Matthias Erzberger: Wegbereiter der Demokratie
 

Vor 102 Jahren: Am 26. August 1921 wurde Matthias Erzberger ermordet

Der Zentrumspolitiker aus Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb war ein Wegbereiter der Weimarer Demokratie, der nach dem Ersten Weltkrieg in höchst schwierigen Zeiten Verantwortung übernahm. Von der extremen Rechten wurde er deswegen als „Erfüllungspolitiker“ verhöhnt.

Den Parolen von Hass und Hetze folgte schon bald die grausame Tat: Am 26. August 1921 wurde Matthias Erzberger während eines Spaziergangs in Bad Griesbach von Angehörigen einer rechtsextremen Organisation ermordet.

Seine Mörder konnten mit der Hilfe bayerischer Polizeikreise ins Ausland fliehen. Von den Nationalsozialisten wurden sie amnestiert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnten sie verurteilt werden.


Matthias Erzberger gilt in vielerlei Hinsicht als Wegbereiter der Weimarer Demokratie.

Am 11. November 1918 unterzeichnete er für die deutsche Delegation den Waffenstillstand von Compiègne, der die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs beendete. Als Vizekanzler und Finanzminister reformierte er das Steuersystem grundlegend und etablierte eine sozial gerechtere Verteilung der finanziellen Lasten. Er legte damit die Grundlagen für das noch heute geltende deutsche Steuersystem. Sein Einsatz für die Demokratie und die Courage, im Sinne der jungen Republik auch unpopuläre Entscheidungen zu vertreten, machten ihn zu einer Zielscheibe rechtsgerichteter Hetzkampagnen. In Verkennung seiner weitsichtigen Entscheidungen als „Novemberverbrecher“ und „Erfüllungspolitiker“ diffamiert, wurde er am 26. August 1921 von rechtsextremistischen Tätern ermordet.

Nach oben

Nach oben

Herkunft aus einfachen Verhältnissen

Matthias Erzberger wurde am 20. September 1875 in Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb als Sohn eines Schneidermeisters geboren und wuchs in einfachen dörflichen Verhältnissen auf.

Nach einer Ausbildung zum Volksschullehrer war er zunächst als Journalist tätig. Zudem leitete er ein katholisches Arbeitersekretariat und unterstützte Handwerker und Bauern dabei, sich für ihre Interessen in Vereinen zu organisieren.

Bereits 1903 als Vertreter des katholischen Zentrums in den Reichstag gewählt, kämpfte er für einen Ausbau der Rechte des Parlaments und erregte Aufsehen, als er mit Beharrlichkeit und Akribie Missstände in der Kolonialpolitik aufdeckte.

Nach oben

Richtungswandel im Ersten Weltkrieg

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war Matthias Erzberger durchaus ein Anhänger weitreichender Eroberungen. Schrittweise erkannte er aber die zermürbende Sinnlosigkeit der blutigen Kämpfe und Kriegsopfer, wandte sich seit 1916 nachdrücklich von seiner alten Linie ab und forcierte über seine internationalen Kontakte Friedensverhandlungen.

Am 19. Juli 1917 stimmte die Mehrheit des Reichstags einer von ihm eingereichten Friedensresolution zu. Damit hatte sich eine parlamentarische Mehrheit aus Sozialdemokraten, Linksliberalen und dem katholischen Zentrum für einen „Frieden der Verständigung“ ohne deutsche Annexionen sowie für innenpolitische Reformen ausgesprochen.

In dieser Mehrheit lag der Ursprung der späteren sogenannten „Weimarer Koalition“.

Nach oben

Für den Aufbau der Weimarer Demokratie

In der schwierigen Anfangsphase der Weimarer Republik gehörte Matthias Erzberger zu jenen Politikern, die sich intensiv um den Aufbau und den Erhalt der jungen Demokratie bemühten. Im Januar 1919 wurde er in die Weimarer Nationalversammlung gewählt und zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich ernannt. Dabei oblag ihm, den Versailler Vertrag trotz dessen harter Bedingungen anzunehmen.

Im Juni 1919 wurde Erzberger Reichsminister der Finanzen. Seine als „Erzbergersche Finanzreform“ bekannt gewordenen Maßnahmen wurden zum umfangreichsten Reformwerk der deutschen Steuer- und Finanzgeschichte – mit weitreichenden Folgen in Sachen Steuergerechtigkeit und reichsweiter Vereinheitlichung des Steuerrechts.

In zentralen Bereichen prägt zum Beispiel der von Erzberger konzipierte Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Kommunen noch heute das Finanzsystem der Bundesrepublik.

Nach oben

Hassbild der extremen Rechten

Erzbergers Einsatz für den Friedensvertrag und für Demokratie, aber auch seine Steuerreformen machten ihn zur Zielscheibe rechter Agitation und Hetze.

Bereits im Januar 1920 hatte ein rechtsextremer Attentäter auf Erzberger geschossen. „Die Kugel, die mich treffen soll, ist schon gegossen“, vertraute er nach dem misslungenen Anschlag seiner Tochter an. Am 26. August 1921 passten zwei Mitglieder rechtsextremer Organisationen Matthias Erzberger bei einem Spaziergang in Bad Griesbach im Schwarzwald ab und erschossen den 45-Jährigen. Beide Attentäter konnten ins Ausland flüchten, wurden 1933 amnestiert, 1946/47 verurteilt, aber schon 1952 wieder freigelassen. Am 31. August 1921 wurde Matthias Erzberger in Biberach an der Riß beigesetzt. Die Trauerfeierlichkeit, auf der Reichskanzler Joseph Wirth sprach, war auch eine politische Kundgebung für die Weimarer Republik.

Erzbergers vielschichtiges Engagement für die Republik und sein Mut, dieses Engagement auch unter dem Druck scharfer Angriffe auf seine persönliche Sicherheit voranzutreiben, kennzeichnen ihn als einen verdienstvollen Wegbereiter der ersten deutschen Demokratie. Heute erinnert das Haus der Geschichte Baden-Württemberg im Geburtshaus Erzbergers in Münsingen-Buttenhausen an ihn.

Nach oben

Erinnerungsorte an Matthias Erzberger

Bad Griesbach, Biberach, Buttenhausen sind Orte der Erinnerung in Baden-Württemberg an Matthias Erzberger.

Dossier: Erinnerungsorte an Erzberger

Literatur und Links

Literatur:

  • DOWE, Christopher: Matthias Erzberger. Ein Leben für die Demokratie, Stuttgart 2011.
  • EPSTEIN, Klaus: Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, Berlin 1962.
  • ESCHENBURG, Theodor: Matthias Erzberger. Der große Mann des Parlamentarismus und der Finanzreform, München 1973.
  • HAUS DER GESCHICHTE BADEN-WÜRTTEMBERG (Hrsg.): Matthias Erzberger, ein Wegbereiter der deutschen Demokratie. Buch zur Dauerausstellung der Erinnerungsstätte Matthias Erzberger in Münsingen-Buttenhausen, Stuttgart 2011.
  • HAUS DER GESCHICHTE BADEN-WÜRTTEMBERG (Hrsg.): Matthias Erzberger. Ein Demokrat in Zeiten des Hasses, Karlsruhe 2013.
  • PALMER, Christoph E./SCHNABEL, Thomas (Hrsg.): Matthias Erzberger. 1875–1921. Patriot und Visionär, Stuttgart 2007.
  • Faltblatt der LpB: Menschen aus dem Land. Landeskunde, Landesgeschichte, Landespolitik. 5|2002: Matthias Erzberger
    Download (PDF)

Links

 

Nach oben

Mediathek: Vortrag und Dokumentation


Vortrag zu Matthias Erzberger

Dr. Christopher Dowe, Haus der Geschichte Baden-Württemberg, 10. Juni 2021
(YouTube-Film, Juni 2021, www.youtube.com/watch?v=stQjWKpQQa4)

Vortrag, Haus der Geschichte (YouTube)


Dokumentarfilm Matthias Erzberger

(YouTube-Film, Dezember 2011, www.youtube.com/watch?v=07XeawhUSFU)

Matthias Erzeberger - Dokumentarfilm (YouTube)


„Verschwörung gegen die Republik"

Das Attentat auf Matthias Erzberger
(YouTube-Film, August 2015, www.youtube.com/watch?v=uSuWSNiWPG4)

Verschwörung gegen die Republik - Dokumentarfilm (YouTube)

Nach oben

Cookieeinstellungen
X

Wir verwenden Cookies

Wir nutzen auf unseren Websites Cookies. Einige sind notwendig, während andere uns helfen, eine komfortable Nutzung diese Website zu ermöglichen. Einige Cookies werden ggf. für den Abruf eingebetteter Dienste und Inhalte Dritter (z.B. YouTube) von den jeweiligen Anbietern vorausgesetzt und von diesen gesetzt. Gegebenenfalls werden in diesen Fällen auch personenbezogene Informationen an Dritte übertragen. Bitte entscheiden Sie, welche Kategorien Sie zulassen möchten.