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Film Kinski über Polanski

”Seine Frau und ich schreiben uns regelmäßig”

Aber er hat mich ganz besonders gefördert, sagt Nastassja Kinski. Das ist lange her. Mittlerweile schwärmt sie weniger vom großen Filmgeschäft als vom Sport, dem sie eine Dokumentation widmet.

Eigentlich müsste dieses Gespräch bei den Olympischen Spielen stattfinden. Nastassja Kinski, Schauspielerin in Kinoklassikerin wie "Tess" oder "Paris Texas", kann mit großer, fast mädchenhafter Begeisterung vom Sport erzählen. In Cannes, wo wir Sie in der Terrazza Martini Lounge treffen, präsentiert sie eine Dokumentation zu dem Thema. Während sie ständig ihr Dior-Kleid festhalten muss, das der Mistral durcheinander zu wirbeln droht, spricht sie von ihrer großen Passion – die für sie in einem chaotischen Leben überlebenswichtig war und ist.

Die Welt: Es ist ja schon lange her, dass wir Sie zum letzten Mal im Kino gesehen haben ...

Nastassja Kinski: Ich habe einfach meine Karriere aufgegeben, damit ich bei meiner Familie sein konnte. aber ich bin jetzt dabei, wieder ganz neu anzufangen. Das muss ich auch. Es gibt einige Projekte, bei denen ich mitwirken soll, aber ich will noch nichts beschreien.

Die Welt: Ist das nicht schwierig, mit 51 noch mal neu einzusteigen?

Kinski: Die Frage habe ich mir auch gestellt. Natürlich bin ich da unsicher. Aber mir hat es enorm geholfen, dass mich die Oscar-Academy 2011 als Mitglied aufgenommen hat. Das geschah wirklich aus heiterem Himmel. Und wenn dir eine der besten Organisationen der Welt sagt: "Schön, dass wir dich haben", dann ist das eine echte Unterstützung. Ich plane jetzt übrigens auch, meine Autobiografie zu schreiben. Früher wollte ich das nicht, aber ich habe mit den negativen Dingen, die in meinem Leben passiert sind, Frieden gemacht. Zumindest einigermaßen.

Die Welt: Das heißt, Sie haben auch Ihrem Vater verziehen? Vor ein paar Jahren sagten Sie noch: "Gut, dass solche Menschen nicht mehr am Leben sind."

Kinski: Ich weiß nicht, ob ich völlig vergeben kann. Aber jetzt mehr denn je. Natürlich hat das alles seine Spuren hinterlassen, aber ich habe jetzt meine eigene Stärke gefunden. Ich bin bereit, vorwärtszugehen.

Die Welt: Sie haben doch schon als junges Mädchen die schwierigsten Situationen gemeistert, haben schon als Teenager mit Ihren Schauspiel-Jobs Ihre Mutter unterstützt.

Kinski: Ich bin eben ein Stehaufmännchen. Oder vielleicht sollte ich sagen: "Stehaufmädchen". Ich habe erfahren müssen, wie fragil das Leben ist, und dass es jeden Moment zu Ende sein kann. Auch bei mir gab es immer Situationen, wo es hieß: "Schwimm oder geh unter". Im ersten Moment fühlte ich mich immer schwach, doch ich bin nie zerbrochen, sondern habe die Situation zum Besseren gewandelt, sobald ich einen Tiefpunkt erreichte. Das war immer eines meiner Talente. Mein Motto heißt: "Du kannst dir nicht den Luxus eines negativen Gedankens leisten." Und ich bete auch, seit ich ein kleines Mädchen bin.

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Die Welt: Aber woher nahmen Sie diese Stärke? Allein vom Beten?

Kinski: Vom Sport. Mein ganzes Leben lang war der enorm wichtig. Schon als junges Mädchen habe ich Ballett und Sport gemacht. Dadurch habe ich mich immer besser gefühlt. Auch Yoga hat mir in dieser Zeit, wo ich extrem unausgeglichen war, geholfen. Und seit meiner Jugend habe ich mich für Spitzensportler begeistert. Franz Beckenbauer war mein großer Held. Als ich mit 17 den Bambi bekam und er auch bei der Verleihung dabei war, war das einzige, woran ich denken konnte: Wo sitzt er? Wie kann ich mit ihm sprechen? Er hat sich wahrscheinlich gedacht: Wer ist bloß dieses Mädchen?

Die Welt: Hat Beckenbauer Sie mehr inspiriert als Polanski?

Kinski: Polanski war schon einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Denn er hat sich wirklich um mich gesorgt. Das hatte schon mit Wim Wenders und Wolfgang Petersen angefangen, mit denen ich meine ersten Filme drehte. Sie waren Menschen, die aus dem Nichts heraus an mich glaubten. Vorher habe ich immer wieder gehört: "Oh, du bist doch lächerlich, du wirst es nie schaffen." Und in meiner Unsicherheit ließ ich mich davon beeindrucken. Aber so fing ich an, Selbstvertrauen zu entwickeln.

Ich begriff: Du kannst jeden Tag alles komplett von neuem beginnen. Und Polanski hat mich ganz besonders gefördert. Es war ihm wichtig, dass ich die Schule besuchte und dass ich gute Noten hatte. Er wollte, dass ich die besten Filme sehe und mich an den größten Schauspielerinnen orientiere. Er wollte, dass ich das Beste aus mir heraushole. Er war wirklich ernsthaft an mir interessiert. Und er ist nicht nur ein erstaunlicher Regisseur, sondern auch ein bedeutender Intellektueller; es gibt nichts, wo er sich nicht auskennt.

Die Welt: Angeblich gab es zwischen Ihnen eine Affäre.

Kinski: Definitiv nicht. Was es zwischen uns gab war ein tiefes, gegenseitiges Verständnis, das wir nicht in Worte fassen mussten. Er wusste, dass mein Leben nicht leicht war, und ich wusste, dass auf ihn das Gleiche zutraf, dass er ein Überlebender war. Und das hat mich sehr berührt. Es war schön, dass wir uns zur neuen Aufführung von "Tess" in Cannes wieder getroffen haben. Aber wir waren ständig in Kontakt; seine Frau und ich schreiben uns regelmäßig.

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Die Welt: Und was ist aus Ihrer Leidenschaft für Kaiser Franz geworden?

Kinski: Wir kennen uns nicht wirklich gut. Ich habe einmal eine Wohltätigkeitsveranstaltung von ihm besucht. Aber meine Begeisterung für Sportler ist ungebrochen – ob Boris Becker, Nadia Comaneci oder Rafael Nadal, alle Mitglieder von Laureus und Sports for Peace. Ich habe diesem Thema jetzt auch eine Dokumentation gewidmet – die Arbeit daran hat mir persönlich sehr, sehr viel gegeben. Denn diese Sportler haben alle eines gemeinsam: Auf der ganzen Welt stoßen sie positive Veränderungen an und inspirieren die Menschen.

Die Welt: Nehmen wir an, Sie könnten die Zeit zurückdrehen und Sportlerin statt Schauspielerin werden. Wie würden Sie sich entscheiden?

Kinski: Ich bin froh, dass ich in verschiedenen Filmklassikern auftreten konnte. Aber ich könnte mir definitiv vorstellen, den Weg einer Athletin einzuschlagen. Wobei wir alle wie Sportler denken. Egal, was du tust, du musst versuchen, die Beste zu sein. Das heißt nicht, dass du besser als alle anderen bist, aber du entwickelst das ganze Potenzial, das in dir steckt.

Die Welt: Was für Sport machen Sie selbst?

Kinski: Ich liebe Langstreckenlauf. Denn dabei musst du lernen, dir das Tempo einzuteilen. Und ich liebe es zu schwimmen. Meinen Kindern versuchte ich diese Begeisterung auch zu vermitteln, deshalb habe ich ihnen viel Stress gemacht. Wie oft haben wir gestritten! Wenn ich sagte: 'Lass uns im Park laufen gehen!", dann hieß es: "Nein, das ist doch nichts." Aber jedes Mal, wenn sie das machten, ging es ihnen besser.

Die Welt: Sind Ihre Kinder jetzt ähnlich fit wie Sie?

Kinski: Sie haben auf jeden Fall die Wichtigkeit erkannt. Aber sie mussten ihren eigenen Weg durchs Leben finden. Meine Tochter schrieb mir vor ein paar Tagen eine E-Mail, in dem sie mir für die Dinge dankte, wegen denen ich früher mit ihr kämpfen musste. Sie sagte, sie sei dadurch stärker geworden. Und das hat mich tief berührt.

Die Welt: Wie eng ist der Kontakt zu Ihren Kindern noch?

Kinski: Wir sehen uns immer wieder, aber nicht regelmäßig. Mein Sohn Aljoscha ist Musiker, er lebt in Nashville. Sonja ist in Los Angeles, Kenya pendelt zwischen New York und LA. Und ich bin sehr froh, dass sie so frei sind. Wir müssen nicht immer zusammen sein, um zu wissen, dass wir uns nahe stehen. Ich sagte ihnen: "Eines Tages wird es mich nicht mehr geben, aber ihr müsst wissen, dass ich trotzdem da bin." Egal was passiert, ich möchte nur, dass sie glücklich sind. Ich bin keine Mutter, die sich an ihre Kinder klammert.

Die Welt: Wie ist das Verhältnis zu Ihrer eigenen Mutter?

Kinski: Ich fühle mich ihr innerlich eng verbunden, auch wenn unser Verhältnis nicht gerade eng ist, wobei ich durchaus gelegentlich nach Deutschland reise. Aber das ist ein Thema, zu dem ich mich momentan nicht gerne äußere.

Die Welt: Das heißt, in Ihre Familie steht doch nicht alles zum Besten?

Kinski: Es gibt noch Hindernisse, die ich überwinden muss. Es ist mir ein paar Mal passiert, dass all meine Bemühungen zunichte wurden. Aber ich will eine glückliche Familie haben. Das ist das große Ziel meines Lebens. Und darin investiere ich viel Energie. Wie schon gesagt, ich bin ein "Stehaufmädchen".

Die Welt: Und wie erreichen Sie dieses Familienglück?

Kinski: Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist: Ich glaube an die anderen, anstatt sie mit meinen Zweifeln zu frustrieren. Ich bin für sie da und tue alles, damit jeder glücklich ist. Wir müssen gemeinsam Freude finden. Ohne Freude gibt es nur Stress. Meine Tochter drehte eine Reportage über Elizabeth Taylor, und am Schluss fragte sie sie: "Was ist das Wichtigste, was Sie im Leben gelernt haben?" Die Taylor antwortete: "Dass du den Menschen, die du liebst, sagst, dass du sie liebst – wieder und wieder und wieder." Und das ist absolut wahr. Wir müssen den anderen unsere Liebe zeigen – so oft es nur geht.

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