Als SED-Funktionär und DDR-Staatschef hätte er das nie öffentlich gesagt
Mächtig gewaltig, wie Egon Krenz jetzt Privates ausplaudert: Der stramme Kommunist war Christ!
In seinen Memoarien gesteht Krenz, dass er mit der Mutter illegal in den Westen reiste und auf Sylt als Kofferträger sein erstes Geld verdiente.
Das Privatleben der DDR-Herrschenden war tabu. Die Menschen im SED-Staat sollten nur nichts Persönliches über ihre Staatsfunktionäre wissen. Das gilt auch für Egon Krenz, der im Herbst 1989 Erich Honecker als Partei- und Staatschef entmachtete, Monate zuvor für die Wahlfälschung in der DDR verantwortlich war.. Umso erstaunlicher ist, dass er jetzt in seinen Memoarien, dessen erster Band am 27. Juni erscheint, frei weg aus seinem Privatleben plaudert. Da gesteht der stramme Kommunist Egon Krenz: Ich war Christ.
Das hätte er als DDR-Spitzenfunktionär sicher nie öffentlich gemacht. Denn im SED-Staat zählte offiziell der Glaube zum Sozialismus/Kommunismus und nicht zum „lieben Gott“!
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Nun kann Krenz in seinem Buch „Egon Krenz – Aufbruch und Aufstieg – Erinnerungen“ (Verlag Edition Ost, 320 Seiten, 24 Euro) aber offen über seinen Glaubensverhältnisse sprechen. „Getauft worden war ich katholisch, konfirmiert evangelisch“, schreibt der 85-Jährige.
Egon Krenz: Mit 14 konfirmiert, mit 16 trat er aus der Kirche aus
In dem Ostseeort Damgarten, wo Krenz aufwuchs, war er sogar mit dem jüngsten Sohn des Pfarrers befreundet. „Er war ein sehr aktiver Junger Pionier. Gelegentlich schleppte er mich bis ins Arbeitszimmer seines Vaters mit. Eines Tages verließ dieser die Familie und zog zu einer anderen Frau. Das brachte mich gegen ihn auf. Als er mich im Konfirmandenunterricht fragte, welches der zehn Gebote mir das wichtigste sei, antwortete ich trotzig: „Das Sechste. Das lautet: Du sollst nicht ehebrechen!“
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Krenz ließ sich 1951 konfirmieren. „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ sein Konfirmationsspruch (2. Timotheus 1,7). „ Kraft, Liebe und Besonnenheit spielten in meinem Leben eine große Rolle – auch wenn ich die Quelle dafür nicht in der Religion oder diesem Bibelspruch sehe“, schreibt Krenz. Kein Wunder, dass er nicht lange der Kirche und dem lieben Gott die Treue hielt. Zwei Jahre nach der Konfirmation ging Krenz mit 16 Jahren zum staatlichen Notariat und trat aus der Kirche aus.
34 Jahre später traf Krenz Bischof Horst Gienke aus Greifswald. „Am Rande einer Veranstaltung zum 750-jährigen Jubiläum von Berlin sprachen wir neben anderem auch über meine Einsegnung. Der Kirchenmann staunte, dass jemand, der in der DDR konfirmiert worden war, bis ins Politbüro und den DDR- Staatsrat aufsteigen konnte. Wegen meiner Konfirmation habe ich niemals Nachteile gehabt“, schreibt Krenz.
Andere hatten wegen ihres Glaubens schon Probleme. Etwa Jugendliche, die sich zur Kirche bekannten, und nicht am Wehrkundeunterricht teilnehmen wollten, der 1981 in der DDR als Schulfach eingeführt wurde. Das schreibt Krenz nicht.
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Egon Krenz: Mit der Mutter illegal in den Westen gereist
Dafür plaudert er im Buch locker weiter Privates aus. Über seine ältere Schwester, die infolge der Kriegswirren nach Sylt kam und dort nach dem Krieg mit ihrem Mann blieb. Bruder Egon und seine Mutter wollten sie dort 1947 besuchen. Dafür mussten sie Damgarten „illegal“ in den Westen. Denn „offiziell waren zunächst Fahrten aus der sowjetischen Zone in die drei westlichen Besatzungszonen und umgekehrt untersagt. Die Siegermächte hatten es so befohlen“, schreibt Krenz.
Für einen legalen Grenzübertritt besaßen seine Mutter und er keine Genehmigung. „Wir gerieten in die Hände eines Fluchthelfers“, so Krenz. Gegen gutes Geld führte er den damals zehn Jahre alten Egon Krenz, dessen Mutter und andere Personen über die „grüne Grenze“.
Egon Krenz: „Ich hatte Angst, erwischt zu werden“
„Die Stunden vor dem Sonnenaufgang verbrachten wir im Wald. An Schlaf war nicht zu denken. Dann folgten wir dem Fluchthelfer, begleitet von der Angst, erwischt zu werden. Als die Sonne aufging, waren wir tatsächlich im Westen, in der britischen Zone.“ Interessant, dass Krenz diese „Flucht“-Geschichte erzählt, der nach der deutschen Einheit wegen der Toten an der Mauer im Gefängnis saß.
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Im Westen angekommen, verdingt sich der zehnjährige Krenz als Kofferträger auf Sylt. Er ist jung, braucht das Geld. Grund ist ein Boxkampf auf der Strandpromenade. Dort trat der deutsche Boxer Hein ten Hoff gegen einen britischen Faustkämpfer an, erinnert sich Krenz.
Egon Krenz: Kofferträger auf Sylt
„Doch selbst die billigste Karte war ziemlich teuer“ schreibt er. „Meine Mutter hatte das Geld nicht. Meine Schwester wollte es mir nicht geben. Ich verdiente es mir selbst. Ich ging zum Bahnhof und machte es einheimischen Kindern nach. Ich fragte ankommende Badegäste, ob ich ihren Koffer tragen dürfe. Ich durfte, jedenfalls oft. Das so verdiente Taschengeld reichte für eine Karte für den Boxkampf.“
Egon Krenz: Für seine Liebe hätte er alles aufgegeben
Krenz wird in seinen Memoarien auch privat, wenn es um seine große Liebe. Erika, die er Ende der 50er-Jahre kennen lernt. Da ist Krenz schon 2. Sekretär der FDJ-Kreisleitung auf Rügen. Für seine Erika würde er alles tun, auch seine Karriere aufgeben, schreibt er. Denn der Vater der Frau, die er 1961 heiratet, war NSDAP-Mitglied. Und Erika hat Westverwandtschaft. Das passt natürlich nicht, wenn man Parteikarriere in der DDR machen will.
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So geht Krenz im Vorfeld der Ehe zu seinem Parteisekretär in Rostock, beichtet ihm alles. Für Krenz steht fest: Sollte man von ihm fordern, den Kontakt zu den Eltern seiner Liebsten abzubrechen, „hätte ich meine hauptberufliche politische Laufbahn beendet. Erika war inzwischen Teil meines Lebens geworden, auf den ich nicht mehr verzichten wollte.“ Fast 56 Jahre waren sie verheiratet. Erika starb 2017 im Alter von 77 Jahren.
Egon Krenz stellt am 7. Juli im Münzenbergsaal (Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin) seine Biografie vor. Beginn: 18 Uhr. Anmeldung unter: kontakt@eulenspiegelverlag.de