museenkoeln.de | Bild der Woche: Lovis Corinth en détail... (2)

Lovis Corinth en détail... (2)

Bild der 11. Woche - 17. bis 24. März 2003

Lovis Corinth Detail aus: Selbstbildnis im weißen Kittel, 1918 Öl auf Leinwand, 105 x 80 cm Wallraf-Richartz-Museum - Fondation Corboud, WRM 2368
Lovis Corinth Selbstporträt als Fahnenträger, 1911 Öl auf Leinwand, 146 x 130 cm, Nationalmuseum, Posen

Letzte Woche hatten wir an dieser Stelle begonnen, anhand dieses Selbstporträts und unter Einbeziehung weiterer, jeweils um seinen Geburtstag am 21 Juli gemalter Selbstdarstellungen Leben und Schaffen des Malers Lovis Corinth näher zu betrachten. Mit einem Detail des Gemäldes setzen wir dies nun fort. Streng, direkt und mit Kraft ist der Blick Lovis Corinths auf den Betrachter bzw. -da es sich um ein Selbstporträt handelt - auf sein eigenes Bild im Spiegel gerichtet. Eben diese Schärfe korrespondiert mit der Malweise Corinths - auch wenn das Detail auf den ersten Blick etwas anderes vermittelt. Die Nahsicht dieses Bildausschnitts läßt den Pinselstrich schnell gesetzt erscheinen. Die Farben sind nicht gegeneinander abgegrenzt. Direkte Linien sind nicht zu erkennen. Teilweise wurde die Farbe in die bereits aufgetragene frische Farbe eingemischt. Man hat den Eindruck, daß Farbreste einer anderen Farbe im Pinsel den Pinselstrich verunreinigten. Der Pinsel ist relativ breit und die Farbe ist z. T. recht dick aufgetragen. Dies insgesamt macht den Eindruck einer schnellen, spontanen und unpräzisen Malerei. Daß die Wirkung des Gesamtbildes jedoch so verblüffend exakt ist (s. kleines Bild rechts oben), weist bereits darauf hin, daß Corinth in seiner Malweise alles andere als unpräzise ist. Vieles, was spontan oder zufällig erscheint, ist ganz bewußt gesetzt: etwa die blaue Einfärbung auf der Stirn, der kleine weiße Rand am Ohr, die mit heller Farbe nachgezogene und damit unklar wirkende Kontur des Hinterkopfes. Die Richtung seines Striches scheint überall gleich (von rechts oben nach links unten). Mit "altmeisterlicher" Präzision hat Corinth die Spiegellungen in den Augen und die Pupillen gesetzt. Im Abstand zum Bild wird die Bedeutung dieser Details für den Gesamteindruck deutlich. Die Zeit in München endete nicht so erfolgreich, wie Corinth es sich gewünscht hatte. Im Streit mit den Kollegen der "Münchner Sezession" wandte er sich nach Berlin und siedelte schließlich dorthin über. Hier eröffnet er eine "Malschule für Frauen". Seine erste Schülerin, Charlotte Berend, wird später seine Frau. War Corinth in München aus der Sezession ausgeschlossen worden, so wurde er 1911 in Berlin zum Vorsitzenden der "Berliner Sezession" gewählt. Das "Geburtstagsbild" des Jahres 1911 zeigt ihn als stolzen Ritter und Fahnenträger (kleines Bild rechts). Der Maler scheint sich als Kämpfer für die Belange der Berliner Künstlerschaft zu verstehen.

T. Nagel