Die französische Schauspielerin und Regisseurin Judith Godrèche ist das neue Gesicht der französischen MeToo-Bewegung.
Die französische Schauspielerin und Regisseurin Judith Godrèche ist das neue Gesicht der französischen MeToo-Bewegung.
AP/Lewis Joly

Als am Dienstagabend das Festival von Cannes eröffnet wurde, warteten viele gespannt darauf, ob Judith Godrèche die Bühne betreten würde. Hinter den Kulissen wurde nämlich gemunkelt, dass es durch sie zu neuen MeToo-Enthüllungen kommen würde. Doch die Schauspielerin blieb der Zeremonie fern, und die lief auffallend harmonisch ab. Die Ruhe vor dem Sturm?

Das Kino und die jungen Mädchen

Die 1972 in Paris geborene Schauspielerin und Regisseurin ist das Gesicht der aktuellen französischen MeToo-Welle, die stürmischer denn je gegen die Festung des französischen Kinos anbrandet. Im Dezember strahlte Arte ihre autofiktionale Serie Icon of French Cinema aus. Schnell wurde gemunkelt, dass einer der Porträtierten einer echten Person gleicht: dem Filmregisseur Benoît Jacquot, mit dem Judith Godrèche während der 1980er-Jahre ihre Filmkarriere begann und eine Beziehung hatte. Er war 39, sie 14. Im Februar ging Godrèche dann mit Vergewaltigungsklagen gegen Jacquot und den Regisseur Jacques Doillon, in dessen Film Eine Frau mit 15 sie 1989 mitspielte, an die Öffentlichkeit.

Der Regisseur Benoît Jacquot und seine Klägerin Judith Godreche. Sie sei mit 14 seine
Der Regisseur Benoît Jacquot und seine Klägerin Judith Godreche. Sie sei mit 14 seine "Kindfrau" gewesen, sagte sie.
AFP/FRANCOIS GUILLOT/LOU BENOIST

Cannes als Knotenpunkt

Daraufhin erreichten Godrèche tausende Nachrichten mit ähnlichen Schilderungen. Einen Chor dieser Stimmen hat die 52-jährige zweifache Mutter nun in einem Kurzfilm gebündelt, der nachträglich zum Festival von Cannes eingeladen wurde. Am Mittwoch feiert Moi Aussi bei der Eröffnung des Wettbewerbs "Un Certain Regard" Premiere.

1996, als Godrèche den Schritt nach Hollywood versuchte (Der Mann in der eisernen Maske war 1998 ihre größte Rolle), wurde sie während des Filmfestivals in Cannes laut eigenen Angaben von Harvey Weinstein aufs Hotelzimmer "gebeten". 28 Jahre später wird sie hier eine Bühne für ihre feministischen Anliegen bekommen. Und das, obwohl der Programmchef Thierry Frémaux gerne sämtliche Politik von der französischen Riveria verbannt hätte.

CANAL+

Ob am Mittwochabend tatsächlich die Namen von weiteren potenziellen Tätern genannt werden, bleibt abzuwarten. Godrèche jedenfalls wirkt gleichermaßen besonnen wie determiniert. "Vor kleinen Mädchen", sagte sie bereits bei ihrer gefeierten Rede während der französischen Filmpreise im Februar mit Blick auf ihre eigenen Erlebnisse als Minderjährige, "muss man sich hüten." Sie seien eigentlich Punks, die von Revolution träumen. (Valerie Dirk, 15.5.2024)