Unknown Identity | Kritik | Film | critic.de

Unknown Identity – Kritik

Berlin ist eine Reise wert, sei es, um das eigene Leben zu überdenken. Oder auch einfach nur, um den einen oder anderen Ort in Schutt und Asche zu legen.

Unknown Identity 01

Berlin, geteilt in Ost und West, war der Lieblingsschauplatz Kalter-Kriegs-Spionagefilme. Das wiedervereinte Berlin, die Bundeshauptstadt, zieht internationale Agenten in zunehmendem Maße wieder an. Jason Bourne und Co. erkunden das früher unzugängliche Osteuropa, in Moskau und Berlin atmen sie Vergangenheit und stellen sich auch der eigenen Bio. Jetzt, wo sich der Agentenfilm so langsam von Perestroika und Glasnost erholt hat, gibt es eine beliebte Figur, die sich bis in die Weiten der Thriller, Actionflicks und Gangsterepen durchgeschlagen hat: den Ex-KGB-Mann. In Berlin auch gerne: Ex-Stasi.

Lange Jahre pendelte Theaterstar Bruno Ganz auf der Leinwand zwischen Thome und Wenders, geriet schließlich ans und ins Fernsehen. Zwischendurch Arthouse-Hits wie Die Ewigkeit und ein Tag (Mia aioniotita kai mia mera, 1998) oder Brot und Tulpen (Pane e tulipani, 2000). Sein irischer Kollege Liam Neeson, der 1993 als Steven Spielbergs Schindler einen späten internationalen Karrierekickoff feierte, war bereits Anfang der 2000er Jahre in die zweite Reihe gerückt, spielte Haupt- in kleineren, und Nebenrollen in größeren Produktionen. Oliver Hirschbiegels Der Untergang (2005), Pierre Morels 96 Hours (Taken, 2008), das neue Berlin und ein zunehmend globalisiertes Kino machen es möglich, die beiden Schauspieler im aktuellen Großprojekt Joel Silvers made in Babelsberg aufeinandertreffen zu lassen. Ganz ist der Ex-Stasi, den Neeson als Verbündeten sucht im Kampf gegen dunkle Mächte, die er erst reichlich spät identifizieren kann. Das distinguierte Spiel von Ganz verleiht dem Film eine von vielen Noten, die scheinbar voneinander losgelöst nebeneinander stehen. Irgendwann tritt dann Frank Langella auf den Plan, Ganz gegenüber, und der spanische Regisseur Jaume Collet-Serra entwickelt eine wunderbare Szene. Nicht die einzige des Films.

Unknown Identity 02

 Obwohl Unknown Identity (Unknown) etwas dröge beginnt, wird bald deutlich, dass sich Collet-Serra zum genreimmanenten Trash-Faktor bekennt – und zu den ganz großen Vorbildern wie Hitchcock. Hier geht es um nichts Geringeres als die Abschaffung des Welthungers, der betreffende Wissenschaftler ist Nobelpreisträger, und die auf den Plan tretenden Villains sind aus diversen Gründen besonders gefährlich. Was sich unter anderem durch eine amüsante Sprachlosigkeit ihrerseits vermittelt. Und der Ex-Stasi ist hier auf einmal so eine Art moralische Instanz.

Collet-Serra entwickelt ein gesundes Verhältnis zu seinem Stoff, den Figuren und dem Ort. Sobald die Geschichte eines Mannes, den, aus dem Koma erwacht, niemand mehr erkennen will, einmal ins Rollen gekommen ist, gibt es kein Halten mehr. Berlin wird genüsslich ins Zentrum des Films gerückt; die Sehenswürdigkeiten abgefahren und am Ende einer gewissen Lust am Zerstören überlassen. Unknown Identity gefällt durch die kleinen Verschiebungen, die sein Regisseur vornimmt. Er inszeniert einen überraschenden Countdown, hat immer einen etwas schrägen Blick auf Handlung und Figuren.

Ob Unknown Identity mit all seinen kleinen Spleens beim Mainstream-Publikum und über Berlin-Aficionados hinaus punkten kann, wird sich zeigen. Als amüsante Genreskurrilität mit hohem technischen Anspruch hat er seinen Ehrenplatz im Berlinale-Wettbewerb 2011 jedenfalls verdient.

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Kommentare


Dominic

"Agent ohne Namen" in aktueller Form - gut anzusehen, interessante Verwicklungen; das Verhalten von Relikten des Kalten Krieges zueinander (Ganz überzeugend) ist ein schöneer Bonus.
Als Deutscher die eigene Hauptstadt aus den Augen eines Fremden zu sehen kommt als weiterer Pluspunkt dazu, von kleinen Filmfehlern in der Nachbearbeitung (bspw. amerikanisches Martinshorn vor deutschem Krankenhaus) mal abgesehen.


Lisa

Sehr, sehr schöner Film, aber aus dem Stasi-Pro hätte man deutlich mehr rausholen können! :)


Gerry

Der Film hat mir genial gut gefallen,war spannend bis zum Schluss und wird durch eine sehr gute Leistung aller Schauspieler zu einem wahren Filmerlebnis. Nicht ganz nachvollziehen kann ich die Rolle von Bruno Ganz. Er recherchiert in Bezug auf die "Identität" von Liam Neeson und findet sie auch heraus, aber er gibt diese Information nicht an ihn weiter sondern wartet zuhause und begeht mittels Zyankali Selbstmord. Das ist die einzigste Szene in dem Film mit der ich überhaupt nichts anzufangen weiß.


etienne

Klasse Action-Thriller. Hab ihn mir damals sogar im Kino angesehen. Schön verzwickte Story mit ein paar Überraschungen. Nicht gerade Mainstream, dem stimme ich zu, aber jedenfalls sehenswert.


Leander

Netter Film, beim Schlusszitat habe ich Beifall geklatscht.






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