Bundesarbeitsminister: Franz Josef Jung – Schnellster Rücktritt aller Zeiten - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Bundesarbeitsminister: Franz Josef Jung – Schnellster Rücktritt aller Zeiten

Politik Bundesarbeitsminister

Franz Josef Jung – Schnellster Rücktritt aller Zeiten

Jung bietet Rücktritt an Jung bietet Rücktritt an
Jung: "Ich übernehme damit die politische Verantwortung für die interne Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber dem Minister bezüglich der Ereignisse am 4.... September in Kundus."
Quelle: dpa
Franz Josef Jung (CDU) war gerade einen ganzen Monat als Arbeitsminister im Amt. Der frühere Bundesverteidigungsminister legte damit den schnellsten Rücktritt in der Geschichte der deutschen Bundesminister hin. Die Opposition sieht die schwarz-gelbe Koalition jetzt in einer Regierungskrise.

30 Tage nach seiner Vereidigung hat Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung seinen Rücktritt angekündigt. Er stelle sein Amt zur Verfügung und übernehme damit die volle Verantwortung für die interne Informationspolitik des Verteidigungsministeriums nach dem Luftangriff auf zwei entführte Tanklastzüge in Afghanistan am 4. September, sagte Jung am Freitag in Berlin in einer nicht einmal zwei Minuten langen Erklärung. (Die Erklärung im Wortlaut: hier)

Er stehe allerdings weiter zu seiner Erklärung vor dem Bundestag vom Vortag, dass er alle Informationen gemäß seines Kenntnisstandes weitergegeben habe, sagte der CDU-Politiker. Jungs Rücktritt war nach Äußerungen seines Nachfolgers Karl-Theodor zu Guttenberg wieder nachdrücklich gefordert worden. Guttenberg hatte erklärt, ihm seien insgesamt neun Einschätzungen zu dem Zwischenfall vorenthalten worden, bei dem bis zu 142 Menschen getötet wurden, darunter vermutlich viele Zivilisten.

Jung ist damit Rekordhalter, was die Zeit von Amtsantritt bis Rücktritt anbetrifft. Bisher war dies Lothar de Maizière (CDU) im Sessel des Ministers für besondere Aufgaben, den er ganze 77 Tage vom 3. Oktober bis zum 19. Dezember 1990 innehatte.

Suche nach dem Nachfolger

Die Entscheidung über eine Nachfolge für den zurückgetretenen Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung soll nach Angaben aus Koalitionskreisen schnell fallen. Merkel führe bereits Gespräche. Möglicherweise entscheide sich die Personalie noch im Laufe des Freitags, erfuhr Reuters aus den Kreisen.

Lesen Sie auch

In Frage komme einer seiner beiden Kronprinzen, Hessens CDU-Fraktionschef Christean Wagner (66) und Innenminister Volker Bouffier (57). Genannt wurde aber auch die hessische Umweltministerin Silke Lautenschläger (41), die bereits als Landessozialministerin Erfahrungen mit dem Arbeitsressort gesammelt hat. Chancen habe zudem der langjährige hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (59), hieß es in den Kreisen.

Roland Koch äußert sich betroffen

Der hessische Regierungschef Koch äußerte sich betroffen über den Rücktritt Jungs. „Die Ereignisse der letzten 36 Stunden und insbesondere der Amtsverzicht meines Freundes Franz Josef Jung gehen mir auch persönlich sehr nahe“, erklärte der hessische CDU-Chef. Jung, der ebenfalls der hessischen CDU angehört und als enger Vertrauter Kochs gilt, habe sich zu einem „außerordentlich respektablen Schritt“ entschieden.

„Natürlich gilt unser Mitgefühl in diesen schweren Stunden unserem Freund Franz Josef Jung, der mit Leib und Seele, mit großer Leidenschaft Bundesminister war. Und der bei weitem erfolgreicher in seinem Amt als Bundesverteidigungsminister war, als es die Kritiker dieser Tage wahrhaben wollen“, sagte Koch.

SPD sieht Regierungskrise

Die SPD sieht die schwarz-gelbe Koalition jetzt in einer Regierungskrise. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe schlechtes Krisenmanagement geleistet und Jung einfach „weiter wurschteln lassen“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Als Verteidigungsminister sei Jung „erkennbar überfordert“ gewesen. Aus parteitaktischen Gründen habe die Kanzlerin Jung auch noch zum Arbeits- und Sozialminister berufen.

Anzeige

Nahles mahnte, mit Jungs Rücktritt seien die Vorfälle in Afghanistan nicht erledigt. Merkel und der jetzige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) müssten nun Klarheit über den Nato-Luftangriff schaffen.

Grüne: „Jung geht, Merkels Krise bleibt“

Die Grünen bezeichneten den Rücktritt als „längst überfällig“. „Er war als Verteidigungsminister eine klare Fehlbesetzung“, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. „Vertuschen, Schweigen und Beschönigen statt klare Worte waren sein Markenzeichen“, kritisierte sie. Jung habe es „nicht vermocht, in der Öffentlichkeit die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu vermitteln“. Es sei bedauerlich, dass Jung bis zuletzt keinerlei eigenes Fehlverhalten eingestehen wolle.

Roth mahnte, Jungs Rücktritt entlaste die Bundesregierung nicht davon, die Hintergründe des NATO-Luftangriffs Anfang September in Afghanistan vollständig aufzuklären. Die bisherige „sture Rechtfertigungspolitik“, auch durch den jetzigen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), müsse endlich ein Ende haben. Auch Guttenberg müsse seine Einschätzung, dass der Angriff angemessen gewesen sei, schnell zurücknehmen.

Die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin sagten, der Fehlstart der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setze sich fort. „Einen Monat im Amt, schon erlebt Schwarz-Gelb den ersten Rücktritt“, sagten sie, „Jung geht, Merkels Krise bleibt.“

Trotz des Rücktritts von Jung wird es wahrscheinlich im Bundestag einen Untersuchungsausschuss zu den Informationspannen nach dem Luftschlag in Afghanistan auf zwei Tanklastzüge geben. „Ein Untersuchungsausschuss hat sich damit natürlich nicht erledigt“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann „Spiegel Online“. Voraussichtlich wird sich der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss konstituieren.

Dagegen sieht die Ausschussvorsitzende Susanne Kastner (SPD) keinen Grund mehr für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Sie sagte der „Saarbrücker Zeitung“ zum Jung-Rücktritt: „Ich bin erleichtert. Das erspart uns einen Untersuchungsausschuss.“

Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Renate Künast und Jürgen Trittin, begrüßten den Rücktritt Jungs und erklärten: „Wir wollen das diese Vorgänge lückenlos aufgeklärt werden und der Verteidigungsausschuss sich als Untersuchungsausschuss konstituiert.“

Ein Untersuchungsausschuss muss eingesetzt werden, wenn dies ein Viertel der Bundestagsmitglieder fordert. Auch die Linksfraktion hat sich für einen solchen Ausschuss ausgesprochen.

dpa/Reuters/ddp/AP/omi

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema