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Wo steckt die Ehefrau des Scientology-Chefs?

Redakteurin
Schauspielerin Leah Remini ist nach 30 Jahren Scientology-Mitgliedschaft ausgetreten. Schauspielerin Leah Remini ist nach 30 Jahren Scientology-Mitgliedschaft ausgetreten.
Schauspielerin Leah Remini ist nach 30 Jahren Scientology-Mitgliedschaft ausgetreten.
Quelle: Reuters/getty
Wo ist Shelly Miscavige, die Frau des Scientology-Chefs? Sie wurde seit Jahren nicht mehr öffentlich gesehen. Sitcom-Star Leah Remini meldete sie nach ihrem spektakulären Austritt als vermisst.

Nach ihrem Scientology-Ausstieg vor einem Monat plant der „King of Queens“-Star Leah Remini, 43, offenbar weitere Enthüllungen. US-Medien halten es für sehr wahrscheinlich, dass bald ein Buch über ihre 30 Jahre dauernde Mitgliedschaft erscheinen wird. Schon jetzt sollen sich die Verlage um die Rechte reißen, berichtet das Online-Portal „Radar Online“. Die Rede ist von einem Millionenhonorar.

Scientology wird dies wohl weniger gefallen. Denn wie ernst es dem Sitcom-Star mit der Abrechnung ist, bekam die Organisation bereits zu spüren. Kurz nach ihrem Austritt meldete die Schauspielerin ein hochrangiges Mitglied beim Los Angeles Police Departement (LAPD) offiziell als vermisst: Shelly, die Frau von Scientology-Chef David Miscavige.

Der Vorgang war insofern spektakulär, weil es in diesem Fall bisher offenbar noch niemandem gelungen ist, die Behörden einzuschalten. Denn man muss wissen: Details zum Verbleib von Miscavige zählen zu den großen Tabus bei Scientology.

Kaum vorstellbar, wie viele Kapitel Remini über Shelly Miscavige schreiben könnte, inklusive intimster Details über die Ehe des Scientology-Chefs. Sie war schließlich jahrelang mit dessen Frau befreundet.

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Die Organisation selbst betont zwar immer wieder, Shelly werde nicht vermisst und habe ein Recht auf Privatsphäre, weshalb ihr Aufenthalt nicht bekannt gegeben oder kommentiert werde. Sie arbeite weiterhin für die Church of Scientology, wie sie dies schon immer getan habe. Und obwohl sogar Miscaviges Anwälte unter anderem bei der „Daily Mail“ vehement ein Verschwinden dementieren, hält sich die Sorge um Shelly. Denn seit mehr als sechs Jahren fehlt von ihr ein Lebenszeichen.

Bis jetzt.

Das letzte Lebenszeichen

Der Fall der Vermissten, die angeblich gar nicht vermisst wird, wie Scientology behauptet, zählt zu den rätselhaftesten Vorgängen in der spirituellen Gruppe, die einst von L. Ron Hubbard gegründet wurde.

Michelle Diane (genannt Shelly) Miscavige trat zuletzt bei der Beerdigung ihres Vaters im Jahr 2007 auf. Danach zog sie sich zurück, obwohl sie sonst ihren Mann zu jedem offiziellen Termin begleitet hatte und zur Führungselite zählte. Ob sie dies freiwillig tat oder auf Druck von anderen Mitgliedern, ist unklar.

Auf den wenigen Fotos, die im Internet von ihr existieren und alle von Aussteigern stammen, ist sie mit dunklen, langen Haaren zu sehen. Sie wirkt schmal und zierlich. Ihr wird nachgesagt, eine glühende Anhängerin zu sein. Unter anderem war sie für das Projekt verantwortlich, eine adäquate Gattin für das Vorzeigemitglied Tom Cruise zu finden.

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Dabei habe sie ihm mehrere passende Kandidatinnen vorgestellt. Eine von ihnen war die Schauspielerin Nazanin Boniadi, die später über das skurrile Casting öffentlich berichtete. Ingesamt sollen Hunderte junge Frauen begutachtet worden sein.

Zahlreiche Verschwörungstheorien wollen Miscaviges Verschwinden erklären: vom vertuschten Krebstod inklusive Beerdigung unter einem falschem Namen bis zum unfreiwilligen Aufenthalt in einem geheimen Camp in den Bergen bei Los Angeles für abtrünnige Mitglieder, wie Tony Ortega in seinem Blog „The Underground Bunker“ behauptet. Dort soll sie von John Brousseau, ihrem Schwager, gesehen worden sein. Andere wollen wissen, dass ihr Mann David seiner Gattin jedes Jahr Handschuhe und eine Winterjacke schicke, weshalb sie einen Aufenthalt in einem arktischen Gebiet für wahrscheinlich hielten.

Der Selbstmord von Shellys Mutter

Potenziert werden die Legenden dadurch, dass nur sehr wenig über Shellys Privatleben an die Öffentlichkeit gelangt ist. Sie kam 1961 in Dallas (Texas) zur Welt und wuchs mit zwei Schwestern auf; eine dritte verstarb kurz nach der Geburt, wie die Ahnen-Homepage Findagrave.com verrät. Schon damals war die gesamte Familie bei Scientology engagiert. Shelly trat der „Daily Mail“ zufolge im Alter von zwölf Jahren Scientology bei und dürfte damit eine Erziehung nach den Regeln der Organisation durchlaufen haben.

1981 heiratete sie David Miscavige, der ursprünglich katholisch erzogen wurde, dann aber 1982 zum Führungszirkel von Scientology stieß. Unter anderem verwaltet er seitdem die Urheberrechte für die Bücher- und Markenrechte der Organisation.

Wenige Jahre nach der Hochzeit kam es dann zu einem tragischen Vorfall: Shelly Miscaviges Mutter Mary Florence „Flo“ Barnett beging unter rätselhaften Umständen am 8. September 1985 Selbstmord. Auch dieser Fall beschäftigt Verschwörungstheoretiker bis heute, obwohl zwei Abschiedsbriefe gefunden wurden.

Die nur 1,58 Meter große Frau soll sich nämlich mit einer halb automatischen Waffe erst drei Mal in die Brust geschossen haben, bevor ein vierter Schuss ihren Kopf traf. In ihrem Todeskampf müsste die Frau akrobatische Fähigkeiten entwickelt haben, so Kritiker der Selbstmord-Theorie. Der Fall schien so unmöglich, dass zahlreiche Ballistiker und Gerichtsmediziner die genauen Umständen des vermeintlichen Suizids untersuchten.

Schwiegersohn unter Verdacht

Unter anderem auch deshalb, weil ihr Schwiegersohn, David Miscavige, wegen seines angeblichen Kommentars „Die Hexe hat das bekommen, was sie verdient hat!“ unter Verdacht geriet. Ehemalige Mitglieder glauben, dass die Abneigung daher rührte, dass die Familie zwischen die Fronten eines Macht- und Richtungskampfes bei Scientology geraten war, der im Vorfeld des Todes von Gründer Hubbard im Jahr 1986 stattfand.

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David Miscavige gab später eine Erklärung vor Gericht ab, dass er nichts mit dem Tod seiner Schwiegermutter Flo Barnett zu tun habe. Und die Ermittlungen der Polizei stützten seine Aussage. Sie ergaben eindeutig, dass es sich bei Barnetts Tod nicht um einen Mord handelte, sondern um einen Suizid unter – zugegebenermaßen – seltsamen Umständen.

Dennoch blieben noch viele Fragen offen – genau wie im mysteriösen Fall ihrer Tochter Shelly Miscavige.

Gehirnwäsche nach unliebsamen Fragen

Immerhin zeigte Reminis Anzeige Wirkung. Ein Spezial-Team für vermisste Personen von der Polizei von Los Angeles (LAPD) machte sich auf die Suche nach Shelly – und fand sie. Zumindest laut offiziellem Statement.

„Das LAPD hat weitere Ermittlungen als unbegründet klassifiziert, aufgrund der Tatsache, dass Shelly nicht vermisst wird“, teilte Detective Gus Villanueva der „New York Post“ mit. Einzelheiten zu dem Treffen konnte er jedoch nicht nennen. Er wisse auch nicht, wo und wann, doch hätten Ermittler die Frau getroffen, berichtet das Blatt weiter. Aber ihm sei versichert worden, sie habe „keinerlei Anzeichen gegeben, dass sie gegen ihren Willen festgehalten“ werde. Es liefen bereits Vorbereitungen, den Fall zu den Akten zu legen.

US-Medien berichten allerdings, dass Remini sich mit diesem Ermittlungsergebnis nicht zufriedengeben will. Vermutlich deshalb, weil sie weiß, wie in Ungnade gefallene Mitglieder von Scientology behandelt werden. Die Schauspielerin war nach eigener Aussage über Jahre drangsaliert und verhört worden, weil sie auf die „schwarze Liste“ von internen Kritikern und potenziell Abtrünnigen geraten war. Ziel sei eine Gehirnwäsche gewesen.

Begonnen hatte der Bruch zwischen der Schauspielerin und der Gruppe auf der Hochzeit von Tom Cruise und Katie Holmes (die Ehe ist inzwischen wieder geschieden). Remini zählte zu den Gästen und wunderte sich, dass Shelly Miscavige nicht ebenfalls gekommen war, wo sie doch so eng mit dem Paar befreundet war und es sogar zusammen gebracht haben soll. Schließlich habe sie unbekümmert Shellys Ehemann David Miscavige gefragt und sei daraufhin barsch zurückgewiesen worden. Ihr wurde deutlich zu verstehen gegeben, dass sie kein Recht habe, ein ranghöheres Mitglied so etwas zu fragen.

Auch Clan-Mitglieder ausgestiegen

Remini insistierte jedoch und wollte den Verbleib ihrer Freundin aufklären. Eine Antwort erhielt sie jedoch trotz der schlechten Behandlung nicht. Es war der Beginn ihrer Abnabelung. „Ich glaube, Menschen sollten Dinge hinterfragen dürfen. Ich bin überzeugt davon, dass Werte wie Familie und Freundschaft heilig sein sollten. So ticke ich einfach. Niemand kann mir erzählen, was ich denken oder mit wem ich sprechen soll“, erklärte Remini ihrem Ausstieg dem „People Magazin“.

Eine bekannte Aussteigerin machte Remini übrigens Mut und dürfte die Sorge Scientologys vor einem Enthüllungsbuch nähren. „Sie ist eine toughe Frau“, sagte auch Jenna Miscavige Hill, die Nichte des Chefs der Organisation, dem Magazin „People“ über Remini. Auch Jenna flüchtete 2005 mit ihrem Ehemann unter dramatischen Umständen.

In einem Buch beschreibt sie die gruseligen Details ihrer Kindheit. Unter anderem habe sie einen Vertrag über eine Mitgliedschaft für eine Milliarde Jahre unterzeichnen müssen. „Sie (Remini, Anm. d. Red.) wollte nicht blind auf dem Auge der Gerechtigkeit bleiben. Solche Menschen bleiben nicht lange bei Scientology, weil sie nicht so einfach zu kontrollieren sind.“ Zu Shelly Miscaviges Verbleib wollte sie sich auf Anfrage der „Welt“ jedoch nicht äußern.

Remini dürfte also jede Menge Stoff für einen Bestseller haben.

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