Gegen�ber (D 2007) : KRITIK : artechock

Gegen�ber

Deutschland 200796 min.
Regie: Jan Bonny
Drehbuch: ,
Kamera: Bernhard Keller
Darsteller: Matthias Brandt, Victoria Trauttmansdorff, Wotan Wilke M�hring, Susanne Bormann, Anna Brass u.a.
Mit dem Blick eines Anatoms

Sie k�ssten und sie schlugen sich

Es beginnt ganz normal, mit Bildern aus dem Alltag eines deutschen Ehepaars. Sie sind nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt, die Kinder sind gerade aus dem Haus. Feine Haarrisse im Bezie�hungs�ge�flecht, und ein bisschen �bliche Abnutzung werden erkennbar, aber nichts Schlimmes. Dann passiert es, wie eine Explosion: Sie schl�gt ihn, nicht etwa umgekehrt, und er wehrt sich nicht. Aber es liegt auch gar kein Quentchen Genuss in seiner Passi�vit�t, sondern nur stilles Leiden, Schw�che, die Unf�hig�keit, sich ange�messen zu wehren, und einen Ausweg zu finden.

Fami�li�en�ab�gr�nde, das ist es, was den deutschen Film in Kino und Fernsehen zur Zeit am meisten faszi�niert, weit mehr als gesell�schaft�liche Verh�lt�nisse, oder als das Genrekino des Thrillers und Poli�zei�films. Wie die Gesell�schaft so zele�briert auch das deutsche Kino den R�ckzug ins Private. Aber was dann dabei heraus�kommt, ist manchmal erstaun�lich.

Jan Bonnys Gegen�ber erz�hlt eine auf den ersten Blick unglaub�liche Geschichte: Ein Mann als Opfer von Frau�en�gewalt. Eine Ehe als Terror�zu�sam�men�hang. Und man tritt dem 28-j�hrigen Regisseur wohl nicht zu nahe, wenn man vermutet, dass es zun�chst einmal diese Geschichte war, die daf�r sorgte, dass sein Langfilm-Deb�t, sein Abschluss�film an der K�lner Medi�en�aka�demie, in diesem Fr�hjahr nach Cannes in die Reihe Quinzaine des Reali�sa�teurs einge�laden wurde, und dort f�r einige Furore sorgte: Die Libe�ra�tion brachten den Bericht sogar auf ihrer Titel�seite.

Dabei ist der Film weitaus weniger rei�e�risch als der Plot. Die Kamera ist mitunter zu forciert, zu neugierig und unruhig, der bekannten Wackel�ka�mera der �Dogma�-Regis�seure zu �hnlich. Doch meist bleibt sie ruhiger, wartet ab, wirkt forschender, unwis�sender. Auch resi�gnierter, wenn man so will. Es ist der Blick eines Anatoms. Und es gibt nichts wirklich zu enth�llen, statt gro�er Geheim�nisse liegt alles f�r den Zuschauer von Beginn an offen da. Der Film zeigt, was aus der Ausgangs�si�tua�tion folgt, vor allem aber zeigt er wie sich zwei Menschen um sich selbst drehen, wie sich das Gleiche immer wieder aufs Neue wieder�holt, ohne dass einer von ihnen den Weg zum Ausbruch f�nde, oder die Kraft dazu.

Bonny erz�hlt diese Geschichte aus Sicht Georgs, des Mannes. Er ist Polizist. Tapfer und mutig hat man ihn schon in der ersten Szene erlebt. Er ist eigent�lich kein Schw�ch�ling, aber gegen�ber seiner Frau kann er keine St�rke zeigen und wird zum gepr��gelten Hund, der sich vor ihr zum gro�en Kind zusam�men�rollt, ihre immer wuch�ti�geren Hiebe stumm wimmernd einsteckt. Am n�chsten Morgen hat er blaue Flecken und ist der Bulle, stark, aber sensibel. Am Abend hat er Angst, nach Hause zu gehen, kauft Blumen, beruhigt seine Frau ergeb�nislos mit S�tzen wie: �Das ist doch alles kein Drama�. Und doch scheint dieser schwache �starke Mann� die Realit�t seines Lebens auf gewisse Weise gar nicht zu sehen, sie absolut zu verdr�ngen.

Man nimmt diesen Kreisel der Wieder�ho�lung als Entmach�tung, auch als Entm�nn�li�chung wahr. Je mehr passiert, um so passiver wird er. Immer schwerer f�llt es, diese Passi�vit�t, und das Geschehen, seine Uner�kl�r�lich�keit auszu�halten.

Es ist die gro�e Leistung Bonnys, dass Georg trotzdem nie seine W�rde verliert, und dass auch Anne, seine Frau, die als Lehrerin arbeitet, keine Schreck�schraube wird. Im Gegenteil hebt der Film hier die Distanz zunehmend auf, zieht den Zuschauer ein wenig auf ihre Seite. Man beginnt, auch sie zu begreifen.
Schnitt und Bild�ge�stal�tung lassen zu w�nschen �brig. Visuell glaubt man sich manchmal in einen �Tatort� versetzt, und Bonny hat noch nicht zu einer wirklich eigenen Film�sprache gefunden – aber es kann auch nicht gleich alles perfekt gelingen in einem Deb�t. Die St�rke von Gegen�ber liegt in den beiden Haupt�dar�stel�lern, dem �beraus facet�ten�rei�chen Matthias Brandt und Victoria von Trautt�mans�dorff die hier einen ungemein eindrucks�vollen Auftritt hat, die Inten�sit�t stiller Hysterie. Bonny insze�niert beide sehr dicht, h�lt das Bild eng bis an den Rand des Klaus�tro�pho�bi�schen.
Bonny inter�es�siert sich nicht f�r Tristesse, auch nicht notwendig f�r Realismus. Sondern f�r Klarheit und eine gewisse H�rte des Blicks. Es geht nie um Schuld in diesen Szenen einer Ehe, es geht um Ausweg�lo�sig�keit, um Liebe und was sie mit uns machen kann.