Stille Sehnsucht – Warchild | Kritik | Film | critic.de

Stille Sehnsucht – Warchild – Kritik

Auf wahren Tatsachen beruhend, schildert Christian Wagners Stille Sehnsucht – Warchild die Suche einer Mutter nach ihrer verschollenen Tochter. Vom Roten Kreuz aus dem Kriegsgebiet im Balkan gebracht, wurde die Tochter in Deutschland zur Adoption freigegeben – ohne das Einverständnis der Mutter.

Stille Sehnsucht - Warchild

Angesichts der zahlreichen Dokumentarfilme überrascht die geringe Anzahl von Spielfilmen, welche den Balkankonflikt als Gegenstand haben. Welcome to Sarajevo (1997), No man’s land (2001), Das Leben ist ein Wunder (Zivot je cudo, 2004) und der diesjährige Gewinner des goldenen Bären Esmas Geheimnis (Grbavica, 2006) gehören zu den wenigen Spielfilmen, die sich mit dem verheerenden Krieg beschäftigten. Dabei konzentriert sich die Mehrzahl auf die Folgen des Krieges, der eigentliche Konflikt wird meistens als Hintergrund verwendet. So auch in Stille Sehnsucht, Christian Wagners zweitem Teil seiner ‚Balkan Blues Trilogy’.

Ausgangspunkt von Stille Sehnsucht ist das Zerbrechen einer Familie. Das noch junge Familienglück von Senada (Labina Mitevska) und ihrem Ehemann Samir (Senad Basic) wird jäh durch den Ausbruch des Krieges zerstört. Die dreijährige Tochter Aida scheint bei einem Busunglück ums Leben gekommen zu sein, doch die junge Mutter zweifelt an dem Tod ihres Kindes. Für sie lebt Aida immer noch und tatsächlich führt sie neun Jahre später eine Spur nach Deutschland, wo sie ihre Tochter wieder findet. Aus Aida wurde Kristina (Joelle Ludwig), ein unbekümmerter Teenager, der an seine frühe Kindheit keine Erinnerungen mehr hat.

Stille Sehnsucht - Warchild

Stille Sehnsucht wird konsequent aus Senadas emotionaler (Opfer-)Perspektive erzählt. Bereits in dieser nahe liegenden Entscheidung des Blickwinkels macht sich die gravierende Schwäche des Films bemerkbar. Der Plot ist vorhersehbar und deutlich kommt die Struktur des Drehbuchs zum Vorschein. Senadas Suche wird komplett ausgespart, es wird lediglich erwähnt, dass sie schon in dutzenden Städten gewesen ist. Als sie dann in Ulm ankommt, ist sofort klar, dass sie hier ihre Tochter finden wird. Nachdem sie den Aufenthaltsort ausfindig gemacht hat, sitzt Senada in einer Bäckerei und prompt kauft Kristinas Adoptivvater Lars Heinle (Otto Kukla) Brot ein. Der Film schafft es nicht diese zufälligen Zusammentreffen als plausibel darzustellen. Ein Erzählfluss kann so nicht entstehen und man wird permanent an die Existenz des Drehbuches erinnert.

Dazu kommen Szenen die nicht zur Geschichte passen. Als Senada und Samir klar wird, dass die neuen Eltern von Aida/Kristina nicht bereit sind, das junge Mädchen zurück in den Balkan zu schicken, beschließen sie „ihre“ Tochter zu entführen. Wie sie mit einer Handgranate bewaffnet in das Haus der Heinles einbrechen wirkt jedoch so absurd, dass es schwer fällt, die Szene auch nur einigermaßen ernst zu nehmen.

Stille Sehnsucht - Warchild

Diese dramaturgischen Mängel sind besonders schade, wenn man bedenkt, dass eine spannende Frage Stille Sehnsucht zu Grunde liegt: Im Glauben an den Tod der Eltern wurden im Krieg zahlreiche Kinder vom Roten Kreuz zur Adoption freigegeben und nach Westeuropa gebracht. Was geschieht aber, wenn die tot geglaubten Eltern Jahre nach dem Krieg ihre Kinder zurück haben wollen? Christian Wagner versucht dieses moralische Dilemma aus der Sicht der leiblichen Eltern zu beantworten. Es gibt jedoch noch zwei weitere Perspektiven aus denen das Problem betrachtet werden kann. Zum einen aus Sicht der deutschen Behörden, die plötzlich mit der leiblichen Mutter konfrontiert werden und zum anderen aus Sicht der Adoptiveltern. Gerade diese zweite Sichtweise wäre besonders interessant gewesen. Wie verhält man sich wenn man neun Jahre lang ein Kind großgezogen hat und eines Tages mit den Eltern des Kindes konfrontiert wird? Diese Frage wird zwar angeschnitten, jedoch nur unzureichend behandelt. So verbleibt Stille Sehnsucht an der Oberfläche, die emotionalisierende Perspektive aus welcher der Film erzählt wird, steht einer ernsthaften Auseinandersetzung ebenso im Weg wie die gravierenden dramaturgischen Schwächen.

 

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