Rebecca F. Kuang in Stuttgart: Ein Abend zu »Yellowface« - literaturcafe.de
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Rebecca F. Kuang in Stuttgart: Ein Abend zu »Yellowface«

Rebecca F. Kuang signiert nach ihrer Lesung in Stuttgart (Foto: Tischer)
Rebecca F. Kuang signiert nach ihrer Lesung in Stuttgart (Foto: Tischer)

In Stuttgart startete Rebecca F. Kuang ihre kleine Deutschlandtour zum Bestseller »Yellowface«. Ein kurzweiliger Abend im ausverkauften Renitenz-Theater mit einer souveränen Autorin. Erstaunt und überrascht konnte man beim Blick ins Publikum sein.

Viele internationale Künstler verzichten auf einen Auftritt in Stuttgart. Gibt es nur eine Handvoll Termine, so finden diese meist in Berlin, München, Hamburg und Köln statt. Im Gegensatz zu diesen Städten gibt es in Stuttgart keine nennenswerten Medien mehr, bei denen man parallel zum Auftritt noch ein Interview platzieren könnte.

Umso erstaunlicher, dass Bestseller-Autorin Rebecca F. Kuang ihre Tour zu »Yellowface« in Deutschland am 13. Mai 2024 in Stuttgart startet, bevor es nach Berlin, München, Köln und dann noch Zürich weitergeht. Dies sei, so ist vom Eichborn Verlag zu hören, der engagierten PR-Frau der örtlichen Thalia-Filiale zu verdanken. Michelle Ketzer begrüßt auch an diesem Abend das Publikum im Renitenz-Theater. Innerhalb von drei Tagen war die Lesung ausverkauft.

Das Publikum ist fast ausschließlich um die 20 und weiblich. Dass sich die typische BookTok-Community eingefunden hat, ist bemerkenswert, denn »Yellowface« ist kein Fantasy- oder New-Adult-Titel. »Yellowface« ist eine überaus intelligente Literaturbetriebssatire und könnte daher auch in den Literaturhäusern präsentiert werden (siehe Rezension im literaturcafe.de). Ihre Fanbasis hat sich die 27-jährige Autorin jedoch durch die Vorgängerbücher »Babel« und »Im Zeichen der Mohnblume« erarbeitet, die eindeutig dem Fantasy-Genre zuzurechnen sind. Die primäre Bewerbung der Lesung über die einschlägigen Social-Media-Kanäle dürfte das übrige dafür getan haben, dass das übliche Lesungspublikum gänzlich fehlt.

Auf der Bühne (von links): Rebecca F. Kuang, die Moderatorinnen Joy Stock und Léonie Völkle und die Sprecherin Diana Gantner. Ganz rechts im Publikum sensationell im Bild: der Hinterkopf eines Mannes (Foto: Tischer)
Auf der Bühne (von links): Rebecca F. Kuang, die Moderatorinnen Joy Stock und Léonie Völkle und die Sprecherin Diana Gantner. Ganz rechts im Publikum sensationell im Bild: der Hinterkopf eines Mannes (Foto: Tischer)

Tatsächlich ist es Kuang gelungen, ihre Fans auch für ein Buch zu begeistern, das man als »contemporary fiction«, als zeitgenössische Literatur bezeichnet. In den Verlagshäusern ist man bei solchen Genrebrüchen immer besorgt um die Leserschaft, ob sie denn den Wechsel versteht und mitmacht. Kuang zeigt, dass es gelingen kann.

Besorgt hingegen war seinerzeit ihre Literaturagentin, wie der Verlag auf ein Buch reagieren würde, das so offen und schonungslos das Autorinnenleben und die Vorgänge in Verlagen thematisiert, sagt Kuang. Kuang selbst hatte da keine Angst, und tatsächlich entwickelte sich auch »Yellowface« rasch zum Bestseller.

Auf die abgegriffendste aller Fragen, mit der Moderatorin und Buchhändlerin Joy Stock von Thalia Hamburg den Abend eröffnete – »Wie bist du auf die Idee zu diesem Buch gekommen?« –, antwortet Rebecca F. Kuang souverän und offen, dass sich manche Autoren für diese Frage immer ausgefallene Antworten ausdenken, doch die komplette Story von »Yellowface« habe sie plötzlich angesprungen und sei dann in ihrem Kopf gewesen. Das war bereits am Ende der Lockdown-Zeit.

YELLOWFACE von Rebecca F. Kuang, auf Deutsch bei Eichborn
YELLOWFACE von Rebecca F. Kuang, auf Deutsch bei Eichborn

Interessant, wie Kuang den Prozess beschreibt, mit der sie die Geschichte niederschrieb. Sie arbeite nicht linear, sondern schreibe die Szenen zuerst, die in sich stimmig seien und ihr Spaß machen. Da könne es auch schon mal passieren, dass Figuren innerhalb der Geschichte plötzlich ihren Namen wechseln. So nach und nach arbeite sich dann die Story heraus. Kuang vergleicht diesen Prozess wie der bei einem Animationsfilm, bei dem die interagierenden Charaktere zunächst nur ein kugelförmiges Etwas sind und das finale Aussehen erst später hinzukommen.

Immer wieder lacht das Publikum, wenn Kuang offen und unprätentiös antwortet. Eigentlich waren meine Gedanken schon beim Abendessen, gibt sie zu, als Co-Moderatorin Léonie Völkle wissen will, wie es denn sei, den eigenen Text auf Deutsch zu hören. Sprecherin Diana Gantner war an diesem Abend die angenehme deutsche Stimme der Hauptfigur Juniper Song.

Nach der Begrüßung auf Deutsch wurde ansonsten nur Englisch gesprochen, nachdem auf die entsprechende Frage niemand eine Übersetzung verlangt hatte. Der anhaltende Trend, dass die meisten im Publikum den Roman ebenfalls im Original gelesen hatten, wird mehr und mehr für die deutschen Verlage zum Problem, wenn sich eine Übersetzung wirtschaftlich irgendwann nicht mehr lohnen sollte.

Ohne zu langweilen, ist der Abend nach 50 Minuten schon wieder vorbei. Zumindest auf der Bühne. Der zeitintensivere Teil dürfte folgen: das Signieren. Trotz Jetlag sitzt Rebecca F. Kuang fröhlich an einem Tisch im Foyer des Theaters, signiert und macht Selfies mit den Fans, die an diesem Abend dann hoffentlich doch noch zusätzlich die deutsche Ausgabe mit Farbschnitt kaufen, übersetzt von Jasmin Humburg.

Wolfgang Tischer

Rebecca F. Kuang; Jasmin Humburg (Übersetzung): Yellowface: Roman. »Rasiermesserscharf!« TIME. Kindle Ausgabe. 2024. Eichborn. 23,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

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