Nach dem schweren körperlichen Angriff auf Sachsens SPD-Europaspitzenkandidaten Matthias Ecke durch vermutlich rechtsmotivierte Jugendliche fordern Politiker verschiedener Parteien Konsequenzen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte am Dienstag an, gemeinsam mit ihren Kollegen in den Bundesländern Wahlkämpfer besser schützen zu wollen. Neben einer Verschärfung des Strafrechts ist auch eine Änderung des Melderechts im Gespräch.
Körperliche Angriffe auf Politiker und Wahlkämpfer im eigenen Land, dazu eine angespannte Weltlage mit Kriegen wie in der Ukraine und in Gaza. Wie gefährdet ist die Demokratie und was sind die Konsequenzen in Deutschland? Darüber sprach Sandra Maischberger in ihrer Sendung mit dem CDU-Politiker Thomas de Maizière.
Auch die Neuausrichtung der Union auf Ihrem Parteitag war Thema. Der ehemalige Innen- sowie Verteidigungsminister unter Angela Merkel forderte zudem eine Reform des Staates. Denn viele, gerade im Osten des Landes, würden die „mangelnder Funktionstüchtigkeit des Staates“ kritisieren.
Außerdem stritten Dietmar Bartsch (Linke) und FDP-Fraktionschef Christian Dürr über die Schuldenbremse. Als Journalisten diskutierten Sigmund Gottlieb (BR), Bettina Böttinger (WDR) und Ulrike Hermann (taz) mit.
Rechtsextremismus sei lange unterschätzt worden, zugleich sei er die größte Gefahr für die Demokratie, sagte De Maizière, der als Politiker von 1999 bis 2005 in Sachsen tätig war. Mit Pegida und der AfD sei anfangs zu unsicher umgegangen. „Es gibt einen harten rechtsextremen Kern der AfD“, sagte er. Es gebe Hass und Hetze im Internet, dazu Mordaufrufe und auch Morde wie 2019 an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) durch einen Rechtsextremisten.
„Mangelnde Funktionstüchtigkeit des Staates“
Zur Erklärung der hohen Zustimmung zur AfD im Osten führte de Maizière drei Punkte aus: Im Osten habe sich nach der Wende alles geändert, nicht wie im Westen „bloß die Postleitzahl.“ Heute käme auch die Globalisierung fatal dazu. Der Osten erlebe zudem einen „Belehrungsüberdruss“, da vom Westen häufig signalisiert würde, „ihr seid noch nicht so weit wie wir.“ Zudem führe zur Ablehnung der Demokratie und Zustimmung der AfD eine von vielen kritisierte „mangelnde Funktionstüchtigkeit des Staates“, meinte der Ex-Minister.
Deshalb fordert de Maizière bereits seit Längerem eine umfassende Staatsreform, bei „Maischberger“ bekräftigte er das. Diese „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ gelte etwa für Digitalisierung, Bildung, die Sicherheitsarchitektur, Migration oder Verhalten in Krisen. „Da sind wir einfach nicht funktionsfähig genug“, kritisierte der CDU-Politiker.
Unterstützung sieht de Maizière bei einer Staatsreform auch vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Der plädiert in seinem neuen Buch „Wir“ für eine Staatsreform mit einem Abbau der über Jahrzehnte stetig gewachsenen Regelungs- und Kontrolldichte.
Auch zur deutschen Landesverteidigung angesichts der angespannten Weltlage und dem russisch-ukrainischen Krieg äußerte sich de Maizière. „Jetzt wende ich mal an alle, die zuschauen, hier und draußen: Sind Sie bereit, Ihren Söhnen und Töchtern, jedenfalls den Söhnen, zu sagen, jetzt geht ihr und verteidigt euer Land? Macht ihr das?“ Er sprach sich für eine hohe Verteidigungsbereitschaft aus.
Bereit sein müsse man auch für nächtliche Tiefflüge der Luftwaffe, für Panzer, die über Felder fahren, und für Truppenverlegungen, die kurzfristig auf Autobahnen stattfinden würden. „Das ist Verteidigungsbereitschaft. Und da bin ich mal froh, wenn das voranginge“, sagte der 70-Jährige.
Zuletzt besprach Maischberger in ihrem Interview mit de Maizière das neue CDU-Grundsatzprogramm, das die Partei am Dienstag verabschiedete. Der 70-Jährige verteidigte den Begriff Leitkultur, der jetzt als einer der Kernpunkt in das Programm aufgenommen wurde.
„Wenn man sich darüber verständigt, was ein Land, eine Gesellschaft im Innersten zusammenhält: Höflichkeit, Respekt, unser Verhältnis zur Geschichte von Bach bis Auschwitz, all das steht nicht irgendwie im Grundgesetz.“ Deshalb brauche es „Vielfalt, die wir haben und die wir wollen, ein gemeinsames Band“, sagte de Maizière.