Foto: Thomas Michalski
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Was ist ein Chronogramm?
Auf dem Titelbild ist das Chronogramm an der äußeren Chorwand der St. Mauritius Kirche zu sehen. Ein Chronogramm ist ein Satz, in dem Zahlen verschlüsselt sind. Chronogramme sind in Mitteleuropa als lateinische Hausinschriften weit verbreitet, aber wenig bekannt. Diese Rätsel waren im Barock sehr beliebt.
Addiert man die Werte der als Buchstaben vorkommenden römischen Ziffern I, V, X, L, C, D, M im Satz, so ist die Summe das Baujahr des Hauses. Manchmal findet man das Baujahr am gleichen Giebel auch mit arabischen Ziffern geschrieben.
In diesem Chronogramm ist in jeder Zeile das Baujahr des Turms der Mauritiuskirche versteckt.
Der Text:
E GREMIO FABRICAE CAPVT ERIGO, TINNIO, PLAVDO.
DO TIBI, MAVRITI, VOCE CLIENTE SONOS.
STA VIGILI SCVTO, FABRICAM REGE, PROTEGE, DITA!
ILLA DABIT LARGO MILLE TRIBVTA SINV.
übersetzt:
Aus dem Kern des Baus erheb ich das Haupt, klinge, lobsinge.
Dir, Mauritius, weih ich mit bittender Stimme die Töne
Steh mit der Wachsamkeit Schilde, leite, schütze, erhalte den Bau.
Mit willigem Sinn schenkt er tausendfache Vergeltung.
Die Lösung und ein weiteres Rätsel finden Sie in KKVAktuell 10/23.
Regina Michalski
Vorwort
„Wir sind nur Gast auf Erden“ ein Nazi-Protestsong?
Liebe Verbandsschwestern und Verbandsbrüder!
Im Sommer dieses Jahres bei einem spontanem Picknick-Treffen in der Sonne auf dem Kehrwiederwall hinterm Godehardsgarten kam mir im Gespräch zum Thema „Natur und Nachhaltigkeit“ direkt das Kirchenlied „Wir sind nur Gast auf Erden“ als passende Stellungnahme aus christlicher Sicht zu diesem Thema in den Sinn. Aber ist das auch eine Aussage dieses Liedes? Oder ist es doch mehr das Trauerlied, wie wir es kennen? Das gab mir den Anlass, das Internet zu befragen und etwas zu dem Lied zu recherchieren. Dabei kam überraschenderweise noch eine andere Interpretation heraus, welche ich an dieser Stelle etwas ausführen möchte.
Aus Wikipedia und weiteren Internetquellen fand ich zusammengefasst folgendes:
Trauer
Dazu passt das Lied sehr gut und beschreibt unsere Vergänglichkeit und Sterblichkeit.
Nachhaltigkeit
Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist eng mit dem christlichen Schöpfungsglauben verbunden. Es geht immer darum, das geschaffene Leben zu achten, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten und die Güter der Erde achtsam zu behandeln und gerecht zu verteilen. Der Mensch ist zum verantwortungsvollen Umgang mit seinen Mitmenschen und seiner Umwelt angewiesen, die ihm der Schöpfer anvertraut hat und in der er nach christlichem Verständnis zudem nur Gast ist. Auch das passt.
Aber eine Kampfansage an das Nazi-Regime?
Das Kirchenlied entstand 1935, getextet von Georg Thurmair (1909-1984) und vertont von Adolf Lohmann (1907-1983), in der Jugendzeitschrift „Die Wacht“, um der herrschenden Ideologie eine dezidierte Christus- und Kirchenbindung entgegenzusetzen.
Dort lautet die Überschrift „Reiselied“. Damit wird zusammengefasst, was den Inhalt des Liedes ausmacht: Wer Christus nachfolgt, weiß, dass das irdische Leben nur eine vorübergehende Zeitspanne umfasst. Wir sind hier gewissermaßen nur zu Besuch. Und wir haben auch mancherlei Lasten, manche müssen dunkle Lebensphasen durchstehen, manche sind oft allein. Aber die Hoffnung auf das ewige Leben geht nicht verloren, denn wir haben Jesus Christus als Begleiter!
Das Eingangsmotiv findet sich in Hebr 13,14 EU: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern wir suchen die zukünftige“. Es bedeutete eine Kampfansage an das Nazi-Regime „in verdeckter Schreibweise“, ähnlich wie in anderen Thurmairschen Liedern: In dem Adventslied „Der Satan löscht die Lichter aus“ „suchen wir einen Weg nach Haus“ (1. Strophe), während „die Menschen treiben arge List und sinnen viele Lügen“ (2. Strophe) und „das Leben ist nicht liebenswert in diesen bösen Zeiten“ (3. Strophe). Das Motiv kehrt in dem Lied „Wir sind nur Gast auf Erden doppelt wieder“, pointiert als „Weg zum Vaterhaus“ (4. Strophe) „mit mancherlei Beschwerden“ (1. Strophe) in „diesen grauen Gassen“, in denen „niemand bei uns sein“ will (2. Strophe).
1932 gestaltete Georg Thurmair, der Sekretär des Katholischen Jungmännerverbandes, auf dem Reichstreffen der Sturmschar mehrere Ausgaben der Wochenzeitschrift Junge Front, die sich gegen den aufkommenden Nationalsozialismus richtete; weil die Nationalsozialisten diesen Titel für sich beanspruchten, musste die Zeitschrift 1935 in Michael umbenannt werden, bis sie 1936 verboten wurde. Adolf Lohmann vertonte in der Zeit des Nationalsozialismus mehrere Kirchenlieder von Georg Thurmair.
So ist auch dieses ursprüngliche Protestlied gegen das NS-Regime nach dem Krieg fester Bestandteil in den aktuellen Kirchengesangsbüchern (Gotteslob GL 505, ev.Gesangsbuch Nr. 450 o.a. ) geworden und wenn wir es nächstes Mal bei einem Trauergottesdiensten singen, so denken wir doch auch an das eigentliche Motiv des Liedes.
Kreuzschiff voraus
Reinhard Willenborg