schreibtisch-Generäle“, hielt sie für inkompetent und illoyal. In Wirklichkeit war er es, der mit seinen militärisch oft unlogischen Angriffs- und Haltebefehlen die Truppen in größte Schwierigkeiten brachte.

Nachdem am 7. Dezember 1941 klar wurde, dass die Heeresgruppe Mitte auf breiter Front dem Druck der attackierenden Roten Armee nachgeben musste, bot Brauchitsch wieder einmal seinen Rücktritt an. Hitler erklärte, er werde sich das überlegen.

Zehn Tage später, die Katastrophe der Winterschlacht vor Moskau wurde immer offensichtlicher, wiederholte der Heeres-OB seine Bitte um sofortige Entlassung. Als Propagandaminister Joseph Goebbels davon erfuhr, diktierte er seinem Sekretär: „Der Führer hat eine ziemlich harte Auseinandersetzung mit Brauchitsch. Der ist reif.“ Obwohl in die Kriegsführung gar nicht eingebunden, befand der neben Göring und Himmler mächtigste Nationalsozialist hinter Hitler über den Heeres-OB: „Er ist zum großen Teil schuld an den schweren Versäumnissen, die die Front jetzt teuer bezahlen muss. Es wäre auch falsch, hier Schonung obwalten zu lassen. Im Kriege herrscht ein hartes Gesetz. Wer seinem Posten nicht gewachsen ist, muss gehen.“

Am 19. Dezember 1941 nahm Hitler den Rücktritt formal an – offiziell wegen Brauchitschs „Herzleidens“. Ein Nachfolger wurde nicht berufen, denn er selbst übernahm nun auch diese Funktion. Er habe sich entschlossen, hieß es in einer Verlautbarung, „unter voller Würdigung der Verdienste des bisherigen Oberbefehlshabers des Heeres, Generalfeldmarschall von Brauchitsch, die Führung der Gesamtwehrmacht mit dem Oberkommando des Heeres in seiner Hand zu vereinigen“.

Brauchitsch und Hitler / Foto 1939. Brauchitsch, Walther von Generalfeldmarschall (1938-1941 Ober- befehlshaber des Heeres), 1881-1948. - Der Oberbefehlshaber des Heeres von Brauchitsch (rechts), im Gespraech mit Hitler.- Foto, 1939. |
"Wer seinem Posten nicht gewachsen ist, muss gehen": Hitler und Walther von Brauchitsch (r.) 1939
Quelle: picture-alliance / akg-images
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Ganz anders klang, was Hitler intern sagte; gegenüber Generalstabschef Halder erklärte Hitler geringschätzig: „Das bisschen Operationsführung kann jeder machen. Die Aufgabe des Oberbefehlshabers des Heeres ist es, das Heer nationalsozialistisch zu erziehen. Ich kenne keinen General des Heeres, der diese Aufgabe in meinem Sinne erfüllen könnte. Darum habe ich mich entschlossen, den Oberbefehl über das Heer selbst zu übernehmen.“

Nach der Versetzung in die „Führer-Reserve“ erhielt der zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 60-Jährige Feldmarschall nie wieder eine Funktion. Goebbels trat noch nach: „Brauchitsch war weder ein Gegner der Partei noch ein Verfechter der Wehrmachtinteressen; er ist ein mittelmäßiger General, der nur durch einen Zufall zu einer so verantwortlichen Stellung gekommen ist.“

Hitler führte jetzt offiziell das Heer selbst. Besser allerdings wurde durch die Kommandoänderung gar nichts, im Gegenteil: Es fehlte von nun an auch das geringe Korrektiv, das Brauchitsch immer wieder einmal gewesen war. Denn Keitel und Alfred Jodl, Hitlers zweiter militärischer Chefberater, waren weder willens noch in der Lage, diese Lücke zu füllen.

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Dieser Artikel wurde erstmals 2016 veröffentlicht.

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