Ron Williams: Eine Hommage an Harry Belafonte | Abendzeitung München
Interview

Ron Williams: Eine Hommage an Harry Belafonte

Das Ernste in der Leichtigkeit: Vor einem Jahr starb Harry Belafonte. Der Münchner Entertainer Williams erinnert sich, analysiert den Welterfolg und hat eine Show für das Deutsche Theater konzipiert
| Adrian Prechtel
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Vereint in der Bürgerrechtsbewegung: Sidney Poitier (links) und Harry Belafonte am 28. August 1963 in Washington DC vor einer Ansprache.
Francis Miller / Life / Imago 4 Vereint in der Bürgerrechtsbewegung: Sidney Poitier (links) und Harry Belafonte am 28. August 1963 in Washington DC vor einer Ansprache.
Harry Belafonte und Sidney Poitierauf der Premierenparty von "Raisin in the Sun" im Sardi's Restaurant.
Gordon Parks / Life / Imago 4 Harry Belafonte und Sidney Poitierauf der Premierenparty von "Raisin in the Sun" im Sardi's Restaurant.
Ron Williams.
Ron Williams / privat 4 Ron Williams.
Ron Williams: Der Schauspieler, Sänger, Moderator, Entertainer und Kabarettist wurde 1942 als Ronald Lee Williams-Clarke in Oakland, Kalifornien geboren. Er kam Anfang der 60er als GI nach Deutschland, wo er für den Sender AFN moderierte. Seitdem hatte er zig Fernseh- und Bühnenshows und tourt für Musicals.
4 Ron Williams: Der Schauspieler, Sänger, Moderator, Entertainer und Kabarettist wurde 1942 als Ronald Lee Williams-Clarke in Oakland, Kalifornien geboren. Er kam Anfang der 60er als GI nach Deutschland, wo er für den Sender AFN moderierte. Seitdem hatte er zig Fernseh- und Bühnenshows und tourt für Musicals.

Ron Williams tourt gerade mit "Miss Daisy und ihr Chauffeur" durch Deutschland und bald auch Österreich. Er ist stolz darauf, durchgesetzt zu haben, dass er im Stück auch singen darf - zu sich am Steuer. Und Williams beginnt, im Obersendlinger Café leise den Gospel zu singen "Fix me, Jesus, fix me". Ja, diese Songs machten das Stück düsterer, tragischer, politischer als die Komödie am Broadway, sagt er. Und er stimmt "Oh Freedom" an.
Über das Singen schlagen wir den Bogen zum Anlass des Interviews: Harry Belafonte, dem Williams selbst ein paar Mal begegnet ist, hat den ersten Todestag - und der Münchner Williams widmet ihm bald eine Hommage im Silbersaal des Deutschen Theaters.

AZ: Herr Williams, was haben Sie mit Harry Belafonte zu schaffen?

RON WILLIAMS: Ich war Teenie in Los Angeles und fuhr mit meinem Fahrrad durch die Gegend an einem Plattenladen vorbei. Und da schallte es heraus: "Eeee Oh, EeEeEhoh…." Es war kein Soul, kein Ray Charles, kein Little Richard. Mir blieb dieses klagende und doch selbstbewusste Stück im Ohr. Der "Banana Boat Song" kam im Radio immer wieder und er hat mich berührt. Dann sah ich Filmplakate: "Carmen Jones": Bizets Carmen-Geschichte ins schwarze Georgia verlegt - mit Harry Belafonte. Etwas später war ich bei meiner Familie in Oakland, und "Island in the Sun" kam im Kino - wieder mit diesem gutaussehenden schwarzen Typen. Er kommt da einer weißen Frau sehr nahe - und das in einem Hollywoodfilm! Ich gehe zu meinem Onkel, der wie ein Vater für mich war und ein klassischer Gesangslehrer. Und der sagt: "Junge, ich habe diesem Belafonte in New York Gesangsstunden gegeben!" Und ein paar Tage später nimmt mich meine Tante beiseite und sagt: "Ron, ich muss dir was erzählen: Du bist nicht der Sohn deines Vaters, der ein Prediger war. Du bist der Sohn eines Verhältnisses deiner Mutter mit einem Jamaikaner".

Ein Schock!

Nein, ich war glücklich, weil das auch erklärte, dass ich im Kinderheim aufgewachsen bin. Und jetzt hatte ich noch eine Verbindung zu Harry Belafonte. Die wurde dann durch biografische Parallelen noch größer, wie die Militärerfahrung. Ich war in Georgia und Virginia und habe da täglich Rassismus erlebt, aber ich habe mir nie etwas gefallen lassen.

Ron Williams.
Ron Williams. © Ron Williams / privat

Was war denn das Außergewöhnliche an Harry Belafonte?

Er konnte wie kein anderer eine Beziehung zum Publikum aufbauen - und das war weiß! Das sah in ihm Exotik und Erotik, und weil er nett zu ihnen war, mussten sie auch nicht immer ein schlechtes Gewissen haben. Das wurde ihm zwar von der schwarzen Community auch vorgeworfen, aber er war der richtige Mann. Denn er hat seinen Charme und seinen Kontakt zum Publikum immer auch für das Politische benutzt. Das heißt: bei aller Unterhaltung das Publikum nie völlig ins Leichte und Heitere entlassen! Und er war bei alledem völlig angstfrei - bishin zur Vernehmung durch den McCarthy-Ausschuss, als er vor den Senat vorgeladen wurde. Er hat auch gegen Nixon Stellung bezogen. Belafonte war mein Vorbild - und auch ich habe in Deutschland natürlich vor allem weißes Publikum. Auch ich habe Shows und Kabarett immer mit gesellschaftlichen Fragen verbunden oder den Deutschen kritisch Amerika erklärt.

War Harry Belafonte dann ein zu weißer Schwarzer?

Er hat kapiert, dass man im Showbiz keinem Angst machen darf. Daher waren auch die Supremes die netten Mädchen von nebenan, die Soulbands waren gut angezogen, adrett… nur kein Ghettofeeling bitte! Aber Belafonte hat nie den Clown gemacht wie Sammy Davis Jr. und er war viel unbequemer als Sidney Poitier, mit dem ihn eine Art Konkurrenzverhältnis verband. Belafonte hat auch Rollen abgelehnt, die Poitier gespielt hat. Und die schwarzen Amerikaner konnten auch mit jamaikanischer Kultur und vor allem Calypso-Musik nicht viel anfangen, auch hatte Belafonte keine schwarze Frau. Die Schwarzen haben sich von ihm nicht repräsentiert gefühlt.

Und wann sind Sie ihm dann wirklich begegnet?

Harry Belafonte und Sidney Poitierauf der Premierenparty von "Raisin in the Sun" im Sardi's Restaurant.
Harry Belafonte und Sidney Poitierauf der Premierenparty von "Raisin in the Sun" im Sardi's Restaurant. © Gordon Parks / Life / Imago

In München, nach seiner Show im Circus Krone im Juli 1980. Ich habe ihm gesagt, dass mein Ziehvater ihm Gesangsunterricht gegeben hat. Er hat sich gefreut, wir sind in Kontakt geblieben und 2014 habe ich ihm meine "Harry Belafonte Tour" vorgestellt. Ich fühle mich ihm nach alledem verwandt. Und er ist für mich die bedeutendste schwarze Figur.

Da fällt einem aber auch Martin Luther King ein.

Aber den hat Belafonte mit Geld, Anzug und neuen Schuhen ausgestattet und ihm in Los Angeles und in Las Vegas wichtige Personen vorgestellt, wodurch King große gesellschaftliche und moralische Unterstützung bekam.

Aber wer war das?

Belafonte hatte Brando, Walter Matthau, Paul Newman zu Freunden, sie waren zum Teil auf der gleichen Schauspielschule gewesen, auch Charlton Heston, bevor er nach rechts und in die National Rifle Association glitt oder Clint Eastwood. Die Kennedys haben ihn unterstützt - und Sinatra - auch bei seiner Spielsucht in Las Vegas. In der damaligen New Yorker Zeit hat er mit Jazz angefangen. Sein erster Song war "Recognition - Anerkennung!" Ein politischer Song.

Spielen Sie den auch in Ihrer Belafonte-Show?

Natürlich! Es sind die Wurzeln. Und ich habe in der Show genau deshalb auch ein Jazztrio dabei - abgesehen davon, dass man eine Show-Bigband und Chor nicht bezahlen könnte. Harry Belafonte wiederum konnte alles bezahlen: Er war ein globales Phänomen - bis hin zur deutschen Friedens- und Antiatomkraftbewegung. Und er hatte Geld: eine eigene Plattenfirma und eine eigene Filmproduktionsfirma, weil bereits sein "Banana Boat Song" sich anderthalb Millionen Mal verkauft hatte. Dabei war der Song nur als kleiner "Filler" gedacht, weil auf dem Calypso-Album noch Platz war.

"Hommage an Harry Belafonte": Deutsches Theater, 8./9. Juni, 20 Uhr, mit Ron Williams und Trio, 37 Euro, www.deutsches-theater.de

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